Im Sommer 2014 verschwindet Lars Mittank auf mysteriöse Weise. Nach einem Partyurlaub in Bulgarien verliert sich seine Spur. Bis heute tappen die Ermittler völlig im Dunkeln.

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Das Foto kursiert seit Jahren in den Medien. Es zeigt einen jungen Mann mit strohblondem Haar. Braune Augen mit markanten Brauen, ein freundlicher, fast schon belustigter Blick. Zehn Jahre ist es her, dass Sandra Mittank angefangen hat, die Aufnahme von ihrem Sohn zu verbreiten. In den Zeitungen, im Fernsehen, auf Social Media natürlich. Auf Flugblättern, die sie im bulgarischen Warna verteilt hat. Dort, am Goldstrand, dem "Ballermann des Balkans", verliert sich die Spur von Lars im Sommer 2014.

Die letzten Aufnahmen des damals 28-Jährigen stammen vom 8. Juli 2014 von einer Überwachungskamera am Flughafen Warna. Sie sind beunruhigend, denn sie zeigen, wie der junge Mann in Shorts und gelbem Shirt panisch das Flughafengebäude verlässt. Draussen angekommen, so berichten es Zeugen später, sprintet er über das Gelände, klettert über einen 2,50 Meter hohen Stacheldrahtzaun und verschwindet in einem Feld.

Bis heute keine Spur

Es ist das Letzte, was Angehörige und Freunde von ihm sehen. Der Fall zählt zu den rätselhaftesten Vermisstenfälle in Deutschland, auch deshalb, weil die Ermittler auch nach zehn Jahren noch im Dunkeln tappen. Weder Interpol noch die bulgarischen und deutschen Behörden, noch private Detektive konnten klären, was mit Lars geschah oder wovor er flüchtete.

Lars Mittank wächst in Marne an der Nordsee als Einzelkind auf. Der Mechaniker gilt als sehr zuversichtlich und familiär. Seit der Vater einen Schlaganfall erlitten hat, kommt er jeden Tag nach seiner Schicht nach Hause, um der Mutter zu helfen. Dass er aus freiem Willen abgehauen sein könnte, schliesst Sandra Mittank deswegen aus.

Im Juli 2014 fliegt Lars mit Freunden nach Bulgarien. Eine Woche in der Sonne liegen und ausgelassen feiern, ein Partyurlaub, nur unter Jungs. Alles verläuft normal, bis Lars an einem Abend in ein Gerangel mit Unbekannten gerät. Ein Schlag aufs linke Ohr lässt sein Trommelfell reissen. Eine leichte Verletzung, die normalerweise in wenigen Tagen heilt. Doch für Lars hat der Vorfall schwere Folgen.

Merkwürdige Anrufe vom Hotel aus

Denn ein Arzt rät vom Fliegen ab. Als seine Freunde wenige Tage später abreisen, bleibt Lars zurück. In einer Klinik erhält er das Antibiotikum Cefzil 500, von dem er wahrscheinlich drei Tabletten einnimmt. Die Nacht will er im Hotel Color überbrücken, eine Billigabsteige in einem Armenviertel von Warna.

In der Nacht kontaktiert er immer wieder seine Mutter. Mit dem Hotel stimme etwas nicht, sagt er, und bittet sie, seine Kreditkarte zu sperren, mit der er eingecheckt hat. Gegen 4:00 Uhr morgens verlässt er das Hotel und deutet an, er werde verfolgt. Ein Taxi wird auf ihn aufmerksam und bringt ihn zum Flughafen.

Sandra Wittank rät ihrem Sohn, dort erneut einen Arzt aufzusuchen. In der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" erklärt sie später, ihr Sohn habe geantwortet: "Die lassen mich nicht fliegen und fahren lassen die mich auch nicht." Wen er meint, bleibt unklar, zumal er noch gar nicht beim Arzt war. Sandra Mittank bucht ihrem Sohn ein Flug- und auch ein Busticket. Weil seine Kreditkarte gesperrt ist, bittet Lars sie, ihm Geld über Western Union zu schicken.

Wer war der Unbekannte?

Sandra Mittank sagt, ihr Sohn habe sich ruhig verhalten und ihr verständlich erklärt, wie die Überweisung funktioniert. Doch der Flughafenarzt Dr. Kostow, den Lars aufsucht, berichtet, Lars sei sehr unruhig gewesen. Als ein Mann die Praxis betritt, gerät er in Panik und flieht aus der Praxis. Gepäck und Handy lässt er zurück.

"Wenn ich die Aufnahme sehe, habe ich das Gefühl, dass er sich in Sicherheit bringen wollte", sagt Sandra Mittank später über die letzten Aufnahmen ihres Sohnes. Wurde Lars verfolgt? Wer war der Mann, der die Praxis betrat? Der True-Crime-Podcaster Patrick Temp bespricht den Fall auf seinem YouTube-Kanal "Insolito". Seinen Angaben nach hat Dr. Kostow mehrfach seine Aussage zu dem Unbekannten geändert. Ein Mann, der der Polizei als jener Unbekannte vorgestellt wurde, habe sich an dem Tag nicht in Bulgarien befunden.

Was hat es mit Cefzil 500 auf sich?

Eine andere Theorie dreht sich um das Antibiotikum, das Lars einnahm. In der Nacht fragte er seine Mutter, was es mit Cefzil 500 auf sich habe. Die bulgarischen Ärzte hatten ihm das Medikament verschrieben, um einer bakteriellen Infektion im Mittelohrbereich vorzubeugen. In Deutschland ist der Wirkstoff nicht zugelassen, wohl aber in den USA.

Eine bulgarische Apothekerin erklärte gegenüber dem ZDF, als "sehr seltene Nebenwirkung" könne das Medikament zusammen mit Alkohol oder anderen Medikamenten Psychosen hervorrufen. Das würde auf Wahnvorstellungen hinweisen. Ähnliches vermuteten zwei Fachärzte, die sich nach der ZDF-Sendung bei der Polizei meldeten.

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Sandra Mittank vermutet, dass ihr Sohn möglicherweise anderen Menschen nicht mehr vertraut. "Wir schliessen auch eine sogenannte Amnesie nicht aus, welche erklären würde, warum sich Lars nicht melden kann", schreibt sie auf der Facebook-Seite "Findet Lars Mittank". Dort gehen seit Jahren Hinweise ein von Menschen, die glauben, Lars gesehen zu haben. Unter anderem wollte ihn ein LKW-Fahrer in Ostdeutschland mitgenommen haben, zuletzt glaubten Zeugen, sie hätten Lars an der Düsseldorfer Königsallee gesichtet.

Bislang verliefen alle Hinweise im Sand. Der Polizei zufolge gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Vermisste noch lebt – aber auch nicht, dass er tot ist. Lars wäre heute 38 Jahre alt, Phantom-Zeichnungen auf der Facebook-Seite lassen vermuten, wie er aussehen könnte. Wer ihn gesehen hat, meldet sich bitte bei der Polizei Itzehoe unter der Nummer 04821/6020.

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