"Ich bin nicht mehr Papst, ich bin lediglich ein Pilger, der den letzten Schritt auf seiner Pilgerreise antritt …", so formulierte es Benedikt XVI. während seiner letzten öffentlichen Ansprache als Papst in Castel Gandolfo. Am späten Nachmittag war er mit dem Hubschrauber aus Rom zu seinem neuen Wohnsitz aufgebrochen, wo er die nächsten Monate zubringen wird. Wir folgen den Spuren eines überraschenden Rücktritts - dem ersten freiwilligen Abdanken eines Papstes seit mehr als 700 Jahren.

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Die Anfänge

Seit 1981 lebte Joseph Kardinal Ratzinger als Kurienkardinal in Rom, wo er vom damaligen Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt wurde. Er wurde dessen Vertrauter und erst Subdekan (1998) und später Dekan (2002) des Kardinalskollegiums. 2005 zelebrierte er für den schwerkranken Johannes Paul die Ostermesse. Nach dessen Tod leitete er als Dekan das Konklave und wurde am 19. April des Jahres zum 265. Papst gewählt.

Als Papst entscheidet er sich für den Namen Benedikt XVI., einerseits in Erinnerung an Benedikt von Nursia, den Gründer des Benediktinerordens, andererseits an zwei Vorgänger, die Päpste Benedikt XIV. und Benedikt XV. Beide waren wie er konservativ in Fragen kirchlicher Dogmen, aber aufgeschlossen gegenüber weltlicher Bildung.

Joseph Kardinal war vor seiner Wahl zum Papst länger als 20 Jahre Roms "oberster Glaubenshüter" und mächtigster Mann hinter Johannes Paul II. In einer von Krisen geschüttelten Zeit kam er auf den Heiligen Stuhl, was erklärtermassen nicht sein Wunsch gewesen war.

Es wurde in den kommenden knapp acht Jahren keine "Ära Benedikt", dazu war die Zeitspanne als Papst wohl nicht lang genug. Und "Benedetto" stellte keines der katholischen Dogmen wie Zölibat, Empfängnisverhütung oder Abtreibung in Frage.

Missbrauchsskandal

Das Wissen um sexuellen Missbrauch von Kindern innerhalb der katholischen Kirche und die Auseinandersetzung damit waren lange Zeit verschleiert, verdrängt und vertuscht worden. Als dann ausgehend von Fällen in den USA 2010 auch immer mehr Beispiele in Irland, Deutschland und Österreich an die Öffentlichkeit kamen - sie lagen teilweise Jahrzehnte zurück - wurde auch Kritik am Pontifex und dem langen Schweigen aus Rom laut.

Benedikt stellte sich dem Skandal mit einem kompromisslosen "Null Toleranz"-Ansatz und machte deutlich, dass die Kirche die Kinder, nicht die pädophilen Priester schützen müsse. "Auch wir bitten Gott und die betroffenen Menschen inständig um Vergebung und versprechen zugleich, dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen", bat er im Juni 2010 auf dem Petersplatz vor etwa 15.000 Priestern öffentlich um Verzeihung, verteidigte jedoch das Sakrament des Zölibats.

Regensburger Rede

Mit seiner sogenannten Regensburger Rede hat der Papst 2006 die islamische Welt irritiert und verärgert. Beim Zitieren eines byzantinischen Kaisers aus einer mittelalterlichen Quelle fielen auch die Sätze: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten." Das Befremden ist nachvollziehbar, wenn man diese Aussage als seine Meinung missversteht. Benedikt entschuldigte sich ausdrücklich und ermöglichte so ein neues Kapitel im katholisch-muslimischen Dialog.

Pius-Bruderschaft

Die Rücknahme der Exkommunikation von vier Piusbischöfen durch Benedikt XVI. hat 2009 für einen Aufschrei des Entsetzens gesorgt. Zu den betreffenden Mitgliedern der umstrittenen erzkonservativen Bruderschaft gehörte nämlich auch Richard Williamson, bekannt geworden als Holocaust-Leugner. 2012 wurde Williamson aus der Bruderschaft ausgeschlossen.

"Vatileaks"

Schon seit 2006 soll Paolo Gabriele, Kammerdiener Benedikts XVI., Interna aus dem Vatikan weitergebenen haben, angeblich, um damit im Sinne des Papstes Verschwörungen aufzudecken. Die Affäre um eine homosexuelle Lobby, Geldgeschäfte, Günstlingswirtschaft und Korruption hinter den heiligen Mauern hat als "Vatileaks" für Wirbel gesorgt. Einige Medien, wie die italienische Zeitung "La Repubblica", mutmassten sogar, Benedikt habe letztlich wegen "Vatileaks" hingeschmissen.

Dieser hatte 2012 drei Vertraute, die Kardinäle Julián Herranz, Jozef Tombo und Salvatore De Giorgi um Aufarbeitung des Skandals gebeten. Mitte Dezember sollen sie ihren 300-Seiten-Geheimreport geliefert haben. Ist der Papst also von den schweren Grabenkämpfen innerhalb der römischen Kurie so erschöpft, dass er sein Amt zur Verfügung gestellt hat?

Rücktritt

Am 11. Februar kündigte Benedikt überraschend seinen Rücktritt zum Ende des Monats an, als Grund nannte er seine schwindenden Kräfte. Der letzte grosse öffentliche Auftritt war eine Generalaudienz am 27. Februar, mit der er Abschied von der Öffentlichkeit genommen hat. Das Interesse war riesig, Zehntausende kamen auf den Petersplatz, darunter viele Pilger aus aller Welt. Seit dem 28. Februar um 20.00 Uhr herrscht Sedisvakanz.

Und nun?

Benedikt hat die Kurie vor unvorhergesehene Fragen gestellt, so die um seinen Titel nach dem Rücktritt. Laut Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gibt es verschiedene Möglichkeiten: "Emeritierter Papst", "Römischer emeritierter Pontifex" oder auch "Eure Heiligkeit" sind denkbar. Er trägt nun einen einfachen weissen Talar. Und er ist nicht allein: Die zwei Privatsekretäre Georg Gänswein und Alfred Xuereb sowie vier Laienschwestern begleiten ihn beim Rückzug.

Aktuell sind im Vatikan die Kardinäle zur Generalkongregation in Vorbereitung auf die Neuwahl zusammengekommen. Es gilt, nichts "übers Knie zu brechen". Nachdem organisatorische Fragen geklärt sind, könnte das Konklave am 11. März starten. Spätestens Ostern soll der Nachfolger-Papst gefunden sein.

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