Der Fall Gina-Lisa Lohfink hat die Debatte über die Änderung des deutschen Sexualstrafrechts neu entfacht. Sollte Lohfink wegen sogenannter Falschverdächtigung verurteilt werden, könnte das "ein fatales Signal für Frauen sein, die Opfer einer Sexualstraftat geworden sind", sagt ihr Anwalt. Die Sprecherin der Berliner Strafgerichte mahnt jedoch zur Vorsicht: Man solle keine voreiligen Schlüsse ziehen und sich erst das ganze Bild anschauen.
Im Sommer 2012 ist ein Video entstanden, das
Lohfink erstattete damals Anzeige wegen Vergewaltigung. Doch das Verfahren gegen die Männer wurde trotz des Videos fallen gelassen. Per Strafbefehl ist laut Lohfinks Anwalt Burkhard Benecken bis heute lediglich einer der beiden mutmasslichen Täter wegen der Verbreitung des Videos zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt worden.
"Gegen den zweiten mutmasslichen Täter läuft das Verfahren wegen der Verbreitung aber noch", erklärt Lisa Jani, Sprecherin der Berliner Strafgerichte, in einem Gespräch mit unserer Redaktion. Es ruhe lediglich momentan, da der zweite Mann nicht offiziell gemeldet ist. Anderslautende Berichte seien schlicht nicht korrekt.
Verteidigung wirft Staatsanwaltschaft Schubladendenken vor
In ihrer Vernehmung zum Vergewaltigungsvorwurf stellte Lohfink vor vier Jahren die Vermutung an, sie sei mit K.-o.-Tropfen betäubt worden. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft ein toxisches Gutachten veranlasst.
"Nur hat das viel zu lange gedauert. In den Ergebnissen konnte demnach nichts nachgewiesen werden. Daraus hat die Staatsanwaltschaft geschlussfolgert, meine Mandantin muss also gelogen haben", sagt Benecken. Für den Rechtsanwalt ein unglaubliches Vorgehen, das seiner Meinung nach aber in das Bild passe, das die Akte widerspiegelt.
Denn darin finde sich laut Benecken ein "Schubladendenken", das Lohfink kategorisch als "nicht tauglich als Vergewaltigungsopfer darstellt". Und zwar aufgrund ihrer öffentlich zur Schau gestellten Freizügigkeit. Dabei zeige das vorgelegte Video "eine klare Ablehnung von Sex" seitens seiner Mandantin.
Bei einer "so eindeutigen Beweislage den Spiess aufgrund der Nicht-Nachweisbarkeit von K.-o.-Tropfen umzudrehen", habe Benecken noch nicht erlebt. Zudem prangert der Rechtsanwalt an, das Gericht sei in dieser Sache voreingenommen: "Das fühlte sich beim Prozessauftakt so an, als würde man als Fussballmannschaft ins Stadion einlaufen und die Anzeigetafel zeigt ein 0:3 – obwohl noch gar nicht angepfiffen wurde."
Lisa Jani hingegen betont, dass der Strafbefehl gegen Lohfink erlassen wurde, weil die Staatsanwaltschaft aufgrund der Aktenlage von einvernehmlichem Sex ausgehe. "Jetzt muss in der Hauptverhandlung geklärt werden, ob der Vorwurf der Falschverdächtigung gegen Frau Lohfink gerechtfertigt ist", so die Sprecherin der Berliner Strafgerichte.
In ihren Augen gebe es keinen Grund, voreilige Schlüsse zu ziehen. Das Gericht prüfe alles sehr gewissenhaft.
Fatale Folgen und gefährliche Behauptungen
Lohfink droht wegen Falschverdächtigung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 400 Euro, insgesamt also 24.000 Euro. Doch für Benecken geht es um mehr als das: "Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wäre das ein fatales Signal. Denn dann könnte sich womöglich keine Frau mehr trauen, Anzeige zu erstatten."
Frauen, die Opfer von Sexualdelikten geworden seien, fiele es ohnehin schon schwer, diesen Weg zu gehen. Die Dunkelziffer bei Sexualdelikten sei laut Benecken ungewöhnlich hoch. Diese Frauen dürften nicht auch noch Angst bekommen, selbst auf der Anklagebank zu landen.
"Es ist gefährlich, die Behauptung aufzustellen, betroffene Frauen könnten sich nicht an die Polizei wenden. So wie es gerade in vielen Medienberichten und von der Verteidigung dargestellt wird. Denn noch ist ja gar nicht alles geprüft. Es fehlen zum Beispiel noch die Aussagen der geladenen Zeugen", betont Jani.
Diese hätten am Prozess-Eröffnungstag am 1. Juni nicht aussagen können, weil die Verhandlung unterbrochen werden musste. Man müsse sich erst das ganze Bild anschauen, um Klarheit zu haben und urteilen zu können, so Jani.
Gina-Lisa äusserte sich ebenfalls gegenüber unserer Redaktion: "Dass ich vom Opfer zur Täterin gemacht werde, ist mir einfach unbegreiflich. Ich will Gerechtigkeit – einen Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens. Ich kämpfe nicht nur für mich, sondern auch für alle Frauen, denen Ähnliches passiert ist. Nein muss nein sein!"
Der Prozess vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten geht am 27. Juni in die nächste Runde. Laut Jani wird das Gericht an diesem Tag auch eine "umfangreichere Version des Videos zu sehen bekommen als die, die im Netz zu sehen war". Lohfinks Anwalt hat unterdessen angekündigt, wenn nötig bis in die letzte Instanz zu gehen, um eine Verurteilung seiner Mandantin abzuwenden.
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