In den Niederlanden kommt der Nikolaus manchmal nur mit Polizeischutz und begleitet von Protesten. Berittene Polizisten müssen den Gabenbringer schützen, mitunter ist der Aufwand grösser als bei einem Risikospiel der Profi-Fussballliga. Es kann sogar sein, dass sich der Regierungschef einschaltet und dazu aufruft, Ruhe zu bewahren. Der grosse Aufreger ist der schwarze Knecht des Heiligen Mannes.
Auch am Samstag gab es wieder Ärger: Am Rande der zentralen Ankunftsfeier in Apeldoorn kam es gar zu Festnahmen. Mehrere Mitglieder des niederländischen Ablegers der islam- und ausländerfeindlichen Protestbewegung Pegida wurden vorübergehend abgeführt.
Wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete, hatten sie sich geweigert, ihre Protestaktion auf einen dafür zugewiesenen Bereich zu beschränken. Der Pegida-Chef hatte sich als "Zwarte Piet" verkleidet, um für die Beibehaltung dieser Tradition zu demonstrieren.
Nikolaus wird in den Niederlanden traditionell viel grösser gefeiert als in Deutschland. Schon mitten im November, drei Wochen vor dem Nikolausabend am 5. Dezember, kommt "Sinterklaas" an, traditionell auf einem Dampfschiff. Seinen festlichen Empfang mit anschliessendem Umzug kann man in vielen Städten miterleben, atmosphärisch bewegt es sich irgendwo zwischen Rosenmontag und St. Martin.
Liebling der Kinder wird zum Kritikpunkt
Es ist nicht Nikolaus selbst, der die Gemüter erhitzt, es ist sein Begleiter, die niederländische Version von Knecht Ruprecht. Anders als dieser ist der "Zwarte Piet" (Schwarze Peter) nicht furchteinflössend, sondern freundlich und lustig, er ist der Liebling der Kinder. Es gibt auch nicht nur einen davon, sondern ein ganzes Gefolge. Soweit, so gut. Das Problem ist ihr Aussehen: Jeder Piet trägt ein Pagenkostüm mit lila Pumphosen, einen Federhut und goldene Ohrringe. Vor allem aber ist er schwarz - schwarz mit roten Lippen. Ein Mohr, hätte man früher gesagt. Über seine Funktion lassen die vielen Nikolaus-Lieder, die jedes Kind auswendig kennt, keinen Zweifel: Er ist seines weissen Herrn "Knecht".
Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert gebe es Kritik an der Figur, sagt der Ethnologe Markus Balkenhol, der das Fest wissenschaftlich untersucht hat. Die Kritik verstärkte sich, als nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr Menschen afrikanischer Herkunft - vor allem aus den Kolonien Surinam und Antillen - in die Niederlande zogen. "Aktuell wird die Gruppe der Kritiker immer breiter und diverser", erläutert Balkenhol der Deutschen Presse-Agentur.
Dazu komme, dass Konzepte wie "Kultur" und "Tradition" an Bedeutung gewonnen hätten. "Die Vorstellung ist die, dass es ein "Volk" gibt mit einer charakteristischen "Kultur", und das Sinterklaas-Fest wird als ein solches Phänomen betrachtet und auf ein Podest gehoben. Dabei wird oft übersehen, dass unterschiedliche Menschen in den Niederlanden unterschiedliche Dinge darin sehen."
Es gehe dabei nicht nur um die Rassismus-Frage, sondern auch um Spannungen zwischen den grossen Metropolen im Westen des Landes und den östlichen Provinzen, die sich oft übergangen fühlen. Manche wollten dem Fest seinen ursprünglich katholischen Charakter zurückgeben, andere wünschen es sich gerade ohne religiöse Bezüge, damit sich alle Kinder gleichermassen angesprochen fühlen können.
Jeder Zweite möchte weiterhin schwarze Peter
Dieses Jahr wird sich nun etwas Wesentliches verändern: Im niederländischen Fernsehen werden erstmals keine "Schwarzen Pieten" mehr auftreten, sondern nur noch "Russflecken-Pieten". Das sind weisse Pieten mit einigen wenigen schwarzen Flecken im Gesicht - Russ aus den Schornsteinen, durch die sie die Geschenke abseilen.
Die schwarz geschminkte Version verschwindet aus den beliebten "Sinterklaas-Nachrichten". Auch bei dem dem live übertragenen "nationalen Einzug", der am Samstag in Apeldoorn stattfand, wurde Sinterklaas von "Russflecken-Pieten" begleitet. Eine Klage gegen das Verschwinden der "Schwarzen Pieten" aus dem Einzug wurde kürzlich von einem Gericht in Arnheim abgewiesen. Die Piet-Kritiker feiern das als grossen Erfolg.
Eine im Dezember 2018 veröffentlichte Umfrage ergab, dass jeder zweite Niederländer dafür ist, dass der "Schwarze Piet" schwarz bleibt. Nur zwei Jahre davor waren das noch 65 Prozent. Für eine Anpassung der Figur sind vor allem gut ausgebildete und eher links eingestellte Niederländer. Aus einer Anfang November veröffentlichen Erhebung der Zeitung "NRC Handelsblad" geht hervor, dass mittlerweile jeder dritte Niederländer in einem Ort wohnt, in dem beim Nikolaus-Einzug "Russflecken-Pieten" mitlaufen. Dennoch ist ein Ende des Streits noch lange nicht in Sicht: Rund 1000 Nikolaus-Umzüge im ganzen Land setzen weiterhin auf traditionelle Pieten - so schwarz wie möglich. © dpa
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