Cox´s Bazar Distrikt, Bangladesch: Hunderttausende fliehen aus Myanmar über die Grenze. Weder die verminte Grenzregion noch schwere Verletzungen wie Schusswunden halten die Rohingya auf. Ihre Geschichten ähneln sich: Von Folter und einem Massaker an der Zivilbevölkerung ist die Rede. Was sind die Hintergründe der gewaltsamen Vertreibung?

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In Myanmar eskaliert seit Ende August wieder die Gewalt im Bundesstaat Rakhine. Seit dem 25. August sind über 350.000 Rohingya in das überwiegend muslimische Nachbarland Bangladesch geflohen. Rohingya-Rebellen griffen laut Regierungsangaben Polizei- und Militärposten an, worauf die Armee mit einer "Räumungsaktion" reagierte.

Die Regierung Myanmars, an ihrer Spitze Aung San Suu Kyi, führt nach eigenen Angaben einen Kampf gegen Terroristen. Ausländische Kritiker, darunter der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, sehen Anzeichen einer "ethnischen Säuberung".

Wer sind die Rohingya?

Die Rohingya sind eine überwiegend muslimische Minderheit. Etwa 1,1 Millionen Rohingya leben vor allem in Rakhine, eine Verwaltungseinheit im Westen von Myanmar, die an der Grenze zu Bangladesch liegt.

Ihre Herkunft ist bis heute nicht abschliessend geklärt. Die Theorien reichen von arabischen Kaufleuten und eingewanderten Bengalis, über Nachfahren des Königreichs Arakan, das heutige Rakhine, bis hin zu deportierten Bengalis, die im 16. und 18. Jahrhundert angesiedelt wurden. Fest steht jedoch, dass die Rohingya seit vielen Generationen in Myanmar leben.

Mit der Entlassung aus der britischen Kolonialherrschaft 1948 erhielten die Rohingya einen Status als Minderheit. Gesetze der Militär-Junta zu den anerkannten "nationalen Rassen" aus dem Jahr 1982 entzogen den Rohingya jedoch ihre Staatsbürgerschaft und viele weitere Rechte.

Worin besteht der Konflikt?

An der ungeklärten Herkunft entzündet sich der gewaltsame Konflikt: Die Rohingya sehen sich als Bewohner Myanmars, die sich bereits vor über 1.000 Jahren in der Region angesiedelt haben. Die überwiegend buddhistische Bevölkerung, getrieben von nationalistischen Mönchen, sieht sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch.

Bis heute werden sie von der Regierung in Myanmar nicht als Staatsbürger anerkannt. Eine "White Card" erlaubte der Mehrheit der Rohingya eine Zeit lang zu wählen und andere Bürgerrechte wahrzunehmen. Diese wurde ihnen mittlerweile wieder abgenommen.

Dadurch sind die Rohingya eine Minderheit ohne Staatsangehörigkeit und Rechte: Sie sind komplett von der übrigen Bevölkerung isoliert, müssen in Camps leben oder illegal fliehen. Sie dürfen sich nicht frei bewegen, haben kaum Zugang zu Arbeit, Schulen oder Gesundheitsversorgung.

Seit wann kommt es zu Gewaltausbrüchen und Flucht?

Der Konflikt schwelt bereits seit Jahrzehnten in Myanmar. Deshalb kommt es immer wieder zu Flüchtlingsströmen in das benachbarte Bangladesch, Pakistan, Thailand oder Saudi-Arabien.

Doch auch in diesen Ländern will die Staatenlosen niemand so richtig haben. Insbesondere Bangladesch, das ähnlich mit Armut zu kämpfen hat wie Myanmar, ist mit der grossen Anzahl an Flüchtlingen überfordert.

Rückführungsaktionen der Flüchtlinge sind durch Berichte von massiven Menschenrechtsverletzungen bedroht.

Wie kam es zur aktuellen Eskalation?

Schon seit 2012 eskaliert der schwelende Konflikt zusehends. Nationalistische, buddhistische Mönche attackierten, verfolgten und vertrieben die muslimische Minderheit. Es kam zu Überfällen, Plünderungen und Massakern mit Hunderten Toten. Ganze Strassenzüge wurden vom wütenden Mob niedergebrannt, über 150.000 Rohingya mussten in Flüchtlingscamps umsiedeln.

Auf der anderen Seite hat sich eine Gruppe Rohingya-Aufständischer gegründet, die mit militanten Aktionen für die Rechte der Minderheit kämpfen. Der Übergriff auf Polizei- und Militärposten Ende August gipfelte in einer neuen Welle der Gewalt.

Dem Angriff der Rebellen antwortete das Militär mit einem Rundumschlag gegen die gesamte Bevölkerung der Rohingya und löste damit die Flucht von über 350.000 Rohingya aus.

Gibt es eine friedliche Lösung?

Friedensnobelpreisträgerin und heutige Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat lange Zeit zu den Vorfällen geschwiegen. Nach den neuesten Vorfällen signalisiert sie erstmals Bereitschaft zur Hilfe.

Die Rohingya-Rebellen haben nach zweiwöchigen Kämpfen eine einseitiege Waffenruh ausgerufen. Diese soll einen Monat gelten und den Hilfsorganisationen ermöglichen, zu den Not leidenden Menschen vorzudringen.

Laut Einschätzung der Vereinten Nationen läuft den Rohingya jedoch die Zeit weg. Auf der Seite von Myanmar werden sie gejagt, in Flüchtlingscamps auf beiden Seiten sind sie grossen Gefahren ausgesetzt, Bangladesch hat die Grenze geschlossen und vermint.

Dennoch fliehen Frauen und Kinder, die 80 Prozent der Flüchtenden ausmachen, über Minenfelder oder mit Booten über den Grenzfluss. Die UN vermuten schon jetzt mehr als 1.000 Opfer.

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