Die Tragödie um den Germanwings-Flug 4U9525 hat eine Debatte über die Sicherheit in Flugzeugen ausgelöst. Die Airlines haben bereits reagiert, die Bundesregierung prüft weitere Massnahmen. Doch nicht alles, was nun zur Diskussion steht, ergibt für Experten und Piloten auch Sinn. Die Vorschläge im Check.

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Bereits drei Tage nach dem Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525 zogen die deutschen Airlines die erste Konsequenz: Seitdem gilt das Vier-Augen-Prinzip, das besagt, dass zu jedem Zeitpunkt zwei Menschen im Cockpit anwesend sein müssen. Weitere Sicherheitsmassnahmen sind im Gespräch – Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat am Donnerstag eine Expertengruppe ins Leben gerufen, die unter anderem prüfen soll, ob der Türschutz-Mechanismus im Cockpit geändert werden sollte.

Unter den Piloten sind die geplanten Massnahmen ein grosses Thema, sagt Markus Wahl. Er fliegt seit zwölf Jahren für die Lufthansa und ist stellvertretender Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Er verfolgt die derzeitige Diskussion kritisch: "Ich wäre vorsichtig damit, jetzt schon Forderungen aufzustellen. Wir brauchen keinen Aktionismus." Der Präsident der Luftfahrt-Akadamie, Flugsicherheitsexperte Siegfried Niedek, sieht das ähnlich. "Wir haben es meiner Kenntnis nach das erste Mal in Mitteleuropa mit einem möglichen Selbstmord zu tun. Wir sollten erst einmal in Ruhe überlegen, was sinnvoll ist."

Das Vier-Augen-Prinzip

Es war die erste Forderung, die aufkam, nachdem bekannt wurde, dass der Co-Pilot Andreas Lubitz offenbar den Kapitän ausgesperrt und dann den Sinkflug eingeleitet hatte. Bereits drei Tage nach dem Absturz legten sich deutsche und einige weitere europäische Airlines fest: Ab sofort müssen stets zwei Menschen im Cockpit verbleiben. Wahl ist als Pilot schon mit der neuen Regelung konfrontiert. Er legt Wert darauf, dass die Piloten nicht unter Generalverdacht gestellt werden sollten. "Wir sind Teil der Sicherheitskette, nicht Teil des Problems."

Flugsicherheitsexperte Niedek ist unsicher, ob sich die Germanwings-Tragödie mit dem Vier-Augen-Prinzip wirklich hätte verhindern lassen. Er erinnert an den Fall der SilkAir 185, die 1997 in Indonesien abgestürzt war. Damals hatte der Kapitän laut einer US-Untersuchung beide Flugschreiber deaktiviert, den Co-Piloten überwältigt und das Flugzeug zum Absturz gebracht. "Wenn wir aber davon ausgehen, dass ein Pilot Selbstmord begehen will, und er kein gewalttätiger Mensch ist, dann könnte eine zweite Person so etwas verhindern", sagt Niedek. "Aber dahinter müssen wir ein grosses Fragezeichen setzen." Wahl sieht das Vier-Augen-Prinzip als "vorübergehende Massnahme", die evaluiert werden müsse, sobald der Unfallhergang von Flug 4U9525 komplett geklärt ist. "Langfristig gesehen müssen wir uns zusammensetzen und schauen: Was war das genaue Problem, und was ist sinnvoll? Vielleicht kommt dabei raus: Das Vier-Augen-Prinzip ist genau die richtige Massnahme. Dann ist das so."

Die Cockpit-Tür

Offenbar versuchte der Kapitän der Germanwings-Maschine, die Cockpit-Tür mit einer Axt zu öffnen. Doch seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind die Türen gepanzert, halten sogar Schusswaffen stand. Für Wahl gibt es keinen Grund, das zu ändern: "Ich fühle mich mit der aktuellen Lösung absolut wohl, ich weiss, ich bin sicher."

Niedek gibt allerdings zu bedenken, dass in einigen Notfällen eine Öffnungsmöglichkeit von aussen hilfreich wäre – sei es, weil die Insassen im Cockpit ohnmächtig geworden sind oder, wie im Falle eines United-Airlines-Fluges vor sechs Wochen, der Kapitän den Türcode vergessen hat. "Diese Bedenken haben die Piloten schon gleich 2001 geäussert: Was, wenn die Tür zu ist und wir kommen nicht raus? Was, wenn wir draussen stehen und nicht reinkommen? Sie kennen ja Murphy's Law."

Wenn sich die Expertenkommission mit der Frage des Türmechanismus beschäftigt, wird sie abwägen müssen, welchem Sicherheitsaspekt sie den Vorrang gibt. "Das Verfahren wurde aus gutem Grund eingeführt", sagt Wahl. "Indem wir jetzt ein Problem lösen, könnte es sein, dass wir uns das nächste Problem schaffen." Sprich: Ein gelockerter Mechanismus könnte ein Einfallstor für Terroristen sein.

Regelmässige Psycho-Tests für Piloten

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) forderte in einer Reaktion auf das Germanwings-Unglück regelmässige medizinische Spezialtests. Diese Untersuchungen müssten sowohl die psychische als auch die körperliche Fitness der Piloten prüfen. Niedek winkt ab: "Es ist zu einfach, das zu umgehen. Wenn sie wissen, wann der Test ist, bereiten sie sich einfach darauf vor."

Tatsächlich haben zahlreiche Psychologen bereits darauf hingewiesen, dass eine genaue Prognose über das Verhalten eines Patienten völlig unmöglich sei. Ausserdem: Falls stimmt, was die "Welt" herausgefunden hat, hat die Lufthansa Lubitz einem zusätzlichen Psycho-Test unterzogen. Ob sinnvoll oder nicht, sperren will sich Wahl gegen den Vorstoss der ICAO nicht: "Auch über diesen Vorschlag kann man reden - aber besonders zu so einem frühen Zeitpunkt ist das einfach nicht zielführend."

Keine Schweigepflicht für Fliegerärzte

Anders verhält es sich beim Vorschlag von CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer, die Fliegerärzte von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber zu entbinden. "Das ist nicht nur verfrüht, das ist auch kontraproduktiv", urteilt Wahl. "Der Kollege, der merkt, dass gesundheitlich oder seelisch etwas nicht stimmt, der sagt dann doch lieber gar nichts mehr aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen."

Niedek stimmt ihm zu: "Auf der Schweigepflicht basiert doch das Vertrauen des Betroffenen in den Fliegerarzt." Ausserdem: Schon jetzt können die Fliegerärzte eine Meldung machen, wenn sie befürchten, dass von einem Patienten eine Gefahr ausgeht – allerdings nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Luftfahrtbundesamt.

Mehr Informationen über die Fluggäste

Für Verwunderung sorgt der Vorstoss von Innenminister Thomas de Maizière. Seine Behörde ist durch das Unglück offenbar auf eine vorher unbekannte Sicherheitslücke gestossen: "Nach dem Anschlag haben wir bei allen Passagieren und der Crew überprüft, ob sie uns als Gefährder bekannt sind - weil wir wissen wollten, ob es sich um einen Terroranschlag handelt", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wir mussten aber feststellen, dass zunächst gar nicht klar war, wer überhaupt in dem Flugzeug sass."

Der Hintergrund: Im Schengen-Raum wird der Ausweis nicht mehr systematisch kontrolliert. Das will der Innenminister nun ändern. Ob das zu mehr Sicherheit führt, ist fraglich: "Ich habe mich bisher nicht unwohl gefühlt", sagt Wahl. "Daran jetzt bereits zu rütteln, ergibt meines Erachtens keinen Sinn."

Niedek ist verwundert, dass dieses Thema nun auf die Agenda kommt. Möglicherweise würde durch eine zusätzliche Ausweiskontrolle ein Terroranschlag erschwert. "Aber was haben die Ausweise mit einem möglichen Selbstmord zu tun? Das verstehe ich nicht."

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