- Influencerinnen und Influencer zeigen die schönsten Orte der Welt auf ihren Social-Media-Kanälen.
- Nachfolgende Urlaubermassen können jedoch negative Auswirkungen auf Mensch und Natur haben.
- Touristische Orte wirken mit Storytelling und Besucherlenkung entgegen und auch Influencer setzen verstärkt auf alternative Tipps.
Der Infinity-Pool am Königsbach im bayerischen Nationalpark Berchtesgaden hat sich in den letzten Jahren zum weltbekannten Besuchermagneten gewandelt. Galten die Gumpen früher als Geheimtipp, sind sie heute vor allem durch Fotos von Influencerinnen und Influencern eine touristische Attraktion.
Die Besucherzahlen stiegen massiv an, viele Ausflügler hatten für den teils gefährlichen Weg nicht die passende Ausrüstung und 2019 kam es sogar zu tödlichen Unfällen. Die Natur wurde durch den Ansturm gestört, unzählige Trampelpfade entstanden. Ende Juni wurde der Bereich um die Gumpen daher für fünf Jahre gesperrt.
Storytelling statt Instagram-Hotspots
Influencer zeigen in den sozialen Medien oftmals die schönsten Orte der Welt und locken damit viele Urlauber an. "Wir beobachten, dass Instagram vermehrt dazu beiträgt, auch weniger bekannte Ecken Bayerns in den Fokus zu rücken", erklärt Barbara Radomski, Geschäftsführerin der Bayern Tourismus Marketing GmbH, im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Diese können mit der neuen Bekanntheit jedoch weniger gut umgehen, weil ihnen vor Ort teilweise die nötige Infrastruktur fehlt." Und das kann zu negativen Auswirkungen für Mensch und Natur führen.
"Dafür ein Bewusstsein zu schaffen und Rücksichtnahme zu erreichen, ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit", erklärt Radomski. "Denn eine intakte Natur und der Rückhalt der Einheimischen sind die unentbehrliche Grundlage für den Tourismus in Bayern."
In Zusammenarbeit mit Influencern setzt Bayern Tourismus daher auf Storytelling. "Authentische Geschichten gehen weit über die informative Ebene hinaus und geben uns die Möglichkeit einer stärkeren emotionalen Ansprache unserer Zielgruppen", betont Radomski. "Dafür haben wir uns Bayern-Botschafterinnen und -Botschafter gesucht, die begeisternde Geschichten zu erzählen haben."
Vielen Urlaubern gehe es um Begegnungen mit Menschen und das Eintauchen ins bayerische Lebensgefühl. "Indem wir Influencer mit Einheimischen – und das sind unsere Bayern-Botschafter ja – zusammenbringen und diese ihre Geschichten erzählen und ihre Heimat zeigen lassen, transportieren wir genau das", weiss die Tourismus-Expertin. "Indem wir das authentische Lebensgefühl für die Gäste in den Vordergrund stellen, können wir Bayern auch abseits der ausgetretenen Pfade erzählen."
Zudem will die Region ihre Besucher dafür sensibilisieren, sich bereits vor einem Besuch und der Veröffentlichung von Fotos darüber Gedanken zu machen, was ihr Handeln auslösen kann. Dazu hat Bayern Tourismus die Kampagne "Auch auf dich kommt's an – Rücksichtsvoll durch Bayern" und den Online-Guide "Bayern entdecken – rücksichtsvoll" ins Leben gerufen.
Besucherlenkung durch Influencer
Die Schweiz arbeitet ebenfalls vielfach mit Influencern zusammen, um für das Land zu werben. "Wir führen Influencer grundsätzlich nicht oder nicht ausschliesslich an die bekannten Orte, sondern präsentieren ihnen die Vielfalt der Schweiz mit wenig bekannten, aber attraktiven Destinationen und Erlebnissen", betont Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation von Schweiz Tourismus.
"Das ist eine Win-Win-Situation, da die Influencer zu exklusiven Inhalten kommen und sich von ihrer Konkurrenz abheben können." Auf diesem Wege will das Land den Fokus der Gästeaufmerksamkeit und damit auch die Gästeströme gezielt lenken.
Influencer befinden sich oftmals auf einer Gratwanderung. "Einerseits möchten sie ihrer Community ebenfalls die hinlänglich bekannten und beliebten Destinationen zeigen", weiss Berger. Dazu zählen in der Schweiz beispielsweise die Kapellbrücke in Luzern, das Verzascatal und das Matterhorn.
"Andererseits möchten sie ihren Followern aber auch Unbekanntes und Spannendes zeigen, was diese dann inspiriert und die Plattformen der Influencer exklusiv macht." Bei den bekannten Orten kann es dann tatsächlich zu grossem Andrang an Gästen kommen.
Influencer sollten auf Nachhaltigkeit achten
Viele Blogger scheinen auch heute noch nicht zu realisieren, welchen Einfluss ihre Fotos und Texte haben. Andere wiederum haben ihr Verhalten geändert. "Auch von mir gibt es Bilder am Pragser Wildsee, einem der bekanntesten und mittlerweile überlaufendsten Seen in Südtirol“, verrät Christine Neder, die seit mehr als zehn Jahren erfolgreich ihren Reiseblog Lilies Diary betreibt und auf Social-Media-Kanälen aktiv ist.
"Mittlerweile bin ich jedoch auf der Suche nach Alternativen und Geheimtipps. Touristische Destinationen helfen mir dabei, die ruhigeren und abgeschiedenen Orte zu finden. Und ganz klar: Vieles passiert auch spontan vor Ort."
Nachhaltigkeit ist für Neder heute ein wichtiger Aspekt. "Es ist daher überhaupt nicht in Ordnung, die Natur zu zerstören", betont die Bloggerin. Viele Influencer gehen zudem grosse Risiken für ein gutes Foto ein und gefährden damit andere Menschen, wie beispielsweise Bergretter.
"Ich habe den Eindruck, dass viele aus Unwissen handeln, weswegen ich klare Verbotsschilder und wie im Fall am Königssee auch Sperrungen für wichtig und richtig halte."
Die Bloggerin weist auf die Verantwortung von Bloggern und Influencern hin. "Es sollte selbstverständlich sein, in der Provence nicht durch die Lavendelfelder zu trampeln, durch Dünen zu laufen oder in Portugal im Naturpark wild zu campen", findet Neder. "Denn wenn die Besuchermassen nachfolgen, hinterlassen sie grossen Schaden."
Verwendete Quellen:
- Anfrage an Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation von Schweiz Tourismus.
- Anfrage an Barbara Radomski, Geschäftsführerin Bayern Tourismus Marketing.
- Interview Christine Neder, Bloggerin/Influencerin von Lilies Diary
- Nationalpark Berchtesgadener Land. "Gumpen am Königsbach im Nationalpark Berchtesgaden gesperrt“
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