Einen Tag nach dem Anschlag auf Moscheen in Christchurch ist das Entsetzen immer noch gross. Neuseelands Premierministerin nennt neue Details zu den Opfern und berichtet, dass der Todesschütze weitere Morde geplant hatte. Inzwischen hat sich die Zahl der Getöteten auf 50 erhöht.

Mehr Panorama-Themen finden Sie hier

Nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch hat sich die Zahl der Getöteten auf 50 erhöht. Dies gab die Polizei auf einer Pressekonferenz am Sonntagmorgen (Ortszeit) in der Hauptstadt Wellington bekannt. Das 50. Todesopfer sei in einer der beiden Moscheen gefunden worden.

Auch die Zahl der Verletzten wurde nach oben korrigiert. Von insgesamt 50 Verletzten befänden sich noch 36 im Krankenhaus, teilte die Polizei mit. Zwei von ihnen seien in einem kritischen Zustand.

Anschlag in Christchurch: Todesschütze hatte weitere Morde geplant

Der Todesschütze von Christchurch hat nach Regierungsangaben weitere Morde geplant. "Er hatte absolut die Absicht, seine Attacke fortzuführen", sagte Premierministerin Jacinda Ardern am Samstag bei einem Besuch in der neuseeländischen Grossstadt. Der mutmasslich rechtsextremistische Täter hatte dort am Freitag in zwei Moscheen 49 Menschen erschossen, darunter mehrere Kinder. Nachdem er die zweite Moschee verlassen hatte, wurde er in seinem Auto von der Polizei gestoppt. Im Wagen wurden zwei weitere Feuerwaffen und Sprengstoff sichergestellt.

Ardern kam in Christchurch auch mit Vertretern der muslimischen Gemeinschaft zusammen. Vermutet wird, dass es sich bei allen 49 Todesopfern um Muslime handelt. Darunter sind auch Flüchtlinge, die erst vor kurzem etwa aus Syrien nach Neuseeland gekommen waren.

Dem mutmasslichen Täter, einem 28 Jahre alten Australier, wird vielfacher Mord zur Last gelegt. Er sitzt nun in einem Untersuchungsgefängnis. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen scheint er die Schüsse in den Moscheen alleine abgefeuert zu haben. Die Polizei wollte am Sonntagvormittag (Ortszeit/Samstag 21.30 Uhr MEZ) weitere Informationen mitteilen.

Mitglied in einem Schützenverein

Als Reaktion auf den brutalsten Anschlag in der jüngeren Geschichte Neuseelands will die Regierung die Waffengesetze verschärfen. Ardern sprach abermals von einem "terroristischen Akt". Der Verdächtige, der seit mehreren Jahren in Neuseeland lebt, hatte einen Waffenschein. Er war auch Mitglied in einem Schützenverein.

Insgesamt 39 Menschen lagen am Samstag noch mit Schusswunden in verschiedenen Krankenhäusern der neuseeländischen Grossstadt. Elf davon befanden sich in Intensivbehandlung. Ardern besuchte auch ein Flüchtlingsheim mit Muslimen. Dabei sagte sie: "Neuseeland ist in Trauer vereint." Der Pazifikstaat mit knapp fünf Millionen Einwohnern blieb bislang von Terrorismus und Amokläufen weitgehend verschont.

Christchurch steht immer noch unter Schock. In der Nähe der Tatorte legten viele Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Insgesamt war es in der Stadt jedoch viel ruhiger als an normalen Samstagen. Viele Geschäfte blieben geschlossen. Mit etwa 50 000 Gläubigen - darunter viele Einwanderer aus Staaten wie Pakistan und Bangladesch - sind Muslime in Neuseeland eine Minderheit.

Nach bisherigem Ermittlungsstand drang der Täter zunächst in die Al-Nur-Moschee ein, in der sich mehr als 300 Menschen zum Freitagsgebet versammelt hatten. Dort schoss er mit mindestens zwei Schnellfeuerwaffen um sich und tötete 41 Menschen. Ardern zufolge hatte er die Waffen manipuliert, um die Schusskraft zu erhöhen.

Anschliessend fuhr er zu einer zweiten Moschee und brachte dort acht weitere Menschen um. Mit einer Helmkamera filmte er die Tat und übertrug sie live ins Internet. Das Video ist 17 Minuten lang.

Kritik von AKK

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte Teile der Diskussion in den sozialen Netzwerken nach der Attacke, wo das Video von dem Anschlag im Netz vielfach geteilt wurde, obwohl die Plattformen es irgendwann gelöscht hatten. Das sei nichts anderes, "als unschuldige Menschen ein zweites Mal zu töten".

Nach Angaben der neuseeländischen Polizei vergingen vom ersten Alarm bis zur Festnahme 36 Minuten. Unklar blieb, ob zwei andere Verdächtige, die ebenfalls schon am Freitag festgenommen wurden, mit dem Australier in Kontakt standen.

Im Internet kursiert auch ein 74-seitiges "Manifest" mit rechtsextremen Parolen, das von dem Australier stammen soll. Die Ermittler bestätigten bislang allerdings nicht, dass er tatsächlich der Urheber des Schreibens ist.

Zu dem Gerichtstermin wurde der mutmassliche Täter in Handschellen und weisser Häftlingskleidung vorgeführt. Dabei zeigte er das "Okay"-Zeichen in die Kameras, wie es in der englischsprachigen Welt verbreitet ist: Daumen und Zeigefinger zusammengehalten, die anderen Finger abgespreizt. Nach neuseeländischen Medienberichten äusserte er sich nicht zu den Vorwürfen. Der nächste Gerichtstermin ist am 5. April vorgesehen.

"Ich bin ein Monster der Willenskraft"

Die Zeitung "The Australian" (Samstag) berichtete, dass der ehemalige Fitness-Trainer schon früher merkwürdige Kommentare von sich gegeben habe. In einem Online-Eintrag von 2011 habe er über sich geschrieben: "Ich bin ein Monster der Willenskraft. Ich brauche nur ein Ziel."

Als Konsequenz aus dem Anschlag verschärft Neuseeland das Waffenrecht. "Unsere Waffengesetze werden sich ändern", kündigte Ardern an. In dem Pazifikstaat darf man bislang nach einer Überprüfung durch die Behörden schon mit 16 Jahren Waffen besitzen. Dazu benötigt man einen Waffenschein, muss die Waffen aber nicht alle einzeln anmelden.

Balkanreisen des mutmasslichen Täters legen ideologische Verbindungen nach Europa nahe. Das Video zeigt auf Waffen des Täters geschriebene Namen von Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen, darunter mehrere auf dem Balkan. Nach Angaben der bulgarischen Justiz war der Mann 2016 und 2018 unter anderem in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Bulgarien.

(dpa/fra)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © /kyodo/dpa