Die Doku "Elternschule" schlug in den vergangenen Wochen hohe Wellen: Die Staatsanwaltschaft hatte sogar Ermittlungen gegen die im Mittelpunkt des Films stehende Klinik aufgenommen. Der Verdacht auf Misshandlung Schutzbefohlener hat sich nicht bestätigt. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

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Nach der Filmdoku "Elternschule" über Therapien in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Einrichtung aufgenommen.

Es ging um den Verdacht der Misshandlung Schutzbefohlener, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen Ende Oktober auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Anlass sei die Anzeige eines Arztes gewesen. "Es geht um die Handlungen, die in dem Film gezeigt werden", erläuterte der Sprecher. Inzwischen wurden die Ermittlungen eingestellt, weil sich der Verdacht der Misshandlung nicht bestätigt hat.

Kinofilm dokumentiert Behandlung der Kinder

Der Dokumentarfilm "Elternschule" hat eine Welle der Empörung ausgelöst, wie es schon lange kein Film mehr geschafft hat. Der zweistündige Kinofilm dokumentiert die Behandlung von psychosomatisch erkrankten Kindern mit massiven Ess- und Schlafstörungen in der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen. Seit seinem Erscheinen im Oktober sorgt der Film für kontroverse Debatten über die in Gelsenkirchen angewandten Therapiemethoden.

Demonstrationen und eine Online-Petition sollten ein Ausstrahlungsverbot der Doku erwirken, Podiumsdiskussionen mussten aus Angst um die Sicherheit der Redner mehrfach abgesagt werden. Proteste von entsetzten Eltern und scharfen Kritikern des Films fluten die sozialen Netzwerke.

Viele Kritiker hatten rechtliche Schritte gegen Klinik gefordert

Dass es Ermittlungen gegen die Klinik geben könnte, war laut einer offiziellen Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zum Film erwartbar gewesen: "Verhalten sich Eltern gegenüber ihren Kindern so wie das Klinikpersonal in dem Film, dann ist das rechtswidrig", konstatiert Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers. "Auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Kitas und Schulen ist ein solches Verhalten verboten und kann rechtliche Konsequenzen haben."

Die Klinik weist die Vorwürfe zurück. In ihr gebe es keine Gewalt. Die klinischen Methoden entsprächen dem aktuellen Forschungsstand und den Standards der medizinischen Wissenschaft, hiess es in einer Stellungnahme. Die Ermittlungen gegen die Klinik wurden mittlerweile eingestellt.

Auch die Filmemacher haben sich in einem ausführlichen Bericht zum Film und den Vorwürfen geäussert. Darin hatten sie vor allem auch zu den Anschuldigungen Stellung bezogen, die Doku würde als Erziehungsratgeber verkauft werden: "Der Film ist kein 'Ratgeberfilm', sondern zeigt Menschen in einem therapeutischen Verfahren und mögliche Handlungsoptionen."

Worum geht es im Film "Elternschule"?

"Ich will nur, dass es meinem Kind gut geht", ist der Satz, der wirklich häufig fällt in "Elternschule". Es ist der Satz von verzweifelten Eltern am Rande eines Nervenzusammenbruchs, die Hilfe für sich selbst und ihre verhaltensauffälligen, meist kranken Kinder suchen. Die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen bietet eine angeblich seit Jahren erfolgreiche Verhaltenstherapie an. Was nach einem vorbildlichen Vorhaben klingt, hat, festgehalten in Bewegtbild, nun einen Skandal ausgelöst.

Von Neugeborenen bis hin zu beinahe erwachsen wirkenden Schulkindern sind Patienten unterschiedlichster Altersgruppen dabei. Die drei Hauptprobleme aller werden in den Mittelpunkt der Dokumentation gestellt: Schlaftraining, Esstraining, Trennungstraining. Jugendliche rasten aus, Eltern werden emotional. Das Kind bockt, die Mutter weint, der Vater schreit: "Das ist ja Folter hier!" - eine Zerreissprobe für die ganze Familie.

Ein grosses Problem des Films: der Zusammenhang

Die Szenen, die gezeigt werden, stehen unkommentiert im Raum. Das führt dazu, dass nicht nur die Kinder im Film scheinbar allein gelassen werden - auch der Zuschauer ist allein und verstört. Denn die Szenen, über die so hitzig debattiert wird, gehen ans Herz.

Die Kinder stellen Fragen, doch zumindest vor der Kamera geben die Eltern ihrem Nachwuchs darauf keine Antworten. Kinder werden als "Egoisten" bezeichnet, die die Erwachsenen "durchschauen" und versuchen zu manipulieren. Sie sollen "körperlich lernen, was Führung heisst".

"Lernen" sollen das die Kleinen in der "Mäuseburg" - so heisst der Bereich, in dem die Kinder umerzogen werden sollen. "Es sieht aus wie ein Zimmer im Kindergarten, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Wir sind hier zur Therapie", wird den Eltern gleich zu Beginn mitgeteilt.

Verhalten der Klinikmitarbeiter sorgt für Entsetzen

Wenn kleine Mädchen "Mama, lass los, es tut weh!" rufen und ihre Eltern nach einer zweiten Chance anbetteln, ruft das im Zuschauer zwangsläufig Gefühle hervor. Es sind Situationen wie diese, die den Betrachter hilflos und manches Mal schockiert zurücklassen - nicht zuletzt aufgrund des Umgangs des Klinikpersonals mit dem Verhalten von Eltern und Kindern.

Szenen voller schreiender Kinder, unterlegt mit einer Art Klangschalenmusik: In solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren ist das, was Eltern in Gelsenkirchen lernen sollen - und was die Mitarbeiter der Einrichtung in Perfektion zu beherrschen scheinen.

Im Film wirken sie dadurch - gerade im Vergleich zu den emotionalen Müttern - unterkühlt, unnahbar, gefühllos, grausam. Geradezu unmenschlich für den Zuschauer.

Methoden der Klinik auch in Fachkreisen umstritten

Das Entsetzen über die angewandten Praktiken zieht sich quer durch alle Gesellschaftsschichten. Selbst renommierte Experten auf dem Gebiet der Kindererziehung, der Entwicklung von Kindern und Familientherapie lassen kein gutes Wort daran.

Für die im Film gezeigte Klinik ist der Sturm der Entrüstung aufgrund diverser Praktiken allerdings nichts Neues. "Trennungstraining", das wird an der Kinderklinik Gelsenkirchen schon länger angeboten. Allerdings angeblich in anderer Art und Weise, als es noch 2005 praktiziert wurde - damals unter der Leitung von Professor Ernst August Stemmann, seinerzeit Leitender Arzt der Umweltabteilung der Klinik.

Er bezeichnete sich selbst als Galileo Gelsenkirchens aufgrund einer von ihm entwickelten Methode zur Behandlung von Neurodermitis. Seine Theorie war, dass chronische Krankheiten durch Traumata und Stress ausgelöst würden, etwa Trennungen wie Geburt, Abstillen oder andere Trennungen von der Mutter. Sei es nur, dass sie den Raum verlässt.

Zur Heilung der Krankheit sollte den Kindern das Trennen beigebracht werden, in Kombination mit einer ominösen Diät. Kollegen stufen Stemmanns Behandlung schon seit Jahren als sinnlos und gefährlich ein. Dem "Spiegel" sagte etwa der Hamburger Kinderarzt Peter Höger: "Das ist okkulte Medizin. [...] Die Notwendigkeit der Trennung wird den Eltern eingehämmert, bis sie weinend zusammenbrechen."


Verwendete Quellen:

  • "Elternschule" - von Jörg Adolph und Ralf Bücheler (Zorro Filmverleih)
  • Staatsanwaltschaft Essen
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • Deutscher Kinderschutzbund: "Elternschule" - Stellungnahme zu der umstrittenen Erziehungs-Doku
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