• Die Krimtataren blicken auf eine leidvolle Geschichte zurück. Mehrfach wurden sie von der Krim vertrieben. Sie standen immer stärker zur Ukraine als zu Russland.
  • Durch die russische Annexion der Krim 2014 und den Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 hat sich ihre Lage noch weiter verschlechtert.

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Vor vielen Jahrhunderten lag auf der Krim das Zentrum eines mächtigen Reiches. 1444 gründete Haci Giray dort ein sogenanntes Khanat - eine Abspaltung des zerfallenen mongolischen Riesenreiches der "Goldenen Horde".

Es erstreckte sich über Teile Südrusslands und über viele Bereiche der heutigen Ukraine. Zu jener Zeit stand das Krimkhanat unter dem Schutz des osmanischen Reiches, dem Staatsgebilde, aus dem die heutige Türkei hervorging.

Die Krimtataren unterstützten ihre Nachbarn teilweise bei deren Unabhängigkeitsbestrebungen. Gleichzeitig waren sie gefürchtet - denn ein wesentlicher Wirtschaftszweig der Krimtataren bestand zu dieser Zeit im Sklavenhandel. Sie überfielen ihre Nachbarn und entführten Teile der Bevölkerungen, die sie dann auf die Krim mitnahmen und dort verkauften.

Erste Annexion durch die russische Zarin Katharina die Grosse

1771 eroberte Russland die Krim, versprach der Bevölkerung aber weiterhin ihre Unabhängigkeit. 1783 entschied sich die russische Zarin Katharina die Grosse letztlich zur Annexion. Infolgedessen wurden viele Krimtataren vertrieben - sie siedelten sich in Bulgarien und Rumänien an. Auf der Schwarzmeerhalbinsel waren sie damit in der Minderheit und das Staatsgebiet hiess von nun an "Gouvernement Taurien".

Im Krimkrieg von 1856 kämpften die Tataren an der Seite der Osmanen gegen die Russen. In diesem Zusammenhang verliessen weitere 100.000 Krimtataren mit dem osmanischen Heer die Halbinsel. Dadurch entstand in Russland das Bild von den Krimtataren als einer Gruppe, die mit dem Feind, in diesem Fall dem Osmanischen Reich, zusammenarbeitete.

Nach dem Sturz des Zaren in Russland 1917 versuchten die Krimtataren erneut, einen eigenen Staat zu gründen. Das Osmanische Reich und das Deutsche Reich unterstützten sie dabei. 1921 jedoch wurde auf der Krim eine eigene Sowjetrepublik gegründet. Nachdem vorübergehend eigene kulturelle Güter zugelassen waren, wurden sie in der Zeit des stalinistischen Terrors wieder verboten.

Durch einen erzwungenen Getreideexport in die Sowjetunion starben in diesen Jahren auf der Krim 15 Prozent der dort lebenden Menschen. 1936 bestand die Bevölkerung der Krim laut Bundeszentrale für politische Bildung zu 43,5 Prozent aus Russen und zu 23,1 Prozent aus Krimtataren.

Deportation der Krimtataren nach Zentralasien

Im Zweiten Weltkrieg besetzten dann die Nazis die Halbinsel. Da sich die Krimtataren von den Russen unterdrückt fühlten, wurden die Deutschen zunächst teilweise wohlwollend empfangen, es kam zur Kollaboration mit der Wehrmacht.

Nach der Rückeroberung der Krim rächte sich die Rote Armee dafür. Vom 18. bis 20. Mai 1945 wurde die krimtatarische Bevölkerung, und damit 238.500 Menschen, unter anderem nach Zentralasien deportiert. Auf den Transporten starben Schätzungen zufolge 22 bis 46 Prozent dieser Menschen. In der Volkszählung der Sowjetunion tauchte der Begriff "Krimtataren" von diesem Zeitpunkt an nicht mehr auf. Die Sprache wurde zu einem Dialekt herabgestuft und Kulturdenkmäler auf der Halbinsel zerstört.

Am 26. April 1957 wurde die Krim in die ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert. 1967 erreichten die verbliebenen Krimtataren, dass sie von der sowjetischen Führung vom kollektiven Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis freigesprochen wurden. Auf die Krim zurückkehren durften sie aber nicht. Etwa 70 Prozent der damaligen Krimtataren lebten zu der Zeit in Usbekistan und unter den politischen Häftlingen innerhalb der Sowjetunion blieben sie überproportional vertreten.

Kurze Blüte des politischen Selbstbewusstseins

Seit den 80er Jahren sind 266.000 Krimtataren auf die Halbinsel zurückgekehrt. Sie durften sich zunächst jedoch nicht in ihren ursprünglichen Gebieten niederlassen. Sie kämpften erfolgreich dafür, dass Krimtatarisch zur dritten Sprache auf der Krim erklärt wurde. In den 90er Jahren standen die Krimtataren häufig an der Seite der Zentralregierung in Kiew und positionierten sich gegen die Regionalregierung auf der Krim, die sich nah an Russland orientierte.

Nachdem sich die Ukraine 1991 für unabhängig erklärt hatte, verhinderte Kiew jedoch, dass die Krimtataren das auf der Krim ebenfalls tun würden. Die Schwarzmeerhalbinsel wurde 1992 als Autonome Republik innerhalb des ukrainischen Staates etabliert. Die krimtatarische Minderheit erhielt ihre eigene Nationalversammlung (Kurultai) und einen Rat (Medschlis).

Erneute Annexion der Krim durch Russland 2014

Bei der Annexion der Krim durch Russland 2014 rief der Medschlis dazu auf, das Referendum über die Angliederung der Krim an Russland nicht zu unterstützen. Am 9. April 2014 verboten die Behörden der Krim Mustafa Dschemilews, einer der wichtigsten Vertreter der Krimtataren, für fünf Jahre die Einreise auf die Krim. Auch der Vorsitzende des Medschlis, Refat Tschubarow, erhielt ein fünfjähriges Einreiseverbot. 2016 verbot das Oberste Gericht der Krim den Medschlis und stufte ihn als "extremistische Organisation" ein.

Viele Krimtataren, die nicht mehr auf der Schwarzmeerhalbinsel ansässig sind, leben aktuell in der Türkei, kleinere Gruppen leben zudem in Usbekistan, Rumänien und Bulgarien. Aktuell sprechen etwa noch 500.000 Menschen krimtatarisch (Stand: August 2022). Die Hälfte dieser Menschen lebt auf der Krim. Die Sprache wird dort derzeit nur als Wahlfach in weiterführenden Schulen angeboten. So haben aktuell nur 3 Prozent der Schüler einen Zugang zu ihr. Nach dem Verbot der krimtatarischen Organisationen durch Russland, gründeten die prorussischen Akteure auf der Krim eigene Institutionen, die jedoch bei den Krimtataren kaum Akzeptanz finden.

Russland verwendet für die Bewohner der Krim den Sammelbegriff "Krimvolk". Damit will es verhindern, dass sich die Menschen an ihren eigenen unterschiedlichen kulturellen Identitäten orientieren. Noch am 28. Februar 2022 verurteilte der Medschlis den Angriff Russlands auf die Ukraine. Mittlerweile steht auch die Stadt Henitschesk auf dem ukrainischen Festland nördlich der Krim, in der die krimtatarische Vertretung Medschlis ihr Exil gesucht hatte, unter russischer Besatzung.

Verwendete Quellen:

  • bpb.de: Analyse: Die Krimtataren in der Ukraine-Krise (Uwe Halbach)
  • ukraineverstehen.de: Krim­ta­ta­ren: Besetzte Heimat (Aliem Aliev)
Darya Dugina

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