Habgierig, verlogen, fresssüchtig - das ist nur eine Auswahl dessen, was Natascha Kampusch im Internet schon geschimpft wurde. Seit ihrer Befreiung nach jahrelanger Entführung wird sie im Netz immer wieder angefeindet. Mit einem Buch will sie auf die Problematik aufmerksam machen und Lösungen anstossen.

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Natascha Kampusch wird seit ihrer Flucht aus einem Kellerverlies in sozialen Medien und Online-Foren beschimpft und beleidigt. Viele User hätten ihr den Tod gewünscht, sagte die 31-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Wien. "Am meisten getroffen hat es mich immer, wenn gesagt wurde, dass meine Gefangenschaft nur ein Spaziergang gewesen wäre."

In ihrem am Mittwoch erscheinenden Buch "Cyberneider. Diskriminierung im Internet" will Kampusch ihre Erfahrungen teilen und fordert härtere Strafen für Cyber-Mobber.

Natascha Kampusch wünscht sich "Internet-Polizei"

Eine international agierende "Internet-Polizei" schwebt Kampusch vor, die bei Vergehen sofort eingreifen und Betroffenen helfen soll. Vor allem Frauen würden im Internet häufig zum Ziel von Mobbern werden. Opfer sollten die Angriffe nicht still ertragen, sondern vielmehr dokumentieren und Behörden einschalten, rät die Wienerin.

Kampusch war als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller gefangengehalten worden. Im August 2006 gelang der damals 18-Jährigen die Flucht. Stunden später brachte sich der Entführer um.

Sie plant schon das nächste Buch

Dass sie sich nicht als gebrochenes Opfer in der Öffentlichkeit zeige, werde ihr seit ihrer Selbstbefreiung immer wieder vorgeworfen. "Sie sehen mich lächeln und kommen gar nicht auf die Idee, dass ich mich, gerade weil ich so viel Schreckliches durchgemacht habe, so freue, auf der Welt zu sein und meine Freiheit zu geniessen", schreibt Kampusch.

Ihr Drama will sie auch mit ihrer neuen Aufgabe als Autorin bewältigen. Ein weiteres Buch sei ebenfalls angedacht. Das Thema wollte Kampusch aber noch nicht verraten. Zudem arbeite sie mit Organisationen zusammen, die sich für Menschen einsetzen, die Diskriminierung im Netz erfahren.

"Man hat mich schon habgierig, mediengeil, verlogen oder fresssüchtig geschimpft", schreibt Kampusch in ihrem dritten Buch. Sie habe lange gebraucht, um sich von diesen Worten nicht mehr verletzen zu lassen. Wieso ihr so viel Hass entgegenschlage, habe sie aber bis heute nicht verstanden.

Hasstiraden keinen Raum geben

Die Angst, von anderen instrumentalisiert zu werden, sei ein ständiger Begleiter für sie geworden. Oft bemerke sie auch, dass Passanten auf der Strasse heimlich Fotos von ihr machten, die später in Medien wieder auftauchten.

Kampusch, die selbst auf Twitter und Instagram aktiv ist, wolle sich aber trotz der negativen Seiten nicht gänzlich von sozialen Medien fernhalten. Sie erhalte auch positive Zusendungen und entdecke gerne Menschen mit interessanten Hobbys und Berufen im Internet. Zudem sehe sie ihre Herzensthemen Umwelt- und Tierschutz im Aufwind. "Ich finde es sehr positiv, dass sich jetzt so viele für Umweltschutz engagieren", sagte Kampusch.

Auf bösartige oder verletzende Zitate ihr gegenüber aus dem Netz habe sie auf den 192 Seiten ihres Buches bewusst verzichtet. "Allerdings habe ich mich dafür entschieden, keiner dieser Hasstiraden unnötig Raum zu geben, denn den haben sich ihre Verfasser wahrlich nicht verdient." (dpa/mcf)

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