Zwangsferien wegen Coronavirus? Was in Italien seit heute Realität ist, ist in Deutschland zurzeit nicht geplant. Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, schotten einige Länder sich zunehmend ab - und verwehren Besuchern die Einreise.
In einigen Städten haben viele Schüler derzeit frei, weil es im Umfeld ihrer Schule Infektionen mit dem neuen Coronavirus gegeben hat. Eine bundesweite Schulschliessung halten Experten etwa vom Deutschen Lehrerverband allerdings für nicht gerechtfertigt. Lange Komplettschliessungen ohne "konkret nachgewiesene, bestätigte Verdachtsfälle" halte er für falsch, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. "Das wäre ein Massnahmenoverkill."
Die Diskussion um mögliche Schulschliessungen wird in Deutschland durch die Entscheidung der italienischen Regierung angefacht. Die hatte am Mittwoch beschlossen, Kindergärten, Schulen und Hochschulen bis Mitte März, möglicherweise auch länger, geschlossen zu lassen. Italien ist das Land in Europa mit den meisten bestätigten Infektionen. Mittlerweile sind es rund 3.100 Fälle, mehr als 100 Menschen starben bisher.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beklagte, dass zu viele Länder der Welt noch nicht angemessen auf eine mögliche Ausbreitung des Virus vorbereitet seien. "Wir sind besorgt, dass manche Länder dies entweder nicht ernst genug nehmen oder entschieden haben, dass sie eh nichts tun können", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. "Wir sind besorgt, dass der Umfang des politischen Engagements und die dafür nötigen Massnahmen dem Umfang der Bedrohung, der wir uns alle gegenübersehen, nicht entsprechen." Die WHO verspricht zusammen mit der Weltbank allen Ländern Unterstützung bei den Vorbereitungen.
Momentan 400 nachgewiesene Fälle in Deutschland
In Deutschland stieg die Zahl der nachgewiesenen Fälle laut Robert Koch-Institut auf 400 (Stand: Donnerstag), betroffen sind alle Bundesländer ausser Sachsen-Anhalt. Auch hierzulande sei die Verunsicherung bei Eltern, Lehrkräften und Schülern hoch, erläuterte Meidinger vom Lehrerverband mit Blick auf mögliche Schulschliessungen. Das liege auch daran, dass keine einheitliche Verfahrensweise in den Bundesländern erkennbar sei. Letztendlich müsse eine Güterabwägung vorgenommen werden: "Rechtfertigt der Grad der gesundheitlichen Gefährdung, dass mit der Schliessung von Schulen Abschlussprüfungen ausfallen und die gesamte Bildungsplanung von Kindern in Gefahr gerät."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte bereits nach einem Krisentreffen der Fachminister von Bund und Ländern am Mittwoch, dass er pauschale Schul- oder Universitätsschliessungen nicht für angemessen halte. "Wenn durch flächendeckende Schulschliessungen in Deutschland zum Beispiel Pflegekräfte und Ärzte fehlen, weil sie zum Beispiel alleine erziehen und sich darauf verlassen, dass Schulen und Kindergärten zeitnah zur Verfügung stehen, dann hat das auch wieder Folgen für das Gesundheitswesen." Landesweite Schulschliessungen kann sich der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), trotz steigender Infektionen in NRW nicht vorstellen.
Im besonders vom neuen Coronavirus betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen bleiben Schulen und Kindertagesstätten jedoch bis mindestens 15. März geschlossen.
Gesundheitsämter entscheiden über Schulschliessungen - nicht die Regierung
Das Robert Koch-Institut betonte, dass grundsätzlich die örtlichen Gesundheitsämter über Schulschliessungen entschieden - also kein Bundesland und keine Bundesregierung.
Einige Gesundheitsämter haben bereits zumindest vorübergehend eine Schulschliessung angeordnet. In der Städteregion Aachen, wo es zuletzt 25 nachgewiesene Sars-CoV-2-Fälle gab, wurden fünf Schulen und eine Kita für diese Woche geschlossen. Auch an Gymnasien in Köln und Schwalmtal (Kreis Viersen) war der Unterricht ausgefallen. In Berlin waren zuletzt zwei Schulen geschlossen, in Würzburg und Unterhachingen je eine. In Stade (Niedersachsen) dagegen war zwar ein Lehrer eines Gymnasiums positiv getestet worden - einen Unterrichtsausfall hielt das Gesundheitsamt jedoch nicht für nötig.
Angesichts der Schulschliessungen hat der Deutsche Realschullehrerverband (VDR) ein Massnahmenpaket zum Schutz von Schülern und Lehrern gefordert. "Wir dürfen keine Zeit verlieren und keine unnötigen Risiken eingehen", sagte der VDR-Bundesvorsitzende Jürgen Böhm am Donnerstag in München. Konkret dringt der Verband auf "konsequente Umsetzung und Kontrolle der notwendigen Hygienemassnahmen an den Schulen" sowie klare Entscheidungen der Behörden über Schulschliessungen.
Japan und Israel stellt Besucher unter Quarantäne
Auch in Teilen Griechenlands blieben in einigen Regionen Schulen, sowie Theater, Kinos und archäologische Stätten geschlossen. Grund sind mittlerweile 21 nachgewiesenen Infektionen bei einer griechischen Reisegruppe, die aus Israel und Ägypten nach Griechenland zurückgekehrt war. Die Massnahmen betreffen zwei Regionen auf der Halbinsel Peloponnes sowie die Insel Zakynthos.
Japan wird ab Montag alle Besucher aus China und Südkorea für zwei Wochen unter Quarantäne stellen. Das erklärte der rechtskonservative japanische Ministerpräsident Shinzo Abe. Ausgestellte Visa an Besucher aus diesen beiden Staaten werden zudem bis auf weiteres für nicht gültig erklärt. Ferner wird der Weiterverkauf von Schutzmasken für illegal erklärt.
Nach Verhängung strenger Einreisebestimmungen befinden sich nach Medienberichten vom Donnerstag rund 100.000 Israelis in Heimquarantäne. Menschen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Spanien dürfen nach einer Entscheidung des Gesundheitsministeriums ausserdem nicht mehr einreisen - es sei denn, sie können glaubhaft versichern, dass sie eine zweiwöchige häusliche Quarantäne einhalten können.
Weltweit 95.000 Infektionen und 3.280 Todesfälle
Weltweit sind mittlerweile über 95.000 Infektionen und 3280 Todesfälle bestätigt. Allein rund 3000 Menschen sind bislang auf dem chinesischen Festland gestorben, wo das Virus zuerst nachgewiesen wurde. Von insgesamt gut 80.000 Infizierten sind nach offiziellen Angaben inzwischen mehr als 52.000 geheilt. (ash/dpa)
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