Bedrohliche Abendstunden für die Bewohner Tokios: Ein starker Taifun peitschte mit sintflutartigen Regenfälle über Japans Hauptstadt hinweg. Erstmals gaben die Behörden die höchste Warnstufe aus.
Ein aussergewöhnlich heftiger Taifun hat Tokio und umliegende Regionen mit sintflutartigen Regenfällen überzogen und mindestens zwei Menschen in den Tod gerissen. Dutzende wurden am Samstag in den Sturmböen verletzt, mehrere Menschen galten am Abend (Ortszeit) als vermisst, wie das japanische Fernsehen berichtete.
Wegen der Gefahr durch die Niederschläge, die zu den schlimmsten seit rund 60 Jahren zu werden drohten, hatten die Behörden für Tokio sowie sechs weitere Regionen erstmals die höchste Warnstufe ausgegeben. Am Abend (Ortszeit) wurde die Intensität des Wirbelsturms allerdings von "sehr stark" auf "stark" herabgestuft.
Mehr als drei Millionen Bewohner des Landes wurde geraten, sich vor dem Wirbelsturm "Hagibis" (Philippinisch für "schnell"), der in Japan schlicht Taifun Nummer 19 genannt wird, in Sicherheit zu bringen. In Tokio trat der Tamagawa-Fluss am Abend über die Ufer. Auch andere Flüsse in der Region schwollen bedrohlich an.
Windgeschwindigkeiten bis zu 216 Kilometern pro Stunde
Stellenweise gingen Erdrutsche nieder. Ein Mann in der Provinz Gumma starb, als sein Haus verschüttet wurde. Ein anderer wurde in Tokios Nachbarprovinz Chiba, wo bereits im September ein Taifun gewütet und zu massiven Stromausfällen geführt hatte, von einem umgestürzten Laster getötet.
Die Behörden hatten zuvor gewarnt, dass der Taifun mit Windgeschwindigkeiten bis zu 216 Kilometern pro Stunde Tokio und andere Gebiete im Osten Japans mit den schlimmsten Regenfällen seit jenem Taifun überziehen könnte, der 1958 mehr als 1200 Menschen in der Region das Leben gekostet hatte.
Gemessen daran kamen die Bewohner des Inselreiches diesmal nach erstem Anschein glimpflich davon. Das genaue Ausmass der Schäden war wegen der Dunkelheit jedoch zunächst unklar. Der Taifun zog in der Nacht zum Sonntag nach Norden weiter.
Manche Strassenzüge standen unter Wasser, Dutzende Häuser im Grossraum Tokio wurden teils stark beschädigt. Der Wirbelsturm war am Abend (Ortszeit) bei der Halbinsel Izu nahe Tokio auf Land getroffen. Kurz zuvor wurde der Grossraum Tokio auch noch von einem schweren Erdbeben heimgesucht. Die Gefahr eines Tsunamis bestand allerdings nicht, wie die nationale Meteorologische Behörde bekanntgab. Auch gab es keine Berichte über Verletzte in Folge der Erschütterung der Stärke 5,7.
In Tokio kam es zu Hamsterkäufen
Viele Kaufhäuser und Läden in Tokio und Umgebung blieben am Samstag geschlossen. In manchen Geschäften der Hauptstadt waren Regale wie leergefegt, da sich viele Bewohner vorsichtshalber mit Wasser und Lebensmitteln eindeckten. Strassen und Bahnhöfe waren verwaist. Bahnbetreiber hatten rechtzeitig Einschränkungen des Verkehrs für das Wochenende im Westen und Osten einschliesslich Tokio angekündigt.
Die Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) strich für Samstag sämtliche Inlandsflüge sowie die meisten internationalen Flüge von und zu den beiden Tokioter Flughäfen Haneda und Narita. Auch Japan Airlines (JAL) entschied, die meisten Flüge am Samstag zu streichen.
Die Behörden warnten früh, dass Häuser in den starken Sturmböen einstürzen könnten. Einige Bewohner deckten die Dächer ihrer oft in Leichtbauweise errichteten Häuser daher vorsorglich mit blauen Plastikplanen ab. Manche klebten ihre Fenster ab aus Sorge, dass sie in dem Sturm zerbersten. Andere verbarrikadierten sie mit Brettern.
Rettungseinsätze wurden nach Einbruch der Dunkelheit erschwert. Das örtliche Fernsehen zeigte Szenen aus Tokios Nachbarstadt Kawasaki, wo ein Mann aus einem überfluteten Wohnhaus gerettet wurde. Feuermänner arbeiteten sich dabei bis zur Hüfte im Wasser stehend vor. Auch an anderen Orten mussten Einsatzkräfte Menschen in Sicherheit bringen.
Formel-1-Qualifikation findet erst am Sonntag statt
Hunderttausende waren zwischenzeitlich von der Stromversorgung abgeschnitten. Unternehmen wie die beiden grossen Autobauer Toyota und Honda liessen die Bänder in einigen ihrer Fabriken an dem Tag ruhen. Die Regierung in Tokio wies alle zuständigen Ministerien an, notwendige Massnahmen im Umgang mit den Folgen des Taifuns zu treffen.
Aus Sorge vor den drohenden Auswirkungen des Taifuns findet zudem die Formel-1-Qualifikation zum Grand Prix von Japan erst am Rennsonntag statt. Alle für den Samstag auf dem Suzuka International Racing Course geplanten Aktivitäten wurden abgeblasen. Auch zwei Spiele bei der laufenden Rugby-Weltmeisterschaft in Japan mussten abgesagt werden. Der Wirbelsturm sollte am Sonntag über dem Pazifik abziehen. (dpa)
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