Ein neues System in den Niederlanden hat einen Skandal bei Samenspendern aufgedeckt: Mehrfach wurde gravierend gegen Regeln verstossen. Es gibt Dutzende Fälle von sogenannten Massenspendern – Personen mit mehr als 25 gezeugten Kindern. Das hat schwerwiegende Folgen.
Seit dem 1. April ist in den Niederlanden eine neue Regelung in Kraft, die die landesweite Registrierung von Samenspendern und Eizellspenderinnen vorsieht. Das heisst, diese werden landesweit und nicht mehr nur in einer Klinik registriert. Die neue Regelung gilt rückwirkend seit 2004 – in diesem Jahr wurde die anonyme Spende verboten.
Nun zeigt sich, dass die Kliniken in den vergangenen Jahren teilweise ihre eigenen Richtlinien nicht befolgt haben: Seit 2004 gab es mindestens 85 sogenannte Massenspender, wie der niederländische Berufsverband der Gynäkologen (NVOG) dem Nachrichtenportal "Nieuwsuur" bestätigt hat. Unter einem Massenspender versteht man eine Person, die mehr als 25 Nachkommen hat. Erlaubt sind in den Niederlanden höchstens 25 gezeugte Kinder bei zwölf Familien. Dadurch soll die Inzestgefahr eingedämmt werden.
Einzelne Massenspender zeugten zwischen 26 und 75 Kinder
Die NVOG selbst teilte mit, dass die Richtlinien "nicht immer ordnungsgemäss befolgt wurden und dass die bisherige Obergrenze von 25 Kindern pro Spender in einigen Fällen überschritten wurde".
"Wir möchten uns im Namen des Berufsstandes entschuldigen, wir haben keine gute Arbeit geleistet."
"Die Zahl der Massenspender in den Kliniken hätte bei Null liegen müssen", sagte die Gynäkologin Marieke Schoonenberg im Namen der NVOG gegenüber "Nieuwsuur". "Wir möchten uns im Namen des Berufsstandes entschuldigen, wir haben keine gute Arbeit geleistet."
Die meisten der aufgedeckten Massenspender hätten demnach 26 bis 40 Kinder gezeugt, es gebe aber auch Fälle mit 50 bis 75 Kindern pro Spender, wie die Gynäkologin dem Portal bestätigte.
Zahlreiche Lücken im System
Lücken im System führten laut "Nieuwsuur" dazu, dass viel zu viele Kinder mit denselben Samenspenden gezeugt wurden. Die NVOG nennt mehrere Gründe, warum es in manchen Fällen zu Überschreitungen der Richtlinien kam: So kann es sein, dass ein Spender zwar bereits 25 Nachkommen hatte, eine Frau sich aber ein zweites oder drittes Kind von demselben Spender wünschte. Diesem Kinderwunsch kamen die Kliniken häufig nach. Bei künstlicher Befruchtung erfolgte bei Bedarf eine Einlagerung der Embryonen. Diese Embryonen wurden später für ein zweites oder drittes Kind verwendet, ohne die Anzahl der Nachkommen zu berücksichtigen, die die Spenderin bereits hatte.
Vor der bundesweiten Registrierung, die nun gilt, konnten sich Spender zudem bei mehreren Kliniken gleichzeitig registrieren. Aus Datenschutzgründen konnten die Kliniken sich nicht erkundigen, ob ein Spender bereits an mehr als einem Ort gespendet hatte. Einzelne Kliniken verwendeten denselben Spender darüber hinaus mehr als 25 Mal und tauschten Spendersamen untereinander aus.
Kritik am Vorgehen der Kliniken: "Medizinische Katastrophe"
Ties van der Meer von der Stiftung "Donorkind", die sich für die Interessen von Spenderkindern einsetzt, zeigte sich schockiert und sprach von einer "medizinischen Katastrophe".
"Dann sprechen wir bald von 3.000 betroffenen Kindern mit mehr als 25 Halbgeschwistern", sagte er gegenüber "Nieuwsuur". Das Vorgehen der Kliniken habe sowohl das Vertrauen in das medizinische System beschädigt als auch in die Regierung, "die das alles zugelassen hat". Van der Meer sieht unter anderem Probleme für die Zukunft der Spenderkinder: "Die betroffenen Spenderkinder werden sich nie unbeschwert verabreden können. Wenn sie sich auf eine Beziehung einlassen, müssen sie immer erst einen DNA-Test machen, um auszuschliessen, dass sie mit einem Familienmitglied zusammen sind."
Die NVOG sieht in der neuen Registrierungsregelung nun "einen wichtigen Schritt zu mehr Sorgfalt und Transparenz". Sowohl Spender als auch Spenderkinder können sich an die betreffende Klinik wenden, um Informationen über Nachkommen und etwaige Halbgeschwister zu erhalten.
Der wohl prominenteste Massenspender ist der Niederländer Jonathan Jacob Meijer. Er soll zwischen 500 und 600 Kinder gezeugt haben. In den Niederlanden ist der 43-Jährige Vater von mehr als 100 Kindern. Im Jahr 2017 wurde ihm die Samenspende für niederländische Kliniken deswegen verboten. Der Streaminganbieter Netflix veröffentlichte 2024 eine Doku über ihn.