Vor sieben Jahren wurde Papst Franziskus zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt. Liberale erhofften sich damals von ihm grosse Veränderungen, Konservative fürchteten sie. Der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli erklärt, in welchen Bereichen Franziskus radikal anders ist als seine Vorgänger - und warum er die grossen Reformhoffnungen trotzdem enttäuscht hat.
Als Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 zum neuen
Die Reformhoffnung wurde dadurch genährt, dass Papst Franziskus anders ist als alle Päpste, die es vor ihm gab: Der 266. Papst ist der erste, der nicht aus Europa stammt – Bergoglio wurde in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geboren. Er ist der erste Papst, der dem Jesuiten-Orden angehört, der für sein Armuts-Gelübde bekannt ist. Ausserdem hatte Franziskus vor seiner Wahl kein Amt im Vatikan inne, kam also als Aussenseiter an die Spitze des Gottesstaates.
Die ideale Kombination, um im Vatikan aufzuräumen und die katholische Kirche strukturell und inhaltlich im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen, wie viele Gläubige mit liberalen Ansichten meinten. "Die Idee war, dass ein nichteuropäischer Papst Reformen mutiger angehen würde als seine Vorgänger", erklärt der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli. Aber: "Während einige Katholiken sich grosse Veränderungen herbeisehnten, fürchteten konservative Gläubige sie."
Zeichen des Aufbruchs
In der Tat setzte Franziskus vor allem zu Beginn seines Pontifikats medienwirksam viele erfrischende Akzente, die ihn von seinen Vorgängern abhoben. Er begeisterte die Menschen durch seine demonstrative Bescheidenheit, indem er etwa bei seiner ersten Vorstellung nach seiner Wahl zum Papst auf Goldschmuck und prunkvolle Gewänder verzichtete und mit einem schlichten weissen Gewand und seinem alten Metallkreuz vor die wartenden Gläubigen trat. Bis heute lebt er in einem Gasthaus des Vatikans und geht jeden Tag zu Fuss in den Palast, in dem sich die päpstlichen Gemächer befinden und seine Sekretäre leben.
Zu Franziskus‘ Beliebtheit trug auch sein Charisma bei sowie sein feines Gespür für Themen, die die Menschen bewegen. "Er hat starke Botschaften etwa zu Migration, Nationalismus, Umweltschutz und Kapitalismus gesandt", sagt Faggioli. So stellte er etwa in seiner zweiten Enzyklika Laudatio si‘, die 2015 veröffentlicht wurde, den Umwelt- und Klimaschutz in den Mittelpunkt, forderte das Ende der Nutzung fossiler Energien wie Kohle und Erdöl und erklärte die Energiewende zu einer moralischen Notwendigkeit.
Ein weiteres wichtiges Anliegen von Papst Franziskus ist das Thema der sozialen Gerechtigkeit. So übte er während seines Pontifikats mehrfach scharfe Kritik am Kapitalismus und dem neoliberalen Wirtschaftsmodell und berief zuletzt die Konferenz "The Economy of Francesco" ein, die sich damit beschäftigen wird, wie eine gerechtere und nachhaltige weltweite Wirtschaftsordnung ermöglicht werden kann.
Franziskus hat die Kirche weniger ideologisch gemacht
Faggioli bezeichnet die Enzyklika als "unglaublich wichtiges Dokument" von Franziskus, das sich dadurch auszeichnet, dass es nicht nur "vage Positionen" benennt, sondern klar Stellung bezieht. Der Kirchenhistoriker glaubt aber, dass seine Veröffentlichung auch einen Wendepunkt in Franziskus‘ Pontifikat markiert. "Anschliessend hat er die Grenze dessen erreicht, wie weit er im Namen der Kirche gehen will."
"Nach sieben Jahren kann man sagen, dass Franziskus sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er die Kirche weniger ideologisch und abstrakt gemacht hat und dafür sorgt, dass sie sich mehr mit Problemen des echten Lebens auseinandersetzt", resümiert Faggioli. Franziskus‘ Stil sei es, Mentalitäten zu verändern. Allein in diesem Sinn könne er als liberaler Papst gelten. "Doch er hat in den vergangenen sieben Jahren keine strukturellen Veränderungen in der Kirche vorgenommen und ich glaube nicht, dass er dies in der Zukunft tun wird."
Denn Papst Franziskus spricht zwar radikal anders als die Päpste vor ihm, änderte aber nichts an den Rahmenbedingungen. Dieses Muster zeigt sich bei wichtigen Themen wie den Fragen, ob Frauen eine grössere Rolle in der katholischen Kirche zugesprochen werden sollte oder es eine Lockerung des Priesterzölibats geben kann. Beiden Fragen erteilte Franziskus zuletzt klare Absagen. "Auch die lange erwartete Reform der römischen Kurie, also der Organisationsstruktur der katholischen Kirche, hat er bisher nur vertagt, dabei ist sie meiner Ansicht nach dringend notwendig", erklärt Faggioli.
Kein Interesse an tiefgreifenden Reformen
Ein weiterer Aspekt, bei dem eine Reform von Franziskus erwartet worden war, ist die formelle Öffnung der Kirche für homosexuelle Paare. "Der Papst hatte Hoffnungen auf Veränderungen in diesem Bereich genährt, indem er homosexuellen Paare empfing und eine Abkehr von dem traditionell katholischen Familienbild signalisierte. Doch anschliessend erklärte er deutlich, dass die gleichgeschlechtliche Ehe vor Gott niemals die gleiche Rolle wie die Ehe zwischen Mann und Frau einnehmen könne", erklärt Faggioli.
Die Vorteile von Franziskus seien sein Charisma und seine Glaubwürdigkeit, die er dazu einsetze, die Geisteshaltung in der Kirche zu verändern. An einer Reform der Strukturen sei er jedoch nicht interessiert, fasst Faggioli zusammen. Auch Volker Riesing, Chefredakteur der unabhängigen Kirchenzeitschrift "Herder-Korrespondenz" kommentierte Franziskus‘ Pontifikat vor rund zwei Jahren bei "Zeit Online" mit einem ähnlichen Zungenschlag.
Riesing schreib, liberale und konservative Katholiken würden dem gleichen Irrtum unterliegen: "Sie meinen, der Papst versündige sich an der Kirche, weil er entweder der einen oder der anderen Gruppe mehr zuneige. In Wahrheit interessiert er sich für beide Seiten gar nicht. Franziskus ist nicht so sehr mit der Kirche und Kirchenpolitik beschäftigt, sondern mit Mission und Verkündigung."
Verwendete Quellen:
- Telefonat mit dem Kirchenhistoriker Massimo Faggioli.
- Zeit Online: "Ist Franziskus noch der Reformpapst?"
- Herder Korrespondenz: "Mentalitätswechsel notwendig"
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