- Seit Monaten steht das Erzbistum Köln von Kardinal Rainer Maria Woelki in der Kritik.
- Vorwürfen zufolge sollen dort Missbrauchsvorfälle vertuscht worden sein.
- Nun schickt der Papst eine Gruppe von Prüfern nach Köln, um den Fall zu untersuchen.
Das Sinnbild der Kölner Kirchenkrise ergibt sich am Donnerstagabend in Düsseldorf. Etwa 100 Mitglieder der Gemeinde St. Margareta haben sich dort zu einer offiziell angemeldeten Demonstration versammelt. Für viele ist es das erste Mal, dass sie so etwas tun. Menschen, die sich in einer katholischen Pfarrei engagieren, sind vom Typ her nicht gerade Revoluzzer. Aber jetzt wollen sie ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln.
Ein Wagen fährt vor, Woelki steigt aus. Die Gemeindemitglieder halten rote Karten in die Höhe. Es ist ein Protest, aber auch ein Ruf nach Aufmerksamkeit. Doch der Kardinal geht wortlos an ihnen vorüber. Eine Reporterin fragt ihn, was er der Gemeinde mitgebracht habe. Er wendet sich kurz zu ihr um und sagt: "Mich selber." Danach verschwindet er hinter einer Tür, wo er zwei Stunden mit Gemeindevertretern spricht. "Er hat uns gar nicht richtig zur Kenntnis genommen", klagt eine Demonstrantin.
Etwa 16 Stunden nach dieser Szene veröffentlicht die Apostolische Nuntiatur in Berlin - die diplomatische Vertretung des Vatikans - eine Mitteilung:
"Der Papst will mehr Informationen, mehr Material, um zu entscheiden", erläutert Vatikan-Kenner Marco Politi aus Rom der Deutschen Presse-Agentur. Die Visitation müsse man sich vorstellen wie einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Die beiden Bevollmächtigten überprüfen die Amtsführung des Ortsbischofs und sind dafür mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Bei Vatican News heisst es, Woelki dürfe nun "keine Entscheidungen mehr selbstständig treffen". Es ist eine Teil-Entmachtung - zumindest auf Zeit.
In der Vergangenheit hatte es Apostolische Visitationen unter anderem nach Missbrauchsskandalen in irischen Bistümern gegeben. Im Fall des Limburger "Protzbischofs" Franz-Peter Tebartz-van Elst hatte der Papst 2013 einen Gesandten geschickt, um nach dem Rechten zu sehen.
In Köln werden gleich vier Bischöfe in den Blick genommen: Neben Woelki geht es um den Hamburger Erzbischof Stefan Hesse, ehemals Personalchef in Köln, und um die beiden Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff. Hesse, Schwaderlapp und Puff waren im März in einem Gutachten Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen vorgeworfen worden. Die drei sind derzeit beurlaubt.
Offener Ungehorsam in der katholischen Kirche
Woelki dagegen wurde freigesprochen. An dieser Stelle hätte der 64-Jährige vielleicht noch einmal die Chance für einen Neuanfang gehabt. Er hätte dafür offensiv auf alle möglichen Gruppen im Erzbistum zugehen müssen, besonders auf den Diözesanrat, die Vertretung der praktizierenden Katholiken. Doch das geschah nicht, die sogenannten Kölner Wirren gingen weiter. "Will der Erzbischof uns normale Christinnen und Christen noch in den Gemeinden haben?", fragte der Diözesanrat.
Woelki war mit der Entkräftung immer neuer Vorwürfe beschäftigt. So kam heraus, dass er einen Pfarrer zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf befördert hatte, von dem er wusste, dass dieser Sex mit einem 17 Jahre alten Prostituierten gehabt hatte. Der Pfarrer habe eine zweite Chance verdient gehabt, sagte dazu Woelkis Stellvertreter Markus Hofmann. Ungefähr zu gleichen Zeit stellte sich Woelki hinter das Segnungsverbot des Vatikans für homosexuelle Paare - in den Augen vieler Gläubiger der Gipfel der Doppelmoral.
Früher wäre ein solches Verhalten in der katholischen Kirche wohl hingenommen worden. Mitunter wird Woelki immer noch als "Seine Eminenz" bezeichnet - das ist der unterwürfige Ton, der in Teilen der Amtskirche bis heute vorherrscht. Die Gläubigen allerdings haben sich davon mehrheitlich schon lange verabschiedet. Allein in den vergangenen Wochen gab es mehrere Akte offenen Ungehorsams: Priester segneten homosexuelle Paare, Frauen predigten in Messen.
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Dass es so wie derzeit nicht weitergehen konnte im 1700 Jahre alten Erzbistum Köln - darin schienen zuletzt fast alle übereinzustimmen. Sogar 14 der 15 Stadt- und Kreisdechanten - Regionalchefs des Erzbistums - forderten an Pfingsten in einer Mail "persönliche Konsequenzen" von Woelki. "Die Krise im Erzbistum Köln nimmt kein Ende", sagte der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken Anfang des Monats der Deutschen Presse-Agentur. Seit Januar seien im Erzbistum Köln schon mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten als sonst in einem ganzen Jahr.
Wie geht es jetzt weiter? Das könne man unmöglich vorhersagen, meint Vatikan-Experte Politi. Es werden spannende Wochen in Köln. (dpa/mko)
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