2016 hat die Schweizer Regierung das Alter, ab dem Jugendliche an einem Kurs für junge Schützen teilnehmen können, von 17 auf 15 Jahre gesenkt. Wer will, kann aber noch früher mit dem Schiessen beginnen – auch mit einem Sturmgewehr.
"Das Schiessen wird unter Jugendlichen immer beliebter", sagt Christoph Petermann. Der stellvertretende Leiter Kommunikation beim Schweizer Schiesssportverband (SSV) ist überzeugt, dass der Bundesbeschluss, das Zugangsalter zu den Kursen zu senken, viel damit zu tun habe.
"Was uns besonders freut, ist die Zahl der Mädchen und jungen Frauen, die sich für das Schiessen entscheiden. Sie brechen das Klischee, dass es ein Sport für alte Männer sei."
Wie viele Personen – egal welchen Alters – ziehen am Auslöser in der Schweiz – dem Land, das laut Angaben der Nichtregierungsorganisation Small Arms Survey hinter den USA und dem Jemen das meistbewaffnete ist? Laut SSV sind es 130'000 Schützen und Schützinnen, wobei 58'300 im Besitz einer Lizenz sind.
Der SSV ist in dem Land mit rund acht Millionen Einwohnern somit der viertgrösste Schweizer Sportverband, nach Gymnastik, Fussball und Tennis. Allerdings nimmt die Zahl der Schützen stetig ab: Vor 1995 waren es noch mehr als eine halbe Million.
"Aber Vorsicht", korrigiert Christoph Petermann: Vor 1995 waren alle zum obligatorischen Schiessen verpflichteten Soldaten automatisch Mitglieder eines Schützenverbands. Die Abschaffung dieser Regel brachte die Belegschaft zum Schmelzen.
Ausserdem schrumpfte die Schweizer Armee aufgrund mehrerer Reformen von 650'000 Personen Ende der 1980er-Jahre auf heute 220'000 merklich. Schliesslich endet der obligatorische Militärdienst – und mit ihm das jährliche obligatorische Schiessen – heute mit 30 Jahren, gegenüber 50 Jahren zuvor.
Platz also der Jugend, die tatsächlich auf die Senkung des Alters der Kurse für junge Schützen reagiert hat. Kurse, in denen man das Sturmgewehr und die echte Munition anfassen kann. 2015, dem letzten Jahr, in dem man dafür 17 Jahre alt sein musste, waren es knapp 6500.
Mit der Ankunft der jüngeren Schützen stieg die Zahl 2016 auf fast 10'000 (davon mehr als 1600 Mädchen) und blieb im folgenden Jahr konstant.
Kurse ab 5 Jahren
Die Altersgrenze 15 für den Besuch eines Kurses für junge Schützen ist in der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst festgelegt. Der SSV seinerseits "empfiehlt", ein Sturmgewehr nicht in die Hände eines Kindes unter 15 Jahren zu geben. Doch die Welt des Schiesssports in der Schweiz besteht nicht nur aus Sturmgewehr und SSV.
Der SSV ist das Kind einer Fusion aus dem Jahr 2002. Vorher gab es andere Vereine, in dem Land, in dem Pistolen- und Gewehrschützen lange getrennt trainierten. Neben dem SSV gibt es andere Schiesssportverbände, wobei diese Zersplitterung auf kantonaler Ebene stattfindet.
So hat der Kanton Freiburg beispielsweise zwei und die Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Land sogar drei Verbände – jeweils mit eigenen Praktiken und Traditionen.
Das Schiesstraining für Kinder wird von Jugend+Sport, einem Sportförderungsprogramm des Bundes für Kinder und Jugendliche, durchgeführt. Kinder sind ab fünf Jahren zugelassen – allerdings nicht mit einem Sturmgewehr. In diesem Alter trainiert man mit Pistole und Luftgewehr, Armbrust oder Bogen.
Schon ab zehn Jahren aber wird es ernst: Die Kinder schiessen mit Kleinwaffen und zwei Jahre später (meist) mit dem berühmten Sturmgewehr. So treffen sich jedes Jahr am zweiten Wochenende im September 4000 Jungen und Mädchen im Alter von 12 bis 16 Jahren in Zürich zum sogenannten Knabenschiessen. Sie messen sich mit der Waffe, die ihnen beim Eintritt in die Armee gehören wird.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Veranstaltungen dieser Art, und natürlich wird immer nach strengen Sicherheitsvorschriften geschossen.
"Ein bisschen Schiessen"
2011 besuchte die Medienplattform des Jura (BNJ) einen Schiessstand im Berner Jura, an dem rund 20 Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahre an einem Schützenlager teilnahmen, das vom Ortsverband organisiert wurde, um neue Mitglieder zu gewinnen.
Die Motivationen der blonden Köpfe im Video – fast alles Töchter und Söhne von Schützen – waren ziemlich simpel: Einer "versuchte es einmal, um zu sehen, wie es ist". Es gefiel ihm. Ein anderer meinte, dass ihm das Schiessen "wirklich wichtig" sei. Der jüngste Teilnehmer gab zu Protokoll, es gefalle ihm einfach, "weil man ein bisschen schiessen kann".
Und ein älterer Kamerad, stellte fest, dass "es ein Sport ist, bei dem man sich nicht bewegt. Wir legen uns hin und bewegen tut sich nur unser Finger am Abzug. Keine Bewegung, nichts, Schiessen ist ein ruhiger Sport."
...aber es ist ein Sport
Daran besteht kein Zweifel. Das Schiessen steht seit den ersten Spielen der Neuzeit 1896 auf dem olympischen Kalender. Seitdem hat die Schweiz 21 Medaillen gewonnen. Sie liegt damit auf Platz 13 einer Weltrangliste, die weitgehend von den USA (111) und der UdSSR, heute Russland, (90) dominiert wird.
Auf der Website von Jugend+Sport kann man lesen, dass das Schiessen "eine faszinierende Sportart ist, die vier Elemente vereint: Statik, Dynamik, Konzentration und Kraft".
Für den SSV zielt die Ausbildung junger Menschen darauf ab, "die Freude am Schiessen zu erhalten, die Vielseitigkeit durch fundierte technische Ausbildung sowie die persönliche Entwicklung zu fördern". Historisch gesehen hat diese Ausbildung aber auch das erklärte Ziel, der Armee bereits im Umgang mit Waffen ausgebildete Rekruten zu stellen.
Symbiose mit der Armee
Die Verbindung zwischen dem Sportschiessen und der Armee ist fast organisch. Es sind die Vereine des SSV, welche die Ausbildung sicherstellen und die von der Armee vorgeschriebenen Pflichtschiessen organisieren. Im Gegenzug werden diese Vereine vom Bund finanziell und materiell unterstützt.
Für 2017 schätzt das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) den Betrag auf über sieben Millionen Franken. Darin enthalten sind Subventionen an Vereine, den SSV und die Bereitstellung von Munition – kostenlos oder zum Selbstkostenpreis: Das ist genug, um fast sechs Millionen Schüsse abzugeben. Betrachtet man nur die Förderung der Jugendarbeit, so sind es 885'000 Franken.
(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)
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