AfD-Politiker Maximilian Krah teilte im September ein Video auf X, das angeblich einen Strassenmusiker zeigt, der ein fremdenfeindliches Lied singt. Doch das Original klingt anders, jemand tauschte die Tonspur auf TikTok aus.

Bei abendlicher Strassenbeleuchtung spielt ein Mann Gitarre. Er singt zu Lewis Capaldis Melodie von "Someone You Loved" vor dutzenden Passantinnen und Passanten auf Englisch: "Das Vereinigte Königreich ist im Arsch, und es gibt niemanden, der mich retten kann. [...] Ich packe besser meine Koffer, denn ich haue ab. Rüber nach Polen, wo die Strassen sicher sind. [...] Wo sind die Kinder, keine Frauen in Sicht, nur Männer auf diesen Schiffen. Hört auf, das Geld zu geben."

Die Szene ist in einem Video zu sehen, das Maximilian Krah, AfD-Politiker und fraktionsloser Abgeordneter im EU-Parlament, am 19. September auf X teilte. Sein Beitrag wurde mehr als 1.100 Mal weiterverbreitet – das Video hat er aus einem englischsprachigen X-Beitrag, der mehr als 18.700 Mal geteilt wurde.

Doch das Video ist manipuliert. Der Mann sang etwas ganz anderes – das Weihnachtslied "Last Christmas".

Tatsächlich singt der Strassenmusiker Satre ein Lied von Wham!

In dem X-Beitrag von Krah ist erkennbar, dass das Video von TikTok stammt. Über eine Stichwortsuche mit den Worten "The UK is fucked up song" sind dort mehrere Videos, die den Strassenkünstler zeigen. Ein TikTok-Profil veröffentlichte es schon am Abend des 11. August 2024 mit dem Kommentar "True words".

Auf demselben Profil fand sich bis Anfang Oktober eine zweite Version des Videos. Darin hiess es: "Das Original ... brillanter Strassenmusiker in London", aber die Tonspur war eine andere. Der Mann sang in diesem Video: "You gave it away, this year, to save me from tears, I’ll give it to someone special" – die Zeilen von "Last Christmas" der britischen Band Wham!.

Welches ist das Original?

In den Videos ist erkennbar, dass der Sänger eine Pappe in seinem Gitarrenkoffer aufgestellt hat. Darauf steht der Künstlername Satre. Eine Google-Suche nach dem Namen führt zu einem schwedischen Singer-Songwriter, der laut seinem Instagram-Profil häufig mit Cover-Songs in den Strassen Londons auftritt.

Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete er: Das Video mit der Tonspur "The UK is fucked up" zeige seinen Auftritt. Doch es sei erkennbar, dass er in einem anderen Tempo spiele, als die Tonspur suggeriere und auch die Hintergrundgeräusche fehlten. "Ich spiele 'Last Christmas' im Original", schreibt Satre.

Die Tonspur im Video wurde ersetzt

Tatsächlich ist bei TikTok erkennbar, dass der Ton dem Video hinzugefügt wurde. Ein Klick auf das Symbol unten rechts im Video führt zu 140 weiteren Videos, die dieses Lied als Tonspur verwenden (Stand: 2. Oktober 2024) – und auch zu dem Original-Song. Das Lied stammt aus einem TikTok-Video eines Nutzers, der bei TikTok völlig andere Lieder singt als Satre.

Das virale TikTok-Video (links) enthält eine Tonspur (grüne Markierung), die – wie im rechten Bild zu sehen – 140 weitere Videos auf TikTok nutzen. Sie stammt nicht von dem Strassenmusiker Satre, sondern von einer anderen Person (gelbe Markierung). © Quelle: Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck

Warum die TikTok-Funktion "Song verwenden" Wegbereiter für Desinformation sein kann, erklärt CORRECTIV.Faktencheck hier. In diesem Fall erreichte das manipulierte Video mehr als 2,5 Millionen Aufrufe – das Original schaffte nur knapp 17.000.

Der TikTok-Nutzer, der beide Videos veröffentlicht hat, kommentiert unter der manipulierten Version: "Ich habe nur ein Video gemacht und darin diesen Strassenmusiker verwendet." Er fordert dazu auf, dem Musiker zu folgen, von dem der Ton im Video ist. Davon wird in den Beiträgen auf X nichts erwähnt.

Von der Person hinter dem TikTok-Profil erhielt CORRECTIV.Faktencheck keine Antwort auf die Frage, warum sie das Video mit einer falschen Tonspur veröffentlichte. Das Video, in dem der Sänger das Weihnachtslied singt, verschwand nach einer Anfrage von TikTok, der Fake ist dagegen weiter abrufbar.

AfD-Politiker Maximilian Krah liess die Frage von CORRECTIV.Faktencheck, ob er seinen X-Beitrag mit dem manipulierten Video löschen werde, unbeantwortet.

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