Ein schwäbischer Landkreis streitet mit der Landesregierung in Stuttgart über ein geplantes Bundeswehr-Gelände für KSK-Fallschirmsprünge. Der Protest ist heftig, der Ton wird schärfer. Unsere Redaktion hat bei Kritikern und Befürwortern nachgehakt.

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Das Prozedere hinterlasse "einen fahlen Nachgeschmack". Es gehe um den "Verlust wertvollen Ackerlands und in der Folge um Existenzängste von Landwirten", erklärt CDU-Politiker Günther-Martin Pauli, der Landrat des schwäbischen Zollernalbkreises ist. Hier, etwa 80 Kilometer südlich von Stuttgart, polarisiert seit Monaten ein Thema, das eng mit der Landesverteidigung durch die Bundeswehr verknüpft ist.

Bundeswehr: KSK-Pläne in Baden-Württemberg polarisieren

In Zeiten des Ukraine-Kriegs und verschärfter Tonalität zwischen Russland und dem westlichen Militärbündnis Nato rückt auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) verstärkt in den Fokus. Jenes KSK soll absehbar im Zollernalbkreis auf der Staatsdomäne Waldhof ein Absetzgelände für Fallschirmsprünge bekommen. Und zwar zwischen den Gemeinden Rosenfeld und Geislingen, unweit der Kleinstadt Balingen (rund 35.000 Einwohner).

Aber: Die Menschen vor Ort begehren rigoros gegen die Bundeswehr-Pläne auf. Das Ergebnis ist ein Streit, den der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) unlängst in einem Interview mit der lokalen Zeitung als "Aufstand" bezeichnete.

So hat sich die "Initiative Waldhof" gegründet, die regelrecht wütend bei der grün-schwarzen Landesregierung in Stuttgart protestiert. Diese wird, so der Plan, die Staatsdomäne dem Bund übertragen, der dann die Spezialkräfte der Bundeswehr sowie Fallschirmspringer der US-Streitkräfte auf dem Gelände üben lässt.

"Wir haben im Zollernalbkreis grosses Verständnis und Solidarität für die Bedürfnisse der Bundeswehr. Wir respektieren, was unsere Soldatinnen und Soldaten für unsere Demokratie und deren Verteidigung leisten", erklärt Landrat Pauli unserer Redaktion: "Warum aber ausschliesslich der Zollernalbkreis für Militärflächen geeignet sein soll, ist nicht nachvollziehbar."

Staatsdomäne Waldhof: Kritik an Landesregierung in Stuttgart

Er kritisiert eine "fehlgestartete und arrogante Basta-Manier der Landesregierung". Deren Staatsministerium hat "vor Ort eine teils sehr emotionale Debatte" erkannt. Auf Anfrage heisst es aus Stuttgart, man setzte sich "mit sachlichen Argumenten" auseinander.

Aber: "Die Notwendigkeit, die Bundeswehr nach Kräften zu unterstützen, hat sich durch den Krieg "vor unserer Haustür" nur noch einmal verdeutlicht: Es war schon vor Beginn des Ukraine-Kriegs ein entscheidendes Argument, dass wir den Soldatinnen und Soldaten bestmögliche Übungsbedingungen bieten wollen", erklärt das Staatsministerium. Der Standort Waldhof lasse vergleichsweise die geringsten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt erwarten, deswegen werde man die Umsetzung der Pläne weiter verfolgen, wird erklärt.

Wer bei den verschiedenen Parteien nachhakt, bekommt indes recht unterschiedliche Perspektiven geschildert. "Verärgert hat uns die Kommunikation vonseiten der Landesregierung. Antworten bekamen wir immer nur vom Staatsministerium, nicht einmal vom Ministerpräsidenten unterschrieben, obwohl viele Briefe und 1500 Postkarten von betroffenen Bürgern an ihn persönlich adressiert waren. Auch auf persönliche Einladungen auf den Waldhof erfolgten keine Antworten", schildert die "Initiative Waldhof" auf Nachfrage.

Und weiter: "Gleichzeitig monierte der Ministerpräsident in einem Interview den ‚kollektiven Aufstand im Zollernalbkreis‘." Das Staatsministerium verweist dagegen darauf, dass die Bundeswehr eigens tiefe Überflüge mit einem Airbus A400M vorgeführt habe, um Bedenken auszuräumen.

Bundeswehr-Pläne in Baden-Württemberg: Streit zwischen Bürgern und Politik

Was offenbar nicht wirklich gelang. Die "Initiative Waldhof" argumentiert in ihrer Kritik etwa mit benachbarten landwirtschaftlichen Höfen. "Da die Flugzeuge nicht ständig starten und landen werden, kann bei den Tieren kein Gewöhnungseffekt eintreten. Es sind Fluchttiere. Bereits auf einem am Flugvorführtag gedrehten Video kann man sehen, wie alle Hühner in Panik in den Stall rennen, ebenso wie die Pferde auf der Koppel", erklärt eine Sprecherin der Bürgerinitiative: "Es besteht enorme Verletzungsgefahr für die Tiere, bis hin zu Todesfällen. Und Ausgleichszahlungen helfen den Landwirten nicht, auch kann man die Betriebe nicht umsiedeln."

Zwei angrenzende Höfe würden "täglich 40.000 Eier für den Zollernalbkreis mit freilaufenden Hühnern" erzeugen. Wertvolle Böden mit hohem Humusgehalt, archäologische Hinterlassenschaften, Wertverluste bei Immobilien, Ruhestätte seltener Greifvögel - die Bürgerinitiative bringt eine Reihe an Argumenten gegen die KSK-Pläne vor. Politik und Bundeswehr zeigen sich davon aber offenbar unbeeindruckt. Die Staatsdomäne Waldhof sei die "am besten geeignete Fläche", erklärt ein Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr unserer Redaktion.

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Der Bund werde deshalb das Gelände erwerben, wenn ein "luftrechtliches Genehmigungsverfahren nach Vorliegen der entsprechenden Gutachten" möglich sei. Prognostiziert werden je 60 Übungstage für das KSK und für die US-Streitkräfte, also 120 Tage Flugverkehr mit Militärmaschinen über dem Zollernalbkreis. Geplant sind neben Fallschirmsprüngen wohl auch Absetzübungen mit Transporthubschraubern NH90 direkt auf dem Boden. Die Bundeswehr benötigt laut Bundesamt dafür insgesamt 40 Hektar.

Die Behörde teilt weiter mit: "Auf dem Bereich muss es eine befestigte und verdichtete Graspiste (kein Asphalt) von 80 mal 1.000 Meter geben, damit kleinere Flugzeuge und Hubschrauber dort landen können. Die Landebahn muss 20 Tonnen tragen können." Das Staatsministerium bekräftigt: "Die Aufnahme des regulären Übungsbetriebs wird für die zweite Hälfte des Jahrzehnts erwartet." Allem Protest der Bürger zum Trotz.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Anfrage an die "Initiative Waldhof"
  • Schriftliche Anfrage an die Bundeswehr
  • Schriftliche Anfrage an Landrat Günther-Martin Pauli, Zollernalbkreis
  • Schriftliche Anfrage an das Staatsministerium Baden-Württemberg
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