Die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine neuen Bezugskarten für Lebensmittelpakete an Ausländer zu vergeben, zieht rechtliche Konsequenzen nach sich. Die Partei "Allianz Deutscher Demokraten" hat Strafanzeige gegen den Verein und seine Vorstandsmitglieder gestellt.
Eine Partei hat Strafanzeige gegen die Essener Tafel gestellt. Weil der Verein entschieden hat, zeitweise keine neuen Bezugskarten für Lebensmittel an Ausländer zu vergeben, erfülle er nicht mehr die Bedingungen für Gemeinnützigkeit, argumentiert die "Allianz Deutscher Demokraten".
Deswegen stünden der Tafel bestimmte steuerliche Begünstigungen nicht zu. Die Partei hat nach eigenen Angaben aus diesem Grund "Strafantrag wegen dem Verdacht der Steuerhinterziehung aufgrund fehlender Gemeinnützigkeit gestellt."
Das Vorgehen der Essener Tafel sorgt bundesweit für heftige Debatten. Die Essener Tafel begründet ihre Entscheidung mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hatte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor gesagt. Bei diesen Männern habe er teilweise auch "mangelnden Respekt gegenüber Frauen" beobachtet.
Die Partei "Allianz Deutscher Demokraten" ist eine kleine Partei mit 1.560 Mitgliedern. Sie richtet sich vorrangig an türkischstämmige und muslimische Bürger. Nach Informationen des "Focus" steht sie der türkischen Regierungspartei AKP und der Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nah.
Viele Bürger haben Verständnis für Entscheidung der Essener Tafel
Das Vorgehen der Essener Tafel, die Ausgabe von Bezugskarten an Ausländer vorläufig zu pausieren, stösst in einer Umfrage bei 66 Prozent der Befragten auf Verständnis. Dagegen hätten lediglich 27 Prozent der Befragten kein Verständnis für die Massnahme geäussert, berichtete die "Welt" (Samstag) auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage, die für die Zeitung erhoben wurde. Sieben Prozent äusserten sich unentschieden.
Von den befragten Anhängern der AfD zeigten dem Bericht zufolge 97 Prozent Verständnis für den Schritt. Auch eine grosse Mehrheit der FDP-Anhänger (65 Prozent) und der Unionsanhänger können demnach den Aufnahmestopp für Ausländer nachvollziehen.
Anhänger der SPD und der Linken seien gespalten: Von den SPD-Anhängern zeigten laut Umfrage 44 Prozent Verständnis für die Entscheidung, bei den Linken-Anhängern 50 Prozent. Einzig Anhänger der Grünen stünden dem Beschluss der Essener Tafel, die Nationalität über die Aufnahme als Neukunden entscheiden zu lassen, mehrheitlich kritisch gegenüber (57 Prozent).
NRW-Integrationsminister Stamp lobt ehrenamtliche Tafel-Mitarbeiter
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hat am Wochenende die Essener Tafel besucht, um sich nach eigenen Angaben "ein Bild vor Ort" zu machen. Dabei hat er die Arbeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter gewürdigt.
Einige arbeiteten bereits seit mehr als 20 Jahren dort, "um anderen Menschen ein bisschen ihr Leben zu verbessern. Das ist eine ganz wichtige Leistung, die man anerkennen muss", sagte Stamp am Samstag nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Trägervereins, Jörg Sartor, in Essen. "Es gibt hier keine Rassisten, sondern es gibt hier viele engagierte Mitarbeiter, die etwas für alle in der Essener Gesellschaft tun wollen", sagte der Politiker weiter.
Der Minister wiederholte aber auch seine ablehnende Position zum vorübergehenden Aufnahmestopp der Tafel für Ausländer, der in der vergangenen Woche eine bundesweite Debatte ausgelöst hatte. Bei dem Angebot solle nicht die Herkunft, sondern die Bedürftigkeit entscheidend sein, so Stamp. Nach dem Gespräch mit Sartor besuchte der Minister auch die samstägliche Lebensmittelausgabe der Tafel.
Tafeln sehen Versäumnisse in der Sozialpolitik
Der Vorsitzende der Tafeln in Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Weilerswist, hat indes ein Versagen der Sozialpolitik beklagt. "Wir machen seit Jahren auf ein wachsendes Armutsproblem aufmerksam", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
Auch der Bochumer Sozialwissenschaftler Klaus Peter Strohmeier machte die wachsende Armut in Deutschland für die Konflikte um die Essensausgabe verantwortlich. "Wir erleben einen Konkurrenzkampf der Bedürftigen", sagte er der "WAZ". Die Sozialpolitik habe "kläglich versagt" und vergesse die Armen. Die staatliche Grundsicherung ermögliche ein Leben nur knapp über dem Existenzminimum. Wichtig sei es jetzt, die Mindestrente anzuheben sowie die Dauerarbeitslosigkeit mit öffentlich geförderter Arbeit zu bekämpfen.
In der Debatte um die Entscheidung der Essener Tafel hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisch über den Aufnahmestopp für Ausländer geäussert. Die Äusserungen Merkels seien "nicht angebracht", kritisierte Weilerswist in der "WAZ". Es sei richtig, dass sich die Tafeln vor allem auf Rentner, Familien mit Kindern und Sozialhilfeempfänger konzentrierten.
Seit dem 10. Januar nimmt die Essener Tafel keine Ausländer mehr als Neukunden an. Nach heftiger Kritik soll ein Runder Tisch eine Neuregelung für den Verein erarbeiten.
(ada/dpa/afp)
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