Mehr als jeder zweite Rettungshelfer ist in den vergangenen zwölf Monaten Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt geworden. Das zeigt eine Studie der Ruhr-Universität Bochum. Und die Angriffe werden brutaler. Ein Interview mit Siegfried Maier von der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft über ein besorgniserregendes Phänomen.
Jetzt soll ein Kurzfilm der Feuerwehr auf das Problem aufmerksam machen. Im Interview erklärt der Landesvorsitzende der Bayerischen Feuerwehr, welche Situationen besonders gefährlich für die Helfer sind und wie der Film helfen kann, Gewalt zu verhindern.
Angepöbelt, angespuckt, angefahren: Übergriffe auf Einsatzkräfte sind keine Seltenheit. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt: Mehr als jeder zweite Mitarbeiter von Rettungsdienst und Feuerwehr wurde in den vergangenen zwölf Monaten Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt.
Angriffe sind brutaler geworden
Vor allem Notfallsanitäter und Rettungsassistenten (91 Prozent) seien stark betroffen. Feuerwehrleute folgen mit 88 Prozent, Notärzte mit 80 Prozent.
Für die Studie hatten 812 Menschen aus diesem Berufsfeld einen Fragebogen ausgefüllt. Die Studie soll Ende Januar dem nordrhein-westfälischen Innenminister vorgestellt werden.
Das Phänomen ist nicht neu. Die Zahl der Übergriffe sei zuletzt nicht weiter angestiegen, gab Kriminologe Thomas Feltes, Leiter der Studie, gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" an. Allerdings: Die Angriffe seien brutaler geworden.
Wir haben mit Siegfried Maier, dem bayerischen Landesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), über die besorgniserregende Entwicklung gesprochen. Die Gewerkschaft will aufrütteln und hat dazu die Kampagne "Respekt? Ja, bitte!" gestartet und einen Kurzfilm zum Thema ins Netz gestellt.
Herr Maier, woher kommt Ihrer Meinung nach diese Aggression gegenüber Rettungskräften?
Siegfried Maier: Das Problem ist, wir wissen es nicht. Wir können nur mutmassen. Vielleicht verroht die Gesellschaft. Vielleicht muss man da dezidiert untersuchen, ob es konkrete Anlässe gibt.
Wer sind die Menschen, von denen Gewalt gegen Helfer ausgeht?
Das geht durch die ganze Gesellschaft. Natürlich merken wir, dass Menschen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss weit weniger hohe Hemmschwellen haben als andere. Aber Angriffe oder Gewalt gegen Rettungskräfte gehen nicht verstärkt aus einer Alters- oder Bevölkerungsgruppe hervor.
Welche Formen von Gewalt erleben Rettungskräfte und Polizisten konkret?
Unsere Kollegen und Kolleginnen berichten sehr oft davon, dass sie beschimpft oder bespuckt werden, oder dass vor ihnen auf den Boden gespuckt wird. Was wir auch immer wieder mitbekommen, ist, dass sie bei Verkehrssicherungsmassnahmen mit Fahrzeugen absichtlich angefahren werden. An Silvester wurden Einsatzkräfte gezielt mit Böllern und Silvesterraketen attackiert. Das ist besonders gefährlich.
Wie gehen die Betroffenen damit um?
Es ist nicht schön, dass so zu sagen, aber: Man muss das erstmal hinnehmen. Wenn aber jemand Angst um Leib oder Leben hat, sollte er die Einsatzstelle schleunigst verlassen und hinterher versuchen, das Ganze aufzuarbeiten.
Inwiefern kann der Film, den Ihre Gewerkschaft veröffentlicht hat, dazu beitragen, die Situation zu verbessern?
Wir erwarten uns von der Kampagne, dass die Bevölkerung das wahrnimmt, was wir auf den Strassen erleben. Wir hoffen, dass daraus eine Diskussion entsteht – bis in die Politik hinein. Solche Angriffe sollten geahndet werden.
Was kann der Einzelne tun - ausser sich korrekt verhalten natürlich?
Kommunikation kann helfen: Man kann mit Jugendlichen und Erwachsenen darüber sprechen und klar machen, dass solche Attacken kein Spass sind.
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