Am frühen Morgen des 7. Januar 1997 fällt ein Schuss in einem kleinen Zelt auf dem Inka-Pfad in Richtung Machu Picchu. Die Kugel trifft Ursula Glück-Tesler, eine 34 Jahre alte deutsche Wissenschaftlerin, lebensgefährlich am Kopf. Wenige Tage später stirbt sie in einem Krankenhaus in Lima an ihren Verletzungen. Von Beginn an steht ihr Ehemann Ilan Tesler im Verdacht – nicht zuletzt, weil er sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt. Doch erst seine Habgier wird ihm zum Verhängnis.
In der vierteiligen True-Crime-Miniserie "Mord auf dem Inka-Pfad" wird der Mordfall nacherzählt, wobei einige Namen und Handlungsdetails verändert sind. Die Serie ist ab dem 19. April in der ARD-Mediathek abrufbar, im Fernsehen laufen die ersten beiden Folgen am 30. April, die letzten beiden am 1. Mai im Ersten.
Im Fokus steht auch die Beziehung zwischen Ursula Glück und ihrem Freund sowie späteren Ehemann Ilan Tesler. Die Ehe ist alles andere als gewöhnlich. Das schildert auch der 2022 verstorbene Münchner Kriminalrat Josef Wilfling – über zwei Jahrzehnte Leiter der Münchner Mordkommission – in dem 2007 erschienenen Buch "Mordspuren" von Dr. Mark Benecke.
Eine einseitige Liebe
Glück und Tesler lernen sich Anfang der 1990er Jahre in Israel kennen. Ursula Glück ist damals eine Krebsforscherin mit einer vielversprechenden Karriere und arbeitet in Israel. Ilan Tesler ist gelernter Elektriker und handelt mit Autozubehör. Trotz dieser Unterschiede verliebt sich die Deutsche 1992 in den acht Jahre jüngeren Israeli.
Wie später klar werden soll, erwidert Tesler ihre Gefühle nicht in gleichem Masse, doch die Beziehung hält – vermutlich auch, weil Glück ihren materiell orientierten Freund mit teuren Geschenken bei Laune hält. So schenkt sie ihm ein Auto, das später ausbrennt – Tesler kassiert 15.900 D-Mark von der Versicherung.
Tesler immer wieder in Betrug verwickelt
Tesler versucht immer wieder, mit Versicherungsbetrug schnelles Geld zu machen. Er überredet Glück, am Flughafen seinen Koffer vom Gepäckband zu nehmen und allein weiterzugehen, damit er den Verlust als Diebstahl melden kann. Im November 1994 geht er noch weiter: Er täuscht sein eigenes Verschwinden vor, um über eine Lebensversicherung Geld zu erschleichen. Die Auszahlung soll über seine Freundin laufen. Doch der Plan scheitert: Seine Eltern starten eine Suchaktion, und Tesler taucht schliesslich wieder auf. Er erklärt, er habe sich in den Wäldern verirrt. Glück lässt sich – aus Liebe – auf das perfide Spiel ein.
Sie lebt zu diesem Zeitpunkt in New York, wohin sie im Sommer 1994 dank eines Stipendiums gezogen ist. Für Tesler scheint die Beziehung damit eigentlich beendet – er will sich nicht binden. Auch aufgrund finanzieller Abhängigkeit hält er dennoch an dieser fest. Im Frühjahr 1995 muss Tesler seinen Laden in Israel endgültig schliessen, er zieht zu Glück in die USA. Im August heiratet das Paar. Tesler strebt eine Karriere als Versicherungsagent an – erneut stark mitfinanziert von Glück. Er steckt das Geld nicht nur in Versicherungsprämien, sondern auch in einen ausschweifenden Lebensstil.
Inka-Pfad wird zum Tatort
Im November 1996 fordert Glück – mittlerweile Glück-Tesler – unmissverständlich ein Kind. Es scheint der Moment zu sein, in dem bei Tesler der Gedanke reift, seine Ehefrau zu beseitigen, um aus den zahlreichen Lebensversicherungen ein Vermögen zu kassieren. Die bevorstehende Reise zur legendären Inka-Stadt Machu Picchu wird für ihn zur Gelegenheit, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Er schliesst nur eine Woche vor dem Abflug eine ungewöhnlich weitreichende Reiseversicherung ab, obwohl bereits ausreichender Versicherungsschutz besteht. Am 24. Dezember 1996 fliegt das Ehepaar schliesslich nach Peru – Glück kehrt nicht lebend zurück.
Ursula Glück-Tesler wird im Zelt niedergeschossen
Am 5. Januar beginnen sie ihre Wanderung Richtung Machu Picchu – auffällig spät um 16.45 Uhr. Möglicherweise plant Tesler die Tat bereits für diese Nacht und will an einem ungestörten Ort campieren.
Bereits in der ersten Nacht, so berichtet Tesler später, kommt es zu einer unheimlichen Situation, als Männer um ihr Zelt schleichen. In den frühen Morgenstunden des 7. Januar, so Tesler weiter, dringt ein Mann ins Zelt ein und erschiesst seine Ehefrau. Der genaue Tatort liegt auf einer kleinen Wiese, etwa 50 Meter neben der Ruine Runcuracay. Tesler beschreibt den Täter als einen Polizisten oder Armeeangehörigen.
Schon früh gibt es Zweifel, und Tesler gerät schnell selbst ins Visier der Ermittler. Tesler und Glück hätten – besonders nach dem vermeintlichen Vorfall in der Nacht zuvor – auf dem nahegelegenen Campingplatz Pacamayo in einer Reisegruppe übernachten können. Warum verzichten sie darauf? Warum wird seine Frau erschossen, er jedoch nicht? Zudem berichtet Tesler, der Täter habe seine Geldbörse mitgenommen – diese wird jedoch später bei ihm selbst entdeckt. Und warum holt Tesler nach dem Vorfall keine Hilfe, obwohl der Campingplatz mit der Reisegruppe bergab nicht allzu weit entfernt ist?
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Wanderin wird zur wichtigen Zeugin
Zum Verhängnis wird Tesler ein unglücklicher Zufall. Die argentinische Zahnärztin Ana Bertolotti bricht bereits um 5 Uhr morgens vom Campingplatz Pacamayo auf. Auf ihrem Weg nach oben trifft sie gegen 5.40 Uhr auf Tesler, der sich daraufhin laut Kriminalrat Wilfling "wie ein aufgeschrecktes Tier verhält, das in eine Falle gelaufen ist". Tesler ist blutverschmiert, und Bertolotti, die nur sehr gebrochenes Englisch spricht, zeigt in Richtung des Camps und verweist auf den dortigen Arzt Dr. Rosell. Erst in Machu Picchu erfährt sie, dass eine Frau niedergeschossen wurde. Durch Aufrufe in der Zeitung und im Fernsehen wird sie ausfindig gemacht und später in München vernommen.
Tesler verschweigt die Begegnung mit der Wanderin zunächst. Später erklärt er, er sei nicht von oben gekommen, sondern aus seinem Zelt. Bertolotti jedoch ist sich sicher, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Die Ermittler kommen zu der Schlussfolgerung, dass Tesler den Berg hinaufgelaufen ist, um die Waffe entfernt vom Tatort zu entsorgen. Hilfe, so sagt Tesler später, holte er nicht, weil er angeblich drei bis vier Stunden benötigte, um vom Campingplatz zur Ruine zu wandern. Doch die Rekonstruktionen vor Ort zeigen: Es dauert lediglich 35 bis 40 Minuten hinauf und nur rund zwölf Minuten bergab.
Tesler plötzlich nicht mehr blutverschmiert
Gegen 9 Uhr erreicht Fremdenführer Fredy Medina mit den restlichen 16 Touristen und Trägern die Ruine. Tesler nähert sich einigen Menschen, er trägt keine blutverschmierte Kleidung mehr. "Someone shot my wife", ruft er in ihre Richtung. Dr. Rosell eilt zum Zelt, entdeckt Glück und das geronnene Blut an ihrem Schädel. Der Arzt stellt fest, dass noch keine medizinische Versorgung erfolgt ist. Glück lebt, atmet selbstständig, ist jedoch nicht ansprechbar. Medina findet in der Zeltmitte die Patronenhülse, die er der Polizei übergibt, ebenso wie Geschossteile, die mit Hirnmasse vermischt sind.
Glück wird per Hubschrauber abtransportiert, Tesler begleitet sie nach Lima. Erst um 22 Uhr wird seine Hand auf Schmauch untersucht – nur Blei wird gefunden. Glück stirbt am 13. Januar 1997. Doch dank der Unterstützung der einflussreichen Honorarkonsulin in Cuzco, die offenbar Sympathien für Tesler entwickelt und ihn während der Vernehmungen schützt, darf er trotz aller Ungereimtheiten einen Tag später ausreisen. Die Ermittlungen geraten für zwei Jahre ins Stocken.
Teslers Habgier wird ihm zum Verhängnis
Im Januar 1999 nimmt der Fall eine entscheidende Wende. Die Familie Glück erhält eine Anfrage von einer Versicherungsgesellschaft in New York: Tesler hat die Auszahlung von 300.000 US-Dollar beantragt. Zuvor hat er bereits 400.000 US-Dollar aus zwei weiteren Versicherungen erhalten, dazu 50.000 US-Dollar aus einer Reiseversicherung sowie 390.000 D-Mark aus israelischen Policen. Zwischen Juli 1997 und Januar 1999 lassen sich Zahlungseingänge von insgesamt 1,8 Millionen D-Mark auf Teslers Konten nachweisen.
Am 9. April 1999 wird Tesler erneut zur Vernehmung nach München vorgeladen. Angesprochen auf die Versicherungen verstrickt er sich in Unwahrheiten. Vier Tage später wird er wegen Mordverdachts festgenommen. Am darauffolgenden Tag ergeht der Haftbefehl.
Die Ermittler verfolgen Spuren in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Australien. Sie sichten Tausende E-Mails, stellen gelöschte Nachrichten wieder her – und stossen auf belastende Hinweise. Der E-Mail-Verkehr zeigt: Tesler liebte seine Frau nicht. Im Gegenteil: "Die Alte ekelt mich an", schreibt er unter anderem.
Der Fall erhält zusätzliche Brisanz durch die historische Dimension: Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird ein Israeli in Deutschland des Mordes beschuldigt. Umso bemerkenswerter beschreibt Wilfling die enge und konstruktive Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden.
Mehrere Ermittler vor Ort in Peru
Auch finanziell sorgt der Fall für Aufmerksamkeit – nicht zuletzt wegen der aufwendigen Ermittlungsreise: Vom 11. bis 29. März 2000 ist ein deutsches Team aus Staatsanwaltschaft, Kriminalhauptkommissaren, einem Schusswaffenexperten und einem Fotografen in Peru vor Ort. In Lima, Cuzco und am Tatort selbst wird ermittelt. Fremdenführer Medina und seine Träger unterstützen das deutsche Team, insgesamt sind knapp 40 Personen im Einsatz. In der zweiten Nacht ihres Aufenthalts wird das Team sogar selbst angegriffen – die Täter fliehen unerkannt.
Die Ermittlungen belasten Tesler weiter. Es stellt sich heraus, dass die verwendete Munition in Peru damals nicht erhältlich ist – sie stammt höchstwahrscheinlich, ebenso wie die Waffe selbst, aus den USA. Auffällig in diesem Zusammenhang: Tesler macht in Florida einen zweiten Führerschein, obwohl er bereits einen besitzt. Der mögliche Grund: In Florida ist damals ein lokaler Führerschein Voraussetzung für den legalen Erwerb einer Schusswaffe. Zudem ist es zu jener Zeit erlaubt, eine Waffe im aufgegebenen Gepäck auf Flugreisen mitzunehmen.

Bereits Monate zuvor gelingt es den Ermittlern, das Zelt sicherzustellen, das die Honorarkonsulin entgegen ihrer früheren Aussage nicht verbrennen liess, sondern in ihrem Privathaus aufbewahrt. Es wird nach München geschickt. Die im Zelt gesicherten Spuren und die anschliessenden Rekonstruktionen widersprechen entscheidend Teslers Darstellung – sowohl in Bezug auf die Position, in der Ursula Glück gelegen haben soll, als auch auf den Ablauf der Tatnacht. Zudem zweifeln die Ermittler daran, dass Tesler in der Dunkelheit den angeblichen Täter so genau erkennen kann.
Die Ermittler beschaffen sich vor ihrer Reise ein Vergleichszelt. Dabei zeigt sich: Teslers Darstellung, der Täter habe den Zelteingang mit nur einer Hand geöffnet und in der anderen die Pistole gehalten, ist höchst unwahrscheinlich. Denn das Zelt verfügt über mehrere Reissverschlüsse – einen für das Aussenzelt, zwei für das Innenzelt – deren Bedienung in der Regel beide Hände erfordert.
Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld
Teslers Behauptung, er hätte als Täter ein zweites Mal geschossen, um sicherzugehen, dass seine Frau tot ist, erscheint haltlos – denn ein zweiter Schuss hätte seiner eigenen Version widersprochen, wonach der Täter gar nicht die Absicht gehabt habe, zu schiessen.
Vielmehr spricht vieles dafür, dass Glück sofort bewusstlos ist und Tesler davon ausgeht, sie sei tot. Die Tatwaffe entsorgt er umgehend. Als er merkt, dass sie noch lebt, muss er hoffen, dass sie in den kommenden Stunden stirbt.
Am 8. Januar 2001 beginnt vor dem Schwurgericht München I der Prozess gegen Tesler. Die Hauptverhandlung ist aufwendig und teuer – rund 300.000 Euro entstehen an Kosten, die Ausgaben der Justiz nicht mitgerechnet.
Über ein Jahr hinweg zieht sich der Prozess, an insgesamt 56 Tagen wird verhandelt. Am 22. Januar 2002, exakt fünf Jahre nach Teslers erster Vernehmung, fällt das Urteil: lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. An Teslers Täterschaft hat die Kammer keinen Zweifel – doch er gesteht die Tat bis heute nicht.
Verwendete Quellen:
- Dr. Mark Benecke: "Mordspuren"