Der in München getötete Schütze stand bereits voriges Jahr im Visier der Behörden. Es ging um mögliches Interesse für Extremismus, Waffen und Sprengstoff. Jetzt treten Ermittler erneut in Aktion.
Nach dem mutmasslichen Anschlagsversuch eines 18-jährigen Österreichers in München wurde sein Wohnort im Salzburger Land durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern. Das teilte ein Salzburger Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mit.
Der bewaffnete Schütze starb in München im Zuge eines Schusswechsels mit der Polizei in der Nähe des israelischen Konsulats in München.
Wohnhaus evakuiert
Der junge Mann mit bosnischen Wurzeln hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe aber sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.
Zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, dass im Vorjahr gegen den Schützen ermittelt worden war. Er sei verdächtigt worden, sich religiös radikalisiert zu haben, und sich für Waffen und Sprengstoff interessiert zu haben. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat auf seinem Mobiltelefon gefunden. Doch die Ermittlungen wurden im vergangenen Jahr eingestellt.
Ermittler gehen von versuchtem Terroranschlag aus
Nach dem Schusswechsel gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des Getöteten aus. Nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten Österreichers von einem "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel" aus, teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit.
Zuvor hatte Bayerns Innenminister
"Die Hintergründe der Tat müssen noch aufgeklärt werden", sagte Herrmann. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass es möglicherweise einen Anschlagsplan auf das Konsulat gegeben habe: "Wenn jemand hier unmittelbar in Sichtweite zum israelischen Generalkonsulat parkt, dann mit dem Gewehr um dieses Generalkonsulat herum geht, da mit dem Schiessen beginnt", sei das "sicherlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zufall".
Laut Bayerns Justizminister Georg Eisenreich werden die Ermittlungen in dem Fall von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführt.
Berichte: Schütze war Behörden in Österreich als mutmasslicher Islamist bekannt
Nach den Ermittlungen im vergangenen Jahr wurde für den Mann aus dem Salzburger Land laut österreichischer Polizei ein Waffenverbot verhängt. Dieses wäre noch bis mindestens Anfang 2028 in Kraft geblieben, hiess es von der Salzburger Polizei.
Der damals noch 17-Jährige war den Behörden nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hiess es. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat auf seinem Mobiltelefon gefunden.
Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, hiess es von der Polizei. Der Grund wurde nicht genannt. "Seither ist der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten", hiess es.
Schusswechsel dauerte nur wenige Minuten
Dabei sei der 18-Jährige gegen 9:12 Uhr getroffen worden, er sei noch am Einsatzort gestorben. Schon nach wenigen Minuten habe der Mann keine Gegenwehr mehr leisten können, sagte der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel. Weitere Verletzte habe es nicht gegeben.
Dennoch waren laut Bayerns Innenminister Herrmann innerhalb kürzester Zeit rund 500 Polizistinnen und Polizisten in der Innenstadt im Einsatz. Darunter waren laut Polizei auch Spezialkräfte und ein Hubschrauber. Ministerpräsident
Söder: Zusammenhang mit Attentat-Jahrestag möglich
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach mit Blick auf den Jahrestag des Olympia-Attentats in München von einem schlimmen Verdacht. "Ein Zusammenhang ist möglicherweise gegeben. Es muss noch geklärt werden", sagte der CSU-Politiker in der Nähe des Tatorts. "München hat heute kurz den Atem angehalten."
Bei dem Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Schüsse als schwerwiegenden Vorfall. Sie wolle aber nicht spekulieren, es gelte abzuwarten, sagte die SPD-Politikerin in Berlin.
Israels Staatspräsident spricht von Terroranschlag
Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem "Terroranschlag heute Morgen in der Nähe des israelischen Konsulats in München" und verurteilte die Tat. Er danke den deutschen Sicherheitsdiensten für ihr schnelles Eingreifen, schrieb Herzog auf der Plattform X nach einem Telefonat mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Gemeinsam sind wir stark im Angesicht des Terrors."
Polizisten hatten gegen 9:00 Uhr in dem Areal in der Nähe des Konsulats und des NS-Dokumentationszentrums den mit einem älteren Karabiner samt Bajonett bewaffneten Mann entdeckt. Er schoss laut Herrmann gezielt auf die Polizisten, die das Feuer erwiderten. Fünf Beamten waren laut einem Polizeisprecher an dem Schusswechsel beteiligt.
Israelitische Kultusgemeinde: Unsicherheitsgefühl wird sich verfestigen
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte: "Das Unsicherheitsgefühl nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft wird sich nach diesem Vorfall noch einmal verfestigen. Der Auftrag für die politisch Verantwortlichen ist deshalb sehr klar: Gewalttätiger Extremismus muss wieder aus dem öffentlichen Raum zurückgedrängt werden, alles andere wäre das Ende unserer offenen Gesellschaft."
Das Generalkonsulat in München sei zum Zeitpunkt des Vorfalls wegen des Gedenkens zum Jahrestag des Olympia-Attentats geschlossen gewesen, schrieb die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher, auf der Plattform X. "Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist. Es ist wichtig, dass die breite Öffentlichkeit ihre Stimme dagegen erhebt." (dpa/bearbeitet von mbo/phs/thp/tas/cgo)
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