Wenn ein Süsswarenhersteller in Deutschland mit Schimpf und Schande überzogen wird, weil er für ein vegetarisches Produkt wirbt, dann wirft das zunächst Fragen nach der Dünnhäutigkeit überzeugter Fleischkonsumenten auf. Wenn dann aber klar wird, dass sich der Zorn gegen naschende Muslime richtet, lautet die Frage: Was läuft hier eigentlich falsch?
Diese Frage stellt sich momentan auch das deutsche Süsswarenunternehmen "Katjes".
Katjes hatte am vergangenen Wochenende eine Kampagne gestartet, mit der Naschwaren beworben werden, die auch von Vegetariern problemlos konsumiert werden können, da sie ohne das tierische Produkt Gelatine auskommen.
Katjes geht diesen vegetarischen Weg schon länger.
Katjes-Werbung für Veggie-Süssigkeit
Der interessierte Konsument wird im Rahmen der aktuellen Kampagne in den Sozialen Medien mit dem Hashtag #achtemaldrauf gebeten, beim Einkauf einfach mal die Augen nach den vegetarischen Süssigkeiten offen zu halten.
Um die Kampagne zu bewerben, hatte das Unternehmen am 28. Januar drei Videos auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht.
Das erste Video, gepostet um 13:48 Uhr, lässt ein dunkelblondes Model erklären: "Klar nasche ich - aber nur veggie! Ohne tierische Gelatine. Achte mal drauf!"
Das Video wurde bislang nur vier Mal geteilt und damit immerhin dreimal mehr als das zweite Video von 13:53 Uhr, in dem ein rothaariges Model auf dieselbe Weise für die Veggie-Süssigkeit wirbt.
Das dritte Video erschien um 13:51 Uhr auf der Facebook-Seite von "Katjes" und zeigt ein fröhliches Model mit einem Hidschab, unterlegt mit derselben Veggie-Botschaft.
Eigentlich könnte die Geschichte hier nun enden - normalerweise sollte sie hier enden.
Dass muslimische Mitmenschen mit Hidschab von einigen immer noch nicht als gesellschaftliche Normalität akzeptiert werden können, zeigt bereits die Anzahl an Teilungen des Videos.
Über 2.000 Mal wurde es weitergeleitet, unter kritische Kommentare mischen sich auch populistische Tiraden bis hin zu rassistischen Entgleisungen und stumpfem Hass.
Süsse Islamisierung Deutschlands?
In diesen wird das Video als Beleg für eine fortschreitende Islamisierung Deutschlands gesehen.
Andere unterstellen, dass Katjes damit die Unterdrückung der muslimischen Frauen verharmlosen würde und werfen dabei religiöse Repression und weibliche Selbstbestimmung in einen Topf.
Schliesslich verstehen gerade in westlichen Gesellschaften viele junge und moderne Muslima die Kopftuch-Variante Hidschab schlichtweg als Mode-Accessoire und tragen es freiwillig.
Bestärkt werden sie dabei nicht zuletzt durch das berühmte Top-Model Halima Aden, das auf den grossen Laufstegen der Welt aus dem vermeintlichen Tabu längst einen selbstbewussten Trend geschaffen hat.
Die italienische Edel-Designerin Alberta Ferretti hatte über Halima Adens Hidschab-Walks gegenüber der "Vogue" erklärt, sie sei stolz, dass Aden Teil ihrer Show sei, da sie eine von vielen weiblichen Persönlichkeiten repräsentiere. Ferretti wünscht sich daher "mehr Raum für Vielfalt", denn "kulturelle und geistige Grenzen sollte es in der Welt nicht mehr geben".
So sieht es auch Katjes. Das Unternehmen erklärt: "Die Zielgruppe von Katjes ist vielfältig." Die Kampagne spreche vor allem "junge Frauen an, die Spass am Leben haben und sich dabei bewusster ernähren".
Und dazu zählten in Deutschland als relevante Zielgruppe eben auch junge Muslima, "bei denen der Verzicht auf tierische Gelatine eine bedeutende Rolle spielt".
Mit dieser sachlichen Begründung sollte das "Thema" eigentlich nun endgültig kein Thema mehr sein.
Bitter genug, dass nun auch Süsses für die Geschmacklosigkeiten rechtspopulistischer Internet-Hetzer herhalten muss.
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