Dieser Fall hat 2010 bundesweit für Bestürzung gesorgt: Vor zehn Jahren wird Maria Bögerl, Frau des Sparkassendirektors, aus ihrem Haus im baden-württembergischen Heidenheim entführt. Es ist der Beginn einer der tragischsten Fälle der deutschen Kriminal-Geschichte. Eine Chronologie.
12. Mai 2010: Die 54-jährige Maria Bögerl wird aus dem Haus der Familie entführt – und in ihrem eigenen Auto verschleppt. Noch am selben Vormittag ruft der Täter den Ehemann Thomas Bögerl an, der Sparkassenchef in Heidenheim ist. Der Entführer will 300.000 Euro. Bögerl legt diese zwar am vorgegebenen Ablageort an der A7 ab, jedoch später als vom Erpresser verlangt - das Geld wird nie abgeholt. Die Forderungen des Erpressers waren zu detailliert, um schneller zu handeln, sagt die Polizei. Hundertschaften durchkämmen in den nächsten Tagen Wälder rund um den Wohnort der Familie.
14. Mai 2010: Einsatzkräfte finden das Auto der Entführten nach Hinweisen im Hof des Klosters Neresheim. Auf dem Beifahrersitz werden die Ermittler später Blutspuren entdecken. Ausserdem finden sie das Handy von Maria Bögerl nahe dem Übergabeort.
16. Mai 2010: Die Polizei nimmt einen Verdächtigen fest, lässt den Mann aber kurz darauf wieder frei.
Fall Maria Bögerl: Belohnung wird auf 100.000 Euro verdoppelt
18. Mai 2010: Die Belohnung für Hinweise zur Aufklärung wird auf 100.000 Euro verdoppelt, zuvor hatte die Familie bereits 50.000 Euro ausgelobt. Die Polizei bildet die Soko "Flagge", in der anfangs 80 Beamte ermitteln.
19. Mai 2010: Knapp eine Woche nach der Tat appellieren Maria Bögerls Mann und ihre beiden Kinder in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" an den oder die Täter: "Wir flehen Sie an, die für uns alle so qualvolle Situation positiv zu beenden", so der Sohn. Was sie nicht wissen: Maria Bögerl ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot - Ermittler gehen später davon aus, dass Bögerl noch am Tag der Entführung getötet wurde.
3. Juni 2010: Ein Spaziergänger findet eine Frauenleiche am Waldrand zehn Kilometer vom Wohnhaus der Familie – unweit der Stelle, an der das Handy von Maria Bögerl lag. Den Fundort der Toten hatten Suchmannschaften Wochen zuvor bereits abgesucht.
Maria Bögerl wurde erstochen - Erpresser sprach Schwäbisch
4. Juni 2010: Einen Tag nach dem Leichenfund gibt die Polizei bekannt: Bei der Toten handelt es sich um Maria Bögerl. Sie ist an Stichverletzungen gestorben. Die Beamten gehen zu diesem Zeitpunkt von einem Täter "mittleren Alters" aus der Region aus – der Entführer habe am Telefon Schwäbisch gesprochen.
9. Juni 2010: In einem Gottesdienst gedenken die Menschen in Heidenheim der ermordeten Maria Bögerl. Zudem geht die Tätersuche auch übers Fernsehen weiter: Der Fall ist am Abend erneut Thema bei "Aktenzeichen XY ... ungelöst", der Leiter der Sonderkommission ist zu Gast. Rund 250 neue Hinweise gehen ein.
11. Juli 2011: 14 Monate nach dem Tod seiner Frau erhängt sich Thomas Bögerl im Haus der Familie. In Heidenheim hatte es in den Monaten zuvor unschöne Gerüchte über das Privatleben des Sparkassendirektors gegeben. Die Polizei betont, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass Maria Bögerls Ehemann in die Entführung verwickelt war.
Kinder: Vater ertrug "unsägliche Verleumdungen" nicht mehr
14. Juli 2011: Die Kinder der Bögerls kritisieren die Polizei – und die Öffentlichkeit. Die "erfolglosen Ermittlungen", die "unsäglichen Verleumdungen" und den "daraus resultierenden Abschied aus seinem Beruf" habe ihr Vater nicht mehr ertragen können, steht in der Traueranzeige der Familie.
5. September 2012: Wieder ist der Fall Bögerl Thema bei "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Nach der Ausstrahlung gibt ein Mann der Polizei mehrfach falsche Hinweise – und kassiert eine Belohnung. Dafür wird er später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
14. Februar 2014: Die Polizei startet einen Massengentest. Im Auto von Maria Bögerl hat sie DNA-Spuren gesichert, die – davon gehen die Ermittler bis heute aus – von dem oder den Entführern stammen. Doch auch dieser Ansatz führt nicht zum erhofften Erfolg.
5. April 2017: Fast sieben Jahre nach dem Mord geht es bei "Aktenzeichen XY ... ungelöst" ein weiteres Mal um den Fall Bögerl. Diesmal suchen die Ermittler einen Verdächtigen: Der Mann aus dem baden-württembergischen Königsbronn, das nahe Heidenheim liegt, hatte im Sommer 2016 betrunken Angaben zur Tat gemacht. Im nordrhein-westfälischen Hagen hatte er zwei Passanten angesprochen – und ihnen Details des Falls erzählt. Die beiden machten Mitschnitte des Gesprächs und übergaben diese der Polizei.
6. April 2017: Das Bundeskriminalamt gibt noch in der Nacht bekannt, dass der Verdächtige festgenommen worden ist. Seine DNA-Probe stimmt jedoch nicht mit der aus Bögerls Auto überein. Er wird freigelassen.
Januar 2020: Die Polizei untersucht im Zusammenhang mit dem Mordfall Bögerl drei "Objekte". Es handelt sich um eines im Landkreis Donau-Ries sowie zwei im Landkreis Schwäbisch Hall. Die Beamten sichern Beweisstücke, doch "der Tatverdacht hat sich nicht erhärtet", teilt die Staatsanwaltschaft in Bezug auf drei Verdächtige mit.
Grosses Ermittlerteam:
Fast sechs Jahre lang hat die Soko "Flagge" im Fall Bögerl ermittelt. Lange waren noch bis zu 50 Kräfte mit dem Fall beschäftigt. Immer wieder haben die Ermittler alte Spuren mit neuen technischen Möglichkeiten ausgewertet. Und neue gesucht: Im April 2012 etwa hatten Einsatzkräfte erneut das Waldstück durchkämmt, in dem zwei Jahre zuvor die Leiche gefunden worden war. Zwischenzeitlich standen unter anderem ein Bandenchef aus dem Rockermilieu und Mitglieder der Spielhallenszene unter Verdacht. Bis heute gehen Hinweise zur Tat ein. Noch immer ermittelt nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft ein Beamter "schwerpunktmässig" im Fall Bögerl.
Ermittlungspannen:
Oft ist im Fall Bögerl von Ermittlungspannen und -fehlern die Rede. 2017 titelte die "Süddeutsche Zeitung" gar: "Ein einziger Albtraum für die Polizei". Oft geht es um die zu späte Geldübergabe oder darum, dass Einsatzkräfte die Leiche nicht gefunden haben. Im September 2012 kritisiert das Nachrichtenmagazin "Spiegel", dass die Ermittler mehr als zwei Jahre lang eine wichtige Spur vernachlässigt hätten: einen anonymen Brief vom 18. Mai. "Der Absender teilte darin offenbar mit, dass Maria Bögerl bereits tot sei. Damals galt die Frau noch als vermisst, ihre Leiche wurde erst Wochen später entdeckt", heisst es. Auch die Familie Bögerl kritisierte die Ermittler, unter anderem, weil der Sohn und der Lebensgefährte der Tochter monatelang abgehört worden sein sollen. Die Polizei selbst macht auf Anfrage keine Angaben.
Alle Hoffnungen liegen auf "tatrelevanter Spur":
Auch der zuständige Sprecher der Staatsanwaltschaft in Ellwangen, Armin Burger, hält sich zu den Vorwürfen zurück: "Im Nachhinein stellen sich Ergebnisse oft anders dar", gibt er zu bedenken. Und: "Nicht alle, die die Ermittlungsarbeit beurteilen, haben umfassende Kenntnisse." Das Besondere an dem Fall sei das grosse Medieninteresse – "bis heute", sagt Burger.
Ob es noch Hoffnung gibt, ihn zu lösen? "Wir haben eine tatrelevante DNA-Spur. Wir müssen das Gegenstück dazu finden."
Verwendete Quellen:
- Deutsche Presse-Agentur
- Aktenzeichen XY ... ungelöst: Videoausschnitt vom 19. Mai 2020
- Traueranzeige Thomas Bögerl
- Spiegel.de: Polizei hat wichtige Spur im Mordfall Bögerl mehr als zwei Jahre lang vernachlässigt
- Süddeutsche Zeitung: Fall Maria Bögerl – ein einziger Albtraum für die Polizei
- Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Ellwangen zum Einsatz im Januar 2020
- Gespräch mit Armin Burger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Ellwangen
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