Es ist eine Geschichte, die ihresgleichen sucht: Zehn Monate lang führte die Deutsch-Russin Anna Sorokin unter dem falschen Namen "Anna Delvey" die amerikanische High Society hinters Licht. Nun hat ein New Yorker Gericht die 28-Jährige des Betrugs schuldig gesprochen.

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In einem kurzen, schwarzen Kleid des Modehauses Zara, das lange Haar offen über die Schultern fallend, eine überdimensionale, schwarze Hornbrille der Marke Celine auf der Nase sitzend - so nimmt Anna Sorokin ihren Urteilsspruch entgegen.

Als falsche Millionenerbin "Anna Delvey" erschlich sie sich Leistungen im Wert von mehr als 200.000 Dollar. Ausserdem soll sie versucht haben, mit weiteren Betrügereien Millionenbeträge zu ergaunern. Das genaue Strafmass soll am 9. Mai verkündet werden. Sorokin drohen laut der Zeitung "New York Times" bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Anna Sorokin: "Fake it till you make it"

Im Jahr 2017 lebte Anna Sorokin zehn Monate lang als Betrügerin in New York City, wohnte in Luxushotels, schmiss teure Partys und kaufte sich Designerklamotten - mit Geld, das nicht ihr eigenes war. Ihre Einkäufe tätigte sie per Kreditkarte oder liess Freunde das Geld vorstrecken, zahlte es aber selten zurück. Mit immer neuen Lügen und Ausflüchten, soll sie sich in der New Yorker High Society Geld für Restaurantbesuche, Geschenke und Hotelübernachtungen erschlichen haben. Ganz nach dem Motto "Fake it till you make it" habe sie nebenbei an der Planung zur Eröffnung eines Nachtclubs gearbeitet.

Nach dem Auffliegen der Betrügereien, hatte der Fall international Aufsehen erregt. Die in der Nähe von Moskau geborene Sorokin war im Alter von 16 Jahren nach Deutschland gezogen und in Eschweiler bei Aachen zur Schule gegangen.

Die Geschichte der Betrügerin liest sich wie der Plot eines Films, kein Wunder also, dass sich der Online-Streaming-Dienst Netflix bereits die Rechte an ihrer Story gesichert haben soll. Keine Geringere als Shonda Rhimes ("Grey's Anatomy") soll für Drehbuch und Produktion verantwortlich sein. Wer die Hauptrolle übernimmt, sei aber noch unklar, Sorokin selbst wünsche sich aber eine Verkörperung von Jennifer Lawrence oder Margot Robbie.

Im Allgemeinen scheint Sorokin aus ihrem Prozess möglichst viel Profit schlagen zu wollen.

Der Gerichtssaal als Laufsteg

Ihren Prozess nutzte die 28-Jährige als Plattform für ihre persönliche Modenschau. An jedem Tag erschien sie in einem neuen Outfit im Gerichtssaal. Am Tag ihres Prozessauftaktes etwa trug die Angeklagte ein tief ausgeschnittenes Kleid von MiuMiu (laut Angaben der "New York Post") und ihre Signature-Brille von Celine. In der zweiten Woche der Verhandlungen erschien sie aufgrund ihrer Outfit-Wahl dreimal zu spät. Die junge Frau weigerte sich schlichtweg in der ihr zur Verfügung gestellten Kleidung vor das Gericht zu treten.

Die Idee mit den Designer-Outfits vor Gericht zu erscheinen, entsprang ihrem Verteidiger Todd Sprodek. Er wollte seine Mandantin in Kleidung vor dem Gericht präsentieren, die nicht "Häftling" schrie.

Inzwischen gibt es sogar einen eigenen Instagram-Account, der sich der Kleiderwahl Sorokins vor Gericht gewidmet hat.

Ihr Verteidiger Todd Sprodek hatte von Anfang an eine aggressive Strategie verfolgt. Er hatte argumentiert, dass Sorokin stets das Geld habe zurückzahlen wollen. Zum Ende der Verhandlung am Dienstag hatte Sprodek erklärt, dass Sorokin letztlich nur so vorgegangen sei, wie einst im Lied "New York, New York" besungen. "Sinatra hat in New York einen brandneuen Start hingelegt, genauso wie Miss Sorokin", hatte Sprodek laut "New York Post" gesagt. "Anna musste so tun, als sei sie jemand, bis sie wirklich jemand war." Der Verteidiger setzte bei den Verhandlungen auf Sympathiepunkte für Sorokin: "Ein bisschen Anna steckt in jedem von uns." (dar/dpa)

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