Zehn Jahre ist es her, seitdem die spanische Hauptstadt Madrid von einem der blutigsten Terror-Attentate erschüttert wurde, das bisher auf europäischem Boden verübt wurde. Am Morgen des 11. März 2004 rissen zehn nacheinander gezündete Sprengsätze 191 Menschen in den Tod. Seitdem machen tatsächlich verübte oder rechtzeitig verhinderte Attentate immer wieder Schlagzeilen. Wie hoch ist die Terrorgefahr in Europa aktuell?
Dutzende Helfer stehen am Morgen des 11. März 2004 fassungslos vor einem Zugabteil im Madrider Hauptbahnhof. Sie halten Decken nach oben, die die Blicke der Zuschauer von der grausigen Szene abschirmen sollen. Dennoch gelingt einem Fotografen ein Foto, das um die Welt gehen und sich in das Bewusstsein der Menschen einbrennen wird: Mitten in dem Waggon der Linie Vier klafft ein riesiges Loch - Wände und Decken fehlen, von der Wucht der Explosion herausgesprengt und in einem weiten Umkreis verteilt. Bereits beim ersten Blick wird klar: Die ahnungslosen Opfer hatten keine Chance.
Mehr als 1.500 wurden bei dem Anschlag auf Personenzüge in der morgendlichen Rush-Hour verletzt. Minutiös geplant waren von den Terroristen insgesamt zehn Sprengsätze gezündet worden. Das Ziel: Im morgendlichen Berufsverkehr möglichst viel Schaden anrichten und möglichst viele Menschen in den Tod reissen. In Rucksäcken hatten die vorwiegend aus Marokko stammenden Täter einige Stunden zuvor ihre tödliche Fracht in vier Zügen platziert. Dabei war es der Zufall, der ein noch grösseres Blutbad verhindert hatte: Eigentlich hätte einer der Züge im belebten Hauptbahnhof gesprengt werden sollen. Wegen einer Verspätung ereignete sich die Katastrophe einige hundert Meter vor dem Ziel.
Zunächst waren die spanischen Behörden von einem Anschlag der baskischen Separatistenorganisation ETA ausgegangen. Ein Trugschluss: Schon bald sollte sich herausstellen, dass mit dem Anschlag der islamistische Terror an diesem Tag auch Europa erreicht hatte - wie es Sicherheitsexperten schon lange befürchtet hatten. Knapp drei Wochen später sprengten sich einige der mutmasslichen Terroristen bei einer Razzia in einem Vorort von Madrid nach einem Schusswechsel mit der Polizei selbst in die Luft. Nach einem Mammutprozess wurden im Jahr 2007 schliesslich 21 Männer wegen Beteiligung an dem Anschlag verurteilt.
Behörden gehen weiter von grosser Gefahr aus
Der Kampf gegen den Terror in Europa hat seit diesem Tag nichts von seiner Brisanz verloren. Nur drei Jahre später, am 7. Juli 2007, nutzten islamistische Terroristen ein ähnliches Schema für eine Anschlagsserie in London. 56 Menschen kamen bei Anschlägen auf U-Bahn-Züge und einen Doppeldeckerbus ums Leben, über 700 wurden verletzt. In Deutschland wurde im selben Jahr die Sauerland-Gruppe, eine Terrorzelle des "Islamischen Jihad-Union" ausgehoben.
Ein Jahr zuvor war das Attentat der "Kofferbomber von Köln" nur an der Unfähigkeit der Terroristen, die eine nicht explosionsfähige Bombe konstruiert hatten, gescheitert. Der bisher einzige islamistische Anschlag auf deutschem Boden mit Todesopfern ereignete sich am 2. März 2011, als Terroristen am Frankfurter Flughafen zwei amerikanische Soldaten hinterrücks erschossen und zwei weitere verletzten.
Bis heute sehen Experten keinen Grund zur Entwarnung, was die Terrorgefahr in Europa angeht. Ganz im Gegenteil: Dem Bundesinnenministerium zufolge ist Deutschland "seit 2001 von einem Durchgangs- zu einem der Zielländer des internationalen Terrorismus" geworden. Nach wie vor gehen die Sicherheitsbehörden von einer grossen Gefahr durch den Terrorismus aus.
Islamistischer Terror grösste Gefahr
Während die Bedrohung durch politische Gruppierungen in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen hat, stellt der islamistische Terror heute die grösste Gefahr dar. Laut aktuellen Schätzungen des Bundesinnenministeriums gibt es allein in Deutschland derzeit cirka 100 Personen, denen die Sicherheitsbehörden die Planung und Durchführung von Anschlägen zutraut. Viele davon hätten eine Ausbildung in Terrorcamps absolviert und seien äusserst gefährlich, heisst es.
Auch seit dem Tod von Osama bin Laden sind Al Kaida und andere terroristische Netzwerke nach wie vor weltweit aktiv. Besonders die instabile Lage in vielen arabischen Ländern trage weiter zu einer Stärkung des islamistischen Terrors bei, sind sich die meisten Experten einig. Neben Pakistan und Afghanistan haben sich demnach vor allem der Irak und Syrien zu einer Brutstätte des Terrors entwickelt.
Weiterer Terrorakt in Malaysia?
Und je mehr Länder in den unheilvollen Sog der Instabilität gerissen würden, umso grösser werde die Gefahr für Zivilisten in der ganzen Welt, sind sich die meisten Experten einig. Auch im Libanon, dem Jemen, Ägypten und Nigeria ist die Terrorgefahr mittlerweile allgegenwärtig. Dennoch mahnen die europäischen Behörden zur Gelassenheit. Grund zu Panik gebe es nicht, dennoch sei jeder Bürger zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen, so das gemeinsame Credo, das die verschiedenen Bundesinnenminister seit den Anschlägen vom 11. September wiederholen.
Dass das Thema hochbrisant bleibt, zeigt das Verschwinden einer voll besetzten Air-Malaysia-Maschine am 8. März. Obwohl der Verdacht bisher nicht bestätigt wurde, vermuten Beobachter bereits einen weiteren Terroranschlag hinter dem tragischen Unglück. Angesichts dieser Szenarien muss damit gerechnet werden, dass der islamistische Terror auch in Zukunft die Welt mit Schrecken überziehen wird. Und dass Europa wohl im Visier von Attentätern bleiben wird.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.