In Frankreich hat ein Prozess gegen einen 71-Jährigen begonnen. Er soll seine Ehefrau über Jahre hinweg unter Drogen gesetzt haben, um dann dabei zuzusehen, wie sie von anderen Männern vergewaltigt wird. Die über 70 Vergewaltiger fand er online.

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Jahrelang hat ein Mann in Frankreich seine eigene Ehefrau immer wieder mit Medikamenten bewusstlos gemacht und sie von anderen Männern vergewaltigen lassen: In Avignon hat am Montag der Prozess gegen den 71 Jahre alten Dominique P. und 50 weitere Angeklagte begonnen. Der Ehemann hatte von den Männern keine finanzielle Gegenleistung verlangt, sich aber selbst an den Vergewaltigungen beteiligt und diese gefilmt.

Zum Auftakt des Prozesses wies der Vorsitzende Richter Roger Arata einen Antrag ab, die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Der Prozess solle "vollständig und bis zum Ende öffentlich" sein, sagte der Anwalt Stéphane Babonneau, der die 72 Jahre alte Ehefrau des Angeklagten vertritt. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Verfahren hinter verschlossenen Türen gefordert, um die Videoaufnahmen der Taten nicht öffentlich zu zeigen.

Gisèle P. hatte erst vor vier Jahren erfahren, auf welche Weise sich ihr Ehemann an ihr vergangen hatte. Er war ins Visier der Justiz geraten, nachdem er in einem Einkaufszentrum Kundinnen unter deren Röcken gefilmt hatte. Bei einer Durchsuchung fanden die Ermittler dann die Vergewaltigungsvideos auf seinem Computer. Den Hunderten Videos nach vergingen sich 72 Männer an der Frau, von denen die Polizei aber nicht alle identifizieren konnte. Selbst an ihrem Geburtstag wurde die Frau demnach missbraucht.

Ehemann fand die Vergewaltiger online

Die Ermittler gehen von insgesamt 92 Vergewaltigungen zwischen 2011 und 2020 aus. Der Angeklagte gestand bei den Vernehmungen, dass er seiner Frau an manchen Abenden ohne ihr Wissen starke Medikamente verabreicht hatte, um sie anschliessend von anderen Männern vergewaltigen zu lassen. Die Männer fand er über eine mittlerweile verbotene Website. Geld soll er von den Männern nicht verlangt haben, ihm ging es den Angaben zufolge um die Befriedigung seiner sexuellen Fantasien.

Dominique P. wies die Männer an, weder nach Parfum noch nach Zigarettenrauch zu riechen, um seine Frau nicht aufzuwecken. Sie sollten ausserdem ihre Hände unter warmem Wasser anwärmen.

Männer waren zwischen 26 und 74 Jahre alt

Die meisten der Mitangeklagten kamen nur einmal, einige aber auch bis zu sechsmal. Nach Aussagen von Experten weisen sie keine psychischen Störungen auf, sollen aber von Allmachtsgefühlen beherrscht gewesen sein. Zu den Männern im Alter von 26 bis 74 Jahren zählen etwa ein Feuerwehrmann, ein Pfleger, ein Gefängniswächter und ein Journalist. Die meisten von ihnen waren der Justiz unbekannt.

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Die meisten der Angeklagten hätten die Taten eingeräumt, berichtete der Sender "France Info". Mehrere von ihnen erklärten den Ermittlern jedoch auch, sie seien überzeugt gewesen, es handle sich um erotische Spiele des Paares. Der Hauptangeklagte betont jedoch, dass sie alle wussten, dass die Frau unter dem Einfluss von Medikamenten stand und bewusstlos war. "Jeder einzelne hätte sich anders entscheiden und den Ort wieder verlassen können", betonen die Ermittler.

Frau klagte über Gedächtnislücken und Müdigkeit

Für Gisèle P., die seit fast 50 Jahren mit ihrem Mann zusammenlebte, werde der Prozess "eine schlimme Erfahrung", sagte ihr Anwalt Antoine Camus. "Sie wird die Vergewaltigungen zehn Jahre zeitversetzt zum ersten Mal erleben", fügte er hinzu. Gisèle P. habe "keine Erinnerung" an die einzelnen Taten. Sie bekam von dem jahrelangen Missbrauch nichts mit, weil ihr Mann sie massiv unter Medikamente setzte. Allerdings klagte sie seit langem über Gedächtnislücken und grosse Müdigkeit.

Trotz zahlreicher Arztbesuche stellten Mediziner keinen Zusammenhang zwischen ihren kognitiven, neurologischen und gynäkologischen Störungen fest, wohl auch, weil ein solches Tatgeschehen nicht für möglich gehalten wurde. Bekannte des Paars befürchteten sogar, die Frau sei an Alzheimer erkrankt.

Inzwischen habe sie mithilfe ihrer Kinder und Enkelkinder ihr Leben wieder in die Hand genommen, nachdem sie lange Zeit gedacht habe, an einer schweren Krankheit zu leiden.

Hauptangeklagter "schäme" sich

Der Hauptangeklagte liess über seinen Anwalt erklären, dass er sich für die Taten "schäme". "Es war eine Form der Abhängigkeit", sagte die Anwältin Béatrice Zavarro. Ihr Mandant habe die Taten nicht bestritten, fügte sie hinzu. Die drei Kinder des Paares treten im Prozess als Zivilparteien auf.

Der Prozess soll bis zum 20. Dezember dauern. Die Angeklagten müssen sich unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von widerstandsunfähigen Menschen verantworten, ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft. Der Prozess dürfte in Frankreich die Debatte über den Umgang mit mutmasslichen Vergewaltigungen nach dem Verabreichen sogenannter K.-o.-Tropfen erneut anheizen. (afp/dpa/bearbeitet von mak)

Hilfsangebote

  • Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016 oder online), das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" (0800/1239900 oder online), das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (0800/225 5530), in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437) und in der Schweiz an die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana, 031/3131 400)
  • Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
  • Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
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