Die Stadt macht vor allem die Ballung von Sozialem aus: Was aber, wenn viele soziale Aktivitäten als langfristig riskant gelten - wie zum Beispiel in der Corona-Zeit? Wir zeigen, wie Metropolen sich deshalb gerade verändern und sich kreativ neu erfinden.

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Die Corona-Epidemie scheint vor allem eine Krise der Stadt: Ihre hohe Dichte an Menschen gilt als gefährdend, Metropolen wie Berlin, Paris, New York oder Madrid zeigen das. Viele Massnahmen wie Ausgangssperren, Schliessungen und Beschränkungen von öffentlichen Plätzen betrafen und betreffen vor allem sie.

Zudem fegt die dauerhafte Umstellung auf Homeoffice bei vielen grossen Konzernen und mittelständischen Unternehmen die Städte unter der Woche leer.

Viele Dinge, die das tägliche Leben dort so attraktiv machten, sind wenn überhaupt nur noch eingeschränkt möglich: ausgiebiges Shopping, Kino- und Theaterbesuche, Fitnessstudio, zum Lunch ohne Reservierung in die Pizzeria um die Ecke, nach der Arbeit mit den Kollegen einfach ein Feierabendbier trinken.

Was machen diese Veränderungen unseres Alltags mit uns? Wir haben uns die Auswirkungen auf das Stadtleben genauer angeschaut.

Stadtflucht: Wer kann, zieht weg

Das Leben in der Stadt ist teuer: Ständig steigende Mieten führen zu immer kleineren Wohnungen, die man sich leisten kann. Nehmen wir das Beispiel München: Hier zahlt man mittlerweile durchschnittlich 17,51 für einen Quadratmeter Wohnfläche. Wenn dann plötzlich und langfristig das Büro nach Hause verlagert wird, wird es eng.

Nicht jeder hat Platz zu Hause zu lernen und zu arbeiten, doch ein zusätzliches Zimmer kostet bei den ohnehin schon teuren Mieten zu viel. In München müsste man für eine hypothetisch angenommene Zimmergrösse von 12 Quadratmetern 210 Euro kalt mehr ausgeben.

Die Folge: Viele Städter ziehen die Notbremse und in die Vororte der Metropolen oder gleich direkt aufs Land. Denn Homeoffice funktioniert ortsunabhängig - allein eine gute Internetverbindung ist eine notwendige Voraussetzung. Diese wird auch im ländlichen Raum immer mehr ausgebaut, auch wenn es hier ein Gefälle zwischen Stadt und Land gibt.

Während in den Metropolen fast alle Haushalte auf mindestens eine 30-MBit-Leitung zugreifen könnten, sind es auf dem Land nur rund 75 Prozent. Diese Leistung leidet zudem, um so mehr Videostreaming und Videokonferenzen aus dem Homeoffice getätigt werden. Dies scheint aber langfristig nicht das Arbeiten von Zuhause zu beeinträchtigen.

Leere Büros fördern Co-Working-Spaces

Viele Unternehmen reagieren auf die Abstandsregelungen in Grossraumbüros mit dauerhaften Remote-Arbeitskonzepten. Beispielsweise sollen mehr als die Hälfte der Mitarbeiter beim Siemens-Konzern, immerhin rund 140.000, mit grossen Sitzen in Berlin und München, künftig mehrere Tage im Homeoffice arbeiten dürfen.

Was aber passiert, wenn man plötzlich nicht mehr täglich zur Arbeit fahren muss? In Deutschland pendelten zumindest bis vor Corona rund 13 Millionen Menschen täglich, also 39 Prozent aller Arbeitnehmer, davon über Dreiviertel am Tag eine Stunde. Und jetzt? Ist das einfach für viele vorbei. Viele Arbeitnehmer erleben damit eine Steigerung ihrer Lebensqualität und mehr Qualitätszeit.
Für die Stadt selbst sind allerdings oft leerstehende riesige Bürogebäude die Folge. Kein Wunder, dass Unternehmen darüber nachdenken, ganze Etagen oder sogar das ganze Firmengebäude fremdzuvermieten und stattdessen nur noch Co-Working-Spaces zur Verfügung zu stellen, wenn sich Mitarbeiter persönlich treffen möchten.

Das spart gerade bei zentral gelegenen Immobilien enorm Geld und scheint eine gute Möglichkeit zu sein, in Krisenzeiten die Finanzen im Zaum zu halten. Möglicherweise werden langfristig sogar viele Büroflächen zu Wohnungen umgebaut, was die Mietpreise in den Innenstädten aufgrund von gestiegenem Angebot entspannen könnte.

Die Menschen drängen nach draussen, egal wohin

Andere Menschen treffen, ist derzeit fast nur draussen möglich. Die Städte versuchen dies zu regulieren und zu verhindern, dass sich grössere Gruppen ohne Distanz zueinander versammeln. Die Schliessung von dafür genutzten öffentlichen Plätzen führt jedoch dazu, dass man sich an anderen Orten in der Nähe versammelt. Die Ordnungsämter sind deshalb rund um die Uhr unterwegs.

Um diesem Drang der Bewohner stattzugeben, reagieren viele Metropolen mit kreativen Konzepten. Jüngstes Beispiel ist der Pop-up-Biergarten in Köln: Hier wird übers Wochenende eine ganze Strasse gesperrt, um diese zu einem Biergarten für rund 500 Personen umzufunktionieren.

Ähnliches lässt sich auch in anderen Städten beobachten: Menschen nutzen mehr denn je die öffentlichen Räume für Sport und verwandeln Strassen und Parks in ihre Wohnzimmer mit Stühlen, Sesseln und Tischen. In Berlin sperrte man sogar 30 Strassenabschnitte, damit Kinder Raum zum Spielen erhalten.

Die Gastronomen werden erfinderischer

Viele Restaurants macht die Not ebenfalls erfinderisch. Eine Reihe von Einrichtungen bieten mittlerweile nicht nur ein ständiges Angebot an To-go-Speisen und -Getränken. Sie nutzen auch die Parkplatzflächen vor der Tür und die Grünflächen in der Mitte von Alleen, um den fehlenden Umsatz aufgrund der Distanzregeln mit mehr Tischen zu kompensieren.

Es gilt: Wer kreativ ist und sich von anderen unterscheidet, kommt besser mit den Herausforderungen dieser Krise zurecht. Wie die Gastronomen mit der Situation im kommenden Herbst und Winter umgehen werden, bleibt allerdings abzuwarten.

Städte werden ruhiger und damit erholsamer

In vielen Städten ist es durch den reduzierten Pendelverkehr und die geringere Anzahl an Geschäftseisenden und Touristen ruhiger geworden. Bewohner entdecken ihre Umgebung neu, weil es leiser ist, plötzlich die Tiere besser zu hören sind und die Luft sauberer ist.

In den vergangenen Monaten waren vielerorts deutlich weniger Autos unterwegs, dafür viel mehr Menschen auf Fahrrädern und zu Fuss. In Brüssel wurden sogar im "inneren Ring" die Strassen für Fussgänger freigegeben. Plötzlich sind viele deutsche Metropolen quasi über Nacht zu Fahrradstädten geworden. Davon profitieren vor allem lokale Fahrradhändler, die einen aussergewöhnlichen Ansturm erleben.

Die lokalen Geschäfte müssen sich neu erfinden

Die Geschäfte vor Ort sind bis auf die Supermärkte ebenfalls von den Ereignissen stark betroffen. Lange Schlangen, Maskenpflicht und geschlossene Umkleidekabinen - der ohnehin schon geschwächte lokale Handel muss sich neu erfinden und Gründe liefern, warum man noch vor Ort einkaufen gehen sollte.

Eine Tendenz ist sichtbar: Läden versuchen, ihre Waren nun auch online zu verkaufen; ob allerdings Initiativen wie lokale Blumenläden, die jetzt Sträusse per Kurier kommen lassen, sich durchsetzen, ist fraglich.

Bei der Ernährung wird mehr auf Produkte aus der Region gesetzt

Die aktuellen Ereignisse haben auch gezeigt, dass die globalen Lieferketten unserer Nahrung nicht mehr ausreichend sichergestellt werden konnten. Plötzlich sind Lebensmittel aus der unmittelbaren Umgebung und Region gefragter denn je.

Auch Angebote wie mietbare Parzellen auf Gemüseackern für Städter ohne Garten boomen, ebenso wie Miethühner fürs Zuhause, da die Leute aufgrund von Homeoffice mehr daheim sind und Zeit haben.

Verwendete Quellen

  • Faz.net: Sieben Tage unterwegs Von Bastian Benrath
  • ZDF.de: Folgen der Pandemie: Wie Corona unsere Städte verändert
  • Jetzt.de: "Jetzt zeigt sich, wie gut wir in unserem Viertel leben können" Wird das Coronavirus unsere Städte für immer verändern? Ein Experte erklärt.
  • Welt.de: In Zeiten von Corona sind die Städter völlig hilflos von Thomas Sebastian Vitzthum
  • Zeit.de: Von 4 bis 17 Euro: So teuer ist Wohnen in Deutschland wirklich
  • Spiegel.de: Breitbandausbau - Die Netzlücke wird immer grösser von Jörg Breithut

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