Das Thermometer zeigt minus 19 Grad. Der eisige Wind lässt den Atem fast gefrieren. Kaum ein Arbeitsplatz ist kälter als das Dach der Wetterstation auf dem Brocken.
Marc Kinkeldey schiebt die schweren Riegel zurück. Er drückt die massive Tür auf und macht einen Schritt ins Freie. Eine Sturmböe braust ihm ins Gesicht.
Von einer Sekunde auf die andere hat der Wetterdiensttechniker die wohlige Wärme gegen eine durch Mark und Bein gehende Kälte auf dem Dach des Turmes getauscht.
Das Thermometer auf der fünfgeschossigen Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf dem Brocken im Harz zeigt am Donnerstagvormittag minus 19 Grad.
"Wir haben hier in diesen Tagen ganz sicher einen der kältesten Arbeitsplätze Deutschlands", sagt der Wetterdiensttechniker. "Gefühlt herrschen hier sogar etwa minus 55 Grad."
Wind macht Arbeit noch unangenehmer
Denn zu den Minus-Temperaturen kommt der eisige Wind. Über den exponiert gelegenen höchsten Berg Norddeutschlands, dessen Klima dem eines 2200 Meter hohen Alpen-Berges entspricht, brausen an diesem Tag bis zu 110 Stundenkilometer schnelle Sturmböen.
"Das ist aber noch gar nichts", sagt Kinkeldey, der sich als stellvertretender Leiter die Schichten auf dem 1141 Metern hohen Brocken mit sechs Kollegen teilt. "Beim Orkan Friederike haben wir hier 205 Stundenkilometer gemessen. Da konnte man sich nicht mehr auf den Beinen halten", erinnert sich der 38-Jährige.
Dank Kinkeldey und seinen Kollegen ist die Station auf dem kahlen Plateau an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt. Alle halbe Stunde muss der Wachhabende auf das Dach steigen, um in rund 1160 Metern Höhe die Messinstrumente abzulesen. "Wir machen das hier ganz klassisch", sagt er. "Temperatur, Luftdruck, Niederschlag, Windrichtung."
307 Nebeltage im Jahr
Oben prüfen die Experten regelmässig auch den Grad der Bewölkung und wie weit die Sicht reicht. "An den meisten Tagen sieht man nicht viel", sagt Kinkeldey. "Denn wir haben hier oben auf dem Brocken 307 Nebeltage im Jahr."
An diesem Donnerstag ist es anders. Die Sonne strahlt. Der Blick, der bis in den 100 Kilometer entfernten Thüringer Wald reicht, wird nur ab und zu ein wenig getrübt, wenn der böige Wind lockeren Schnee in die Luft bläst.
Dennoch hält man es auf dem Dach des DWD-Turmes aber nur kurz aus. Auch Marc Kinkeldey, der sich routinemässig mit dicker Jacke, winddichter Mütze, Kapuze, Schal und Handschulen ausstaffiert hat, strebt nach ein paar Minuten wieder ins Warme.
Grundsätzlich machten ihm die eisige winterliche Kälte, der viele Nebel und die jährlich rund 100 Orkan-Tage auf dem Brocken aber nicht viel aus, sagt der 38-Jährige, im Gegenteil. "Ich mag meine Arbeit und meinen Arbeitsplatz."
Am schönsten sei es im Übrigen nachts, wenn die Besucher längst ins Tal zurückgekehrt sind. "Dann hat man die Brocken-Kuppe hier weitgehend für sich alleine." © dpa
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