Im Jahr 2003 verschwindet eine Boeing 727 nach dem Start von einem afrikanischen Flughafen spurlos. Der Transponder ist deaktiviert, das gigantische Flugzeug bleibt verschollen. Es gibt verschiedene Theorien, was mit ihm und den Männern an Bord passiert sein könnte.

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Am Abend des 25. Mai 2003 rollt auf dem Flughafen Quatro de Fevereiro in der angolanischen Hauptstadt Luanda plötzlich eine Boeing 727-223 auf die Startbahn. Ohne Flugfreigabe, ohne Funkkontakt zum Tower, ohne Beleuchtung und mit deaktiviertem Transponder hebt die Maschine ab – und ist seitdem wie vom Erdboden verschluckt.

Über die Hintergründe des Verschwindens der 40 Meter langen, 30 Meter breiten und rund 100 Tonnen schweren Boeing gibt es umgehend zahlreiche Spekulationen: Ist sie abgestürzt – unbemerkt und fernab jeder Radarüberwachung? Handelt es sich um Versicherungsbetrug? Wird sie heimlich weiterverkauft? Oder ist mit ihr gar ein terroristischer Anschlag geplant?

Letzteres bereitet den US-amerikanischen Sicherheitsbehörden zum damaligen Zeitpunkt die grösste Sorge, wie US-Autor Tim Wright 2010 in einer ausführlichen Recherche für das "Smithsonian Magazine" herausfindet. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 liegen noch keine zwei Jahre zurück, die Angst vor einer fliegenden Bombe ist allgegenwärtig. Besonders brisant: Die Boeing ist zuvor von einem Passagier- in ein Transportflugzeug umgerüstet worden – ausgestattet mit zehn 500-Gallonen-Tanks, also insgesamt fast 19.000 Liter Fassungsvermögen –, um Diesel in angolanische Diamantenminen zu liefern.

Doch die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich nicht. 2005 stellt das FBI die Ermittlungen ergebnislos ein.

Zwischen 1975 und 2001 steht die Boeing im Dienst von American Airlines. Sie trägt die typische silberne Farbe der Airline, versehen mit einem blau-weiss-roten Längsstreifen. Am Heck prangt deutlich sichtbar die Kennung "N844AA". Fachleute sind sich einig: Mit einem frischen Anstrich und einer neuen Registrierung lässt sich die Maschine problemlos tarnen und ihre frühere Identität nahezu vollständig auslöschen.

Wurde das Flugzeug entführt – und wenn ja, von wem?

Drei Namen tauchen im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Boeing immer wieder auf: Ben Charles Padilla, Maury Joseph und Jeff Swain. Padilla ist ein US-amerikanischer Flugzeugmechaniker und arbeitete damals in Luanda für das in Florida ansässige Unternehmen Aerospace Sales and Leasing. Eigentümer dieser Firma ist Maury Joseph – ihm gehört auch die verschwundene Boeing. Er plant, das Flugzeug an Jeff Swain weiterzuverkaufen.

Zum Zeitpunkt des Verschwindens befinden sich Padilla und sein kongolesischer Helfer John Mikel Mutantu an Bord der Maschine. Sie hatten das Flugzeug zuvor gemeinsam mit angolanischen Mechanikern wieder flugtauglich gemacht. Doch waren die beiden in der Lage, die Boeing 727 zu fliegen? Daran bestehen erhebliche Zweifel. Padilla verfügt lediglich über eine Privatpilotenlizenz, Mutantu ist gar kein Pilot. Für die Steuerung einer Boeing 727 ist jedoch eine erfahrene dreiköpfige Cockpitbesatzung erforderlich.

Wer flog die Maschine also wirklich? Könnten sich bereits Personen an Bord befunden haben, die das Flugzeug übernahmen – und Padilla und Mutantu womöglich töteten?

Unterschiedliche Aussagen über Ben Charles Padilla

Padilla selbst gilt als undurchsichtige Figur. In Florida lebt er mit seiner Verlobten und zwei Kindern. Kurz vor seinem Verschwinden erteilt er seiner Verlobten eine Generalvollmacht, bestimmt sie zur Testamentsvollstreckerin – und überschreibt ihr nahezu seinen gesamten Besitz.

Über die Arbeitseinstellung des damals 50-Jährigen gehen die Meinungen auseinander. Während Joseph, der ihn schätzt und ihm vertraut, seine Arbeit lobt, ist Swain, für den Padilla Ende der Neunzigerjahre tätig ist, weniger begeistert. "Er war zu sehr damit beschäftigt, den einheimischen Mädchen nachzujagen. Es herrschte eine unstrukturierte Atmosphäre – und er driftete einfach ab", wird Swain von Autor Tim Wright zitiert. Padilla soll Swain zufolge ein Märchenerzähler gewesen sein.

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Flugzeug verkommt auf dem Flughafen in Luanda

Ein Blick zurück ins Jahr 2002: Damals arrangiert Joseph einen Deal mit dem südafrikanischen Unternehmer Keith Irwin, der das Flugzeug für etwas mehr als eine Million US-Dollar übernehmen soll. Eine Anzahlung von 125.000 US-Dollar wird geleistet, doch danach gerät der Geldfluss ins Stocken - offenbar auch deshalb, weil Irwin selbst mit windigen Geschäftspartnern zu tun hat.

Nach weiteren Schwierigkeiten – Irwins Geschäftspartner versäumen es, eine Landegenehmigung zu organisieren – landet die Boeing am 14. März 2002 schliesslich auf dem Flughafen Quatro de Fevereiro in Luanda.

Innerhalb weniger Monate verliert die Boeing erheblich an Wert – einzig die Triebwerke sind noch in einem sehr guten Zustand. Joseph findet nach dem geplatzten Deal mit Irwin schliesslich in Jeff Swain einen neuen Käufer. Im April 2003 beauftragt er Padilla, nach Angola zurückzukehren, um ausstehende Gebühren zu begleichen und Mechaniker anzuheuern, die die 727 wieder flugtauglich machen sollen.

Maury Joseph erfährt erst einen Tag später vom Verschwinden

Padilla arbeitet mit der in Luanda ansässigen Fluggesellschaft Air Gemini zusammen, die über eine eigene Wartungsstation verfügt. Laut Joseph verläuft die Reaktivierung des Flugzeugs vielversprechend. Im Mai 2003 beauftragt Padilla im Auftrag von Joseph zwei Crewmitglieder – einen Piloten und einen Kopiloten von Air Gemini – mit der Überführung der Boeing nach Johannesburg, wo Joseph mit Swain auf das Flugzeug wartet. Kurz vor dem geplanten Abflug vereinbaren Padilla und Air Gemini, die Maschine aus dem Hangar auf das Hauptrollfeld zu bringen, um dort einen Triebwerkstest unter Volllast durchzuführen.

Vom plötzlichen Verschwinden der Boeing erfährt Joseph erst einen Tag später durch den Anruf eines empörten Air-Gemini-Mitarbeiters, der wissen will, warum ein anderes Team das Flugzeug aus dem Land geflogen hat. Alarmiert kontaktiert Joseph daraufhin sowohl die US-Botschaft in Südafrika als auch über seine Frau das FBI.

Der US-Geheimdienst zieht unter anderem die Möglichkeit eines Versicherungsbetrugs in Erwägung, um das Verschwinden des Flugzeugs zu erklären. Die Versicherungssumme soll ein Vielfaches des Verkaufswerts betragen haben. Joseph selbst gerät unter Verdacht, da er in den 1990er-Jahren wegen der Fälschung von Finanzberichten und dem Betrug von Investoren zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Swain nimmt Joseph jedoch in Schutz: "Niemand war überraschter von dieser Situation als Maury", sagt er gegenüber Tim Wright und berichtet, dass Joseph nach dem Anruf des Air-Gemini-Mitarbeiters völlig verwirrt gewesen sei.

Viele unbeantwortete Fragen

Es gibt in der Folge mehrere Meldungen von angeblichen Sichtungen der Maschine. Ein kanadischer Pilot glaubt beispielsweise, am 28. Juni 2003 in Conakry (Guinea) die verschwundene Boeing 727 mit veränderter Kennung, aber noch lesbaren Teilen der alten Registrierung gesehen zu haben.

Spätere Berichte deuten auf eine Verwechslung mit einer anderen ausrangierten Boeing 727 hin, die eine ähnliche Kennung trägt und im Dezember 2003 in Benin abstürzt. Das FBI stellt schliesslich fest, dass es sich bei dem verunglückten Flugzeug nicht um die vermisste Maschine handelt. Auch alle anderen Meldungen liefern keine heisse Spur.

Und so bleiben auch mehr als 20 Jahre nach dem mysteriösen Vorfall viele Fragen unbeantwortet. Die Boeing 727 zählt zu den grössten Flugzeugen, die jemals spurlos verschwunden sind.

Verwendete Quellen: