Deutschland holt seine Bürger aus Wuhan in die Heimat. Für sie steht eine Quarantäne-Station bereit. Indes hat sich in Bayern ein weiterer Mensch mit Corona infiziert. Es ist der siebte Fall hierzulande.

Mehr Panoramathemen finden Sie hier

Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen mit dem neuen Coronavirus in Deutschland ist auf sieben gestiegen. Erstmals hat sich auch ein Kind hierzulande mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt. Vater ist ein infizierter Mann aus dem Landkreis Traunstein. Wie das bayerische Gesundheitsministerium am Freitagabend in München mitteilte, wurde zudem bei einem Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck die Lungenkrankheit bestätigt. Er arbeitet wie die ersten fünf Infizierten in Deutschland beim Autozulieferer Webasto. Auch Deutschland holt wie bereits die USA, Frankreich und Japan seine Bürger nun aus der von der neuen Lungenkrankheit schwer betroffenen Stadt Wuhan heraus. Am Freitagmittag startete eine Maschine der Luftwaffe vom Flughafen Köln-Wahn Richtung China.

Die Rückkehrer sollten am Samstagmittag in Frankfurt landen und dann für etwa 14 Tage in die Südpfalz-Kaserne am Rande von Germersheim in Quarantäne gebracht werden. Mit dem Rückholflug sollten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur etwa 130 Menschen - rund 90 deutsche Staatsbürger und etwa 40 Angehörige mit anderer Staatsangehörigkeit - ausgeflogen werden. Die Teilnahme an dem Flug ist freiwillig. Es gebe unter den Passagieren keine Verdachtsfälle, betonte Aussenminister Heiko Maas (SPD). Auch das US-Gesundheitsministerium ordnete an, dass die 195 diese Woche aus Wuhan per Flugzeug in die USA gebrachten US-Staatsbürger für 14 Tage in Quarantäne müssen. Sie sollen auf der Luftwaffenbasis in Kalifornien bleiben, auf der sie mit dem Flieger angekommen waren.

Die Menschen in Germersheim reagierten weitgehend gelassen auf die Nachricht, dass die Heimkehrer in ihrer Stadt isoliert werden sollen. "Wir haben die Franzosen überlebt, wir haben die Hippies überstanden - da wird uns doch ein Virus aus China nicht gleich umbringen", sagte ein 72-Jähriger und spielte mit den Hippies auf die bis zu 100.000 Besucher eines legendären Rockfestivals 1972 in der südpfälzischen Kommune an. Die Kaserne sei für eine Quarantäne gut geeignet, sagte Landrat Fritz Brechtel. "Es ist ein abgegrenztes Gelände. Für die Menschen stehen in einem grossen Gebäude Einzelzimmer mit Nasszellen bereit." Er habe den Eindruck, dass bestmögliche Vorbereitungen getroffen worden seien.

Vermutlich die ganze Familie infiziert

Angespannter ist die Situation am Webasto-Standort in Stockdorf (Landkreis Starnberg), wo am Montag der erste Fall der Lungenkrankheit bei einem Mitarbeiter festgestellt wurde und inzwischen fünf weitere Kollegen infiziert sind. Zusammen mit dem Kind, das im Landkreis Traunstein wohnt, gibt es nun sieben registrierte Fälle in Deutschland, alle im Zusammenhang mit der Firma Webasto in Stockdorf.

Mit dem Kind ist zum ersten Mal in der Bundesrepublik ein Familienmitglied eines Infizierten erkrankt. Vater und Kind befinden sich nach Angaben der Behörden in einem Krankenhaus in Trostberg. Die Ärzte gehen davon aus, dass die ganze Familie infiziert ist - sie wurde auf eigenen Wunsch zusammen untergebracht. Die anderen Mitglieder müssten aber noch nachgetestet werden. Der Mann habe drei Kinder im Alter zwischen einem halben Jahr und fünf Jahren.

Angesteckt bei einer chinesischen Kollegin

Bei Webasto war vergangene Woche eine infizierte Kollegin aus China zu Gast, die ihre Erkrankung erst auf dem Rückflug bemerkt hatte. Das Unternehmen hatte vor Bekanntwerden des siebten deutschen Falles mitgeteilt, dass inzwischen zwei chinesische Mitarbeiter infiziert seien: Neben der bekannten Chinesin auch ein weiterer Chinese, der ebenfalls in Deutschland gewesen sei. Alle infizierten deutschen und chinesischen Mitarbeiter seien gemeinsam in verschiedenen längeren Meetings am Firmensitz der Zentrale in Stockdorf gewesen, hiess es in einer Mitteilung, die den siebten deutschen Fall noch nicht einbezieht. Der infizierte Mann aus China sei in einer Klinik in Shanghai. Webasto hat mehrere Standorte in China.

Der Firmensitz in Gauting-Stockdorf bleibe bis einschliesslich Montag geschlossen, teilte das Unternehmen weiter mit. Ursprünglich sollte die Arbeit an diesem Tag wieder aufgenommen werden. Die Angst vor dem Virus führt offenbar zur Ausgrenzung von Webasto-Mitarbeitern und deren Angehörigen. "Uns erreichen vermehrt Meldungen von Mitarbeitern, die nicht zur Risikogruppe gehören, dass sie und ihre Familien von Institutionen, Firmen oder Geschäften abgewiesen werden, wenn bekannt wird, dass sie bei Webasto arbeiten", sagte der Vorstandsvorsitzende Holger Engelmann. In einem Fall habe es einer Sprecherin zufolge eine Autowerkstatt mit Verweis auf das Virus abgelehnt, das Auto eines Mitarbeiters zu reparieren.

213 Tote bislang in China

Die Zahl der in China bestätigten Fälle war am Freitag offiziell auf 9692 gestiegen, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg um 42 auf 213. Ausserhalb Chinas wurde das Virus bisher bei mehr als 120 Menschen in über 20 Ländern nachgewiesen, Russland und Grossbritannien meldeten am Freitag je zwei Fälle. In Afrika gab es bisher keinen einzigen bestätigten Fall. Aufgrund der rasanten Ausbreitung hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Donnerstagabend eine "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite" ausgerufen.

Italien stoppte nach eigenen Angaben als erster EU-Staat alle Flüge von und nach China. Airlines einiger Länder, darunter die Lufthansa, haben ihre China-Flüge bereits eingestellt. Noch in den ersten elf Monaten 2019 flogen etwa 1,5 Millionen Passagiere aus China nach Deutschland, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Erfasst wurden dabei ausschliesslich Direktflüge. Die meisten Passagiere aus China landeten demnach 2018 in Frankfurt (1 019 000 Reisende), gefolgt von München (449 000) und Berlin-Tegel (50 000). Direktflüge nach Deutschland aus Wuhan fanden nicht statt.

Millionen-Budgets für Impfstoff-Forschung

International wird derweil an verschiedenen Stellen an der Entwicklung eines Impfstoffs gearbeitet. Die Tübinger Biotechfirma CureVac bekam am Freitag von der internationalen Impfstoffinitiative CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations) eine Zusage über eine Förderung in Höhe von 8,3 Millionen US-Dollar (rund 7,5 Millionen Euro). Die Impfstoff-Allianz, an der auch Deutschland beteiligt ist, unterstützt weltweit mehrere ähnliche Initiativen. Auch am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) arbeiten Forscher an einem Impfstoff. Es dauere mindestens ein Jahr, bis klar sei, ob er wirke und sicher sei, schätzte Stephan Becker vom DZIF. (best/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.