In einem spektakulären Fall hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main jüngst das Foto eines missbrauchten Mädchens veröffentlicht, um den Täter zu fassen. Im Interview erklärt der zuständige Oberstaatsanwalt, wie es zu dieser drastischen Massnahme kam. Und wie die Ermittler arbeiten, um Täter aufzuspüren.
Der Fall schockierte. Ein vierjähriges Mädchen soll vom Lebensgefährten der Mutter sexuell missbraucht worden sein. Die Staatsanwaltschaft machte letztlich Fotos des Kindes publik, um in einer aufsehenerregenden Fahndung dem mutmasslichen Täter auf die Spur zu kommen.
Schwieriger Kampf gegen Kinderpornografie
Ist das üblich? Was bereitet den Ermittlern Schwierigkeiten im Kampf gegen die Kinderpornografie? Und kommen mutmassliche Täter oft aus dem familiären Umfeld? Unsere Redaktion sprach mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT), Georg Ungefuk.
Herr Ungefuk, der Fall des sexuell missbrauchten vierjährigen Mädchens hat für Aufsehen gesorgt. Wer arbeitet wie zusammen, um Kinderpornografie aufzudecken?
Georg Ungefuk: Wir haben im Ermittlungsverfahren gegen Kinderpornografie die Entscheidungsbefugnis. Die eigentliche Ermittlungsarbeit übernimmt aber die Polizei. Das heisst, Zeugen zu befragen oder zum Beispiel Anfragen bei Dienstleistern und Providern zu stellen. Unser erster Ansprechpartner ist dabei immer das Bundeskriminalamt.
Wie verläuft eine Recherche im Darknet, sprich, wie kommen Ermittler an ihre Informationen?
Das Bundeskriminalamt ist die nationale Dienststelle im Rahmen von Europol und Interpol. In diesem konkreten Fall hatten wir einen Hinweis aus dem Ausland zu einer neuen kinderpornografischen Serie, die im Darknet aufgetaucht ist - und die mutmasslich in Deutschland produziert worden war. Das BKA teilt uns solche Verdachtsfälle mit, dann beginnen die Ermittlungen.
Wie muss man sich die Ermittlungen vorstellen?
Zum Beispiel werden Videodateien technisch untersucht, optisch visuell überprüft. Bilddateien werden gesammelt. Und wir schauen, ob wir über irgendwelche Kontaktspuren im Darknet weiterkommen. Details darf ich Ihnen aber nicht nennen.
Stellt ein Ermittler im Darknet auch mal eine Anfrage?
Das sind Ermittlungsgeheimnisse. Aber: In Einzelfälle prüfen wir natürlich, ob wir über Kommunikationswege im Darknet weiterkommen.
Wie sieht die Ermittlungsarbeit ferner aus? Kommt es zu Hausdurchsuchungen und Observierungen?
Es sind klassische Polizeiermittlungen. Entscheidend ist, dass, ausgehend von Verdächtigungen, Beweise gesammelt werden. Genannte Massnahmen werden, je nach Einzelfall, in Betracht gezogen.
Bei der aufsehenerregenden Fahndung zum Täter des missbrauchten Mädchens haben Sie Fotos der Vierjährigen öffentlich gemacht.
Das war keine übliche Massnahme. Sie war das letzte Mittel, das uns zur Verfügung stand, um das Opfer und den Tatverdächtigen zu identifizieren. Eine Öffentlichkeitsfahndung mit Opferbildern kommt nur dann in Betracht, wenn sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Bei einer solchen Entscheidung muss man gründlich abwägen. In dem konkreten Fall ging es um die Aufklärung von schweren Straftaten und darum, einen möglichen künftigen schweren sexuellen Missbrauch zu verhindern.
Arbeiten Sie in Teams?
Bei der Staatsanwaltschaft hat jeder Kollege seinen Darknet-Fall und/oder seinen Kinderpornografie-Fall.
Die Belastung muss beim Sichten kinderpornografischer Inhalte enorm sein. Gibt es eine psychologische Betreuung?
Wir müssen professionell damit umgehen. Aber es gibt bei der hessischen Justiz auch die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung. Es hängt von jedem Einzelnen ab. Ob es Kollegen gibt, die das in Anspruch nehmen, kann und darf ich Ihnen nicht sagen.
Zu den Tätern: Reden wir von kriminellen Gruppierungen oder Einzeltätern?
Die Fälle, hinter denen kommerzielle Absichten stehen, sind sehr selten. Im Regelfall steht eine pädophile Neigung dahinter, sprich, eine Störung der Sexualpräferenz, die dazu führt, dass die Täter die strafrechtliche Schwelle überschreiten, wenn sie zum Beispiel im Darknet Kinderpornografie tauschen. Der Worst Case ist schliesslich immer der reale Missbrauch von Kindern.
Die Täter lassen sich nicht eingrenzen?
Frauen sind sehr selten darunter. Wenn, dann sind es in der Regel Frauen, die unter dem Einfluss eines männlichen Haupttäters stehen. Ansonsten kommen die Täter aus allen Kreisen der Gesellschaft, vom Handwerker, über den Studenten bis hin zum Arzt.
Im Fall der missbrauchten Vierjährigen kam der Täter aus dem unmittelbaren familiären Umfeld.
Sexueller Missbrauch von Kindern sind oft Taten aus dem Nahbereich der Kinder, in der Familie oder aus dem Bekanntenkreis. Dass Kinder von unbekannten Dritten angegriffen werden, ist selten.
Ist Kinderpornografie also verbreiteter, als es die Gesellschaft wahrnimmt?
Kinderpornografie hat ein grosses Dunkelfeld. Es ist schwieriger geworden, Kinderpornografie zu verfolgen, weil die Möglichkeiten der Anonymisierung durch das Internet viel grösser sind. Die Ermittlungen werden entsprechend komplexer und aufwendiger, was die Aufklärungsquote beeinflusst. Wir rechnen in diesem Jahr mit einem massiven Anstieg an Fällen, rund zweitausend bis dreitausend, weil wir sehr viele Hinweise aus dem Ausland bekommen. Man darf dabei nicht vergessen, dass viele bundesweite Fälle bei uns landen. Ein Beispiel: Wenn wir über den Datenträger eines Beschuldigten hundert oder tausend weitere mutmassliche Täter feststellen, werden die einzelnen Verfahren in den betreffenden Bundesländern geführt. Die Justiz Hessen nimmt das Thema jedenfalls sehr ernst. Die ZIT hat sechs Staatsanwälte. 2018 sollen, wenn alles nach Plan läuft, elf Staatsanwälte hier arbeiten.
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