Nach dem Tod eines Zweijährigen in einer Kita in Gelsenkirchen sind die beiden wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Tagesmütter freigesprochen worden. Nach dem Urteil ging die entrüstete Mutter auf die Angeklagten los.

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Im Prozess um den tragischen Tod eines Zweijährigen in einer Mini-Kita in Gelsenkirchen hat das Gericht die beiden angeklagten Tagesmütter freigesprochen. Im Gerichtssaal kam es daraufhin zu einem kurzen Tumult: Die Mutter des toten Jungen sprang laut schreiend auf und ging auf eine der Tagesmütter los. Ihr Mann konnte sie im letzten Moment zurückhalten. Mehrere Wachtmeister kamen in den Saal und sicherten die Situation ab.

Der kleine Junge war vor gut zwei Jahren während der Mittagspause unten in ein Etagenbett gelegt worden. Den Ermittlungen zufolge hatte er es geschafft, die lose Bodenplatte des darüberliegenden Bettes hochzudrücken und seinen Kopf durch die Lücke zu stecken. Als seine Kraft nachliess, wurde sein Hals unter der elf Kilogramm schweren Platte eingeklemmt. Er erstickte.

Richter sehen juristisch keine Schuld bei Tagesmüttern

"Dass das menschlich eine Tragödie ist, steht ausser Frage", sagte der Vorsitzende Richter Karl-Martin Lucks in der Urteilsbegründung. Doch das Schöffengericht sah keinen Pflichtverstoss der beiden Tagesmütter. Es habe keine Vorschrift gegeben, dass ein Erwachsener während der Mittagspause im Raum der Kinder sein musste.

Auch davon, dass das Kita-Bett eines namhaften Herstellers zur tödlichen Gefahr für den Jungen werden konnte, hätten die Frauen nicht ausgehen können. Deshalb seien die beiden Angeklagten, die als selbstständige Tagesmütter in der städtisch organisierten Kita arbeiteten, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Sie trügen juristisch keine Schuld am Tod des Jungen, betonte Lucks.

Im Prozess rückten auch die Kinder-Etagenbetten in den Fokus. Nach Einschätzung eines Gutachters waren sie winzig und verstiessen gegen eine ganze Reihe von Vorschriften. Der Möbelsachverständige bezeichnete die Betten in seiner Aussage vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen als "Käfig".

Staatsanwältin hatte zehn Monate ohne Bewährung gefordert

Die Eltern des toten Zweijährigen waren von dem Freispruch geschockt. Seine Mandanten seien von ihren Gefühlen überwältigt worden, sagte ihr Anwalt nach dem Tumult im Gerichtssaal. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Nebenklage kündigte bereits Rechtsmittel an, die Staatsanwaltschaft äusserte sich dazu zunächst nicht.

In ihrem Plädoyer hatte die Staatsanwältin betont, sie sei von der Schuld der beiden 38 und 27 Jahre alten Frauen überzeugt. Sie wirft ihnen vor allem vor, dass sie die Kinder während des Mittagsschlafs unbeaufsichtigt in dem Schlafraum gelassen hätten. Nicht einmal ein Babyfon sei installiert gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Monate Haft ohne Bewährung gefordert. (dpa/lko)

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