In Vietnam gilt Hundefleisch als Delikatesse. Das ist nicht nur ein grosses Problem bei der Bekämpfung von Tollwut, sondern auch ein grausames Geschäft. Die Welpen werden auf Farmen gemästet und weiterverkauft. Tierschützer versuchen ihr Möglichstes, um die Hölle, die die Tiere erleiden, zu verhindern. Auch vor privaten Haustieren machen die Händler keinen Halt.

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Fast liebevoll streichelt Tran Minh Hau einen hellbraunen Hundewelpen. Es ist das letzte Mal, er wird das Tier nicht wiedersehen. Aber statt zum Schlachthof und in den Kochtopf geht es für den Welpen in ein Tierheim – in der Hoffnung, adoptiert zu werden und doch noch eine Chance auf ein würdiges Leben zu haben.

Hundefleischhandel in Vietnam
Ein Farmbesitzer nimmt Abschied von einem Hund. © dpa / Chris Humphrey

Ein solches Happy End ist im brutalen Hunde- und Katzenfleischhandel Vietnams aber noch die grosse Ausnahme.

Tierschützer der Organisation Humane Society International (HSI) haben Hau überzeugen können, sein Business – eine sogenannte "Welpenmastfarm" – zwei Stunden nördlich der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi aufzugeben. Dafür bekommt er eine finanzielle Förderung, umgerechnet mehr als 7.000 Euro, wie HSI-Expertin Lola Webber sagt. Das ist viel Geld in dem südostasiatischen Land und genug, um sich etwas Neues aufzubauen.

Fünf Millionen Hunde jährlich für den Verzehr

"Das Ernten von Bohnensprossen und Süsskartoffeln wird viel friedlicher sein, als Welpen für die Schlachtung zu mästen", zitierte HSI einen anderen Farmer, der ebenfalls aus dem schaurigen Geschäft aussteigen will. "Und es ist viel besser für meine mentale Gesundheit, da ich weiss, dass ich kein Leid verursache." 35 Hunde können die Aktivisten an diesem Tag auf der Farm von Tran Minh Hau befreien – und auf einer weiteren Farm gleich noch mal so viele.

Nach Schätzungen der Tierschutzorganisation Vier Pfoten werden in Vietnam jährlich mindestens fünf Millionen Hunde und eine Million Katzen für den menschlichen Verzehr geschlachtet. Auch in anderen Ländern wie China und Südkorea blüht das Geschäft.

Die nordvietnamesische Provinz Thai Nguyen, in der Hau lebt, ist ein Hotspot dieses Handels – eines Geschäfts, dessen grausige Details jedem Tierfreund einen Schauer über den Rücken jagen. Denn bevor die Vierbeiner sterben, gehen sie fast immer durch die Hölle.

"Jeder Aspekt des Handels ist mit extremer Grausamkeit verbunden."

Website der Organisation Animal Asia

Oft werden Streuner auf den Strassen mit Giftködern, schmerzhaften Elektroschockern oder Seilen gefangen. Andere werden nach HSI-Angaben in Lastwagen und Bussen aus umliegenden Ländern wie Kambodscha eingeschmuggelt. Aber auch vor Haustieren machen die Händler keinen Halt. Als Reaktion haben wütende Dorfbewohner schon Hundediebe ermordet.

"Geliebte Haustiere werden ihren Familien gestohlen, Hunde geschlagen und in enge Käfige gezwängt, um Hunderte von Kilometern transportiert zu werden, dann setzt man ihnen das Messer an die Kehle oder sticht es ihnen ins Herz, vor den Augen anderer Hunde", beschreibt die Organisation Animal Asia auf ihrer Webseite das Martyrium. "Jeder Aspekt des Handels ist mit extremer Grausamkeit verbunden."

Um Kontrollen zu entgehen, schmuggeln Händler die Tiere unter anderem im Gepäckraum von Reisebussen zum Zielort, heisst es in einem neuen Bericht von "Vier Pfoten". Sie werden dabei so eng zusammengepfercht, dass sie kaum Luft bekommen.

Viele sind am Ende der Reise erstickt, andere an Dehydrierung oder Hitzschlag gestorben. "Was wir bei unserer Untersuchung gesehen haben, ist an Grausamkeit gegenüber Haustieren kaum zu übertreffen", schreiben die Tierschützer.

Hundefleischhandel in Vietnam
Tierschützer versuchen, die verängstigten Hunde zu beruhigen. © dpa / Chris Humphrey

Rund 90 Euro gibt es pro gemästetem Hund

"Puppy fattening farms" (Welpenmastfarmen) sind eine Art Zwischenstation. Hier werden kleine Hunde auf den späteren Verzehr vorbereitet – schliesslich müssen sie ein paar Kilos auf die Waage bringen, um die Gaumen der Endkunden in Restaurants oder an Imbissständen zu erfreuen. Als "thịt chó" wird die Spezialität dort angepriesen, Vietnamesisch für Hundefleisch.

Hundefleischhandel in Vietnam
Auf den Farmen fristen die Hunde ein Dasein in Betonkäfigen. © dpa / Chris Humphrey

Auf den Farmen siechen die Tiere in kleinen Betonzwingern oder Käfigen dahin, während sie mit Reisbrei und Schweinehirn gefüttert werden. Gross und kräftig sollen sie werden, damit am Ende die Kasse klingelt. Bis zu 2,5 Millionen Vietnamesische Dong (rund 90 Euro) kann ein Tier einbringen.

Etwa vier Monate blieben die Hunde durchschnittlich bei Hau. "Ich hatte jedes Mal Mitleid, wenn ich sie dann in den Handel geschickt habe", erzählt der 35-Jährige. "Ich habe ja jeden Tag Zeit mit ihnen verbracht, und mit der Zeit sind wir uns näher gekommen." Früher habe er selbst Hundefleisch gegessen, sagt er, aber er habe mittlerweile damit aufgehört.

Weiteres Problem: Ausbreitung des Tollwutvirus

Neben der Qual der Tiere gibt es noch eine weitere Sorge: Der unkontrollierte Massentransport ungeimpfter Tiere unter stressigen und unhygienischen Bedingungen erhöht das Risiko von Zoonosen. Gehirnproben von Hunden auf Schlachthöfen wurden zuletzt positiv auf das Tollwutvirus getestet.

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Die Regierung befürchtet eine Ausbreitung der Krankheit und erliess vor einigen Monaten eine Richtlinie, in der die lokalen Behörden angewiesen wurden, Tollwutprävention und -kontrolle strikt umzusetzen. HSI-Experte Quang Nguyen sagt: "Der Handel mit Hundefleisch in Vietnam ist nicht nur eine Katastrophe für den Tierschutz, sondern auch unvereinbar mit den Bemühungen zur Ausrottung der Tollwut bei Hunden."

Zusammenarbeit von Tierschützern und Behörden

Die Organisation hat mittlerweile mit mehreren Lokalregierungen Vereinbarungen getroffen, um Unternehmen vom Handel mit Hunde- und Katzenfleisch abzubringen sowie Tollwutimpfungen und Aufklärungskampagnen zu fördern. Ziel ist es, den Konsum in den bisherigen Hochburgen irgendwann komplett zu unterbinden.

Farmer Hau konnten sie bereits überzeugen. "Ich möchte nicht länger im Hundefleischhandel tätig sein", sagte er. "Ich weiss um die Gefahren von Tollwut und anderer Krankheiten – und ich möchte das weder für meine Familie noch für meine Gemeinde." (dpa/mak)

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Teaserbild: © dpa / Chris Humphrey