Auch 13 Jahre nach dem Verschwinden der damals neunjährigen Peggy Knobloch liegen die Hintergründe der Tat noch völlig im Dunkeln: Bislang wurde noch keine Leiche gefunden - und an der Schuld des mutmasslichen Täters Ulvi K. gibt es mittlerweile grosse Zweifel. Vor dem Landgericht Bayreuth hat daher am Donnerstag das Wiederaufnahmeverfahren begonnen.
Der Angeklagte Ulvi K. hat gleich zu Beginn die Ermordung der Neunjährigen bestritten. Sein Mandant bestreite sowohl das Tötungsdelikt als auch den ebenfalls angeklagten sexuellen Missbrauch des Mädchens, sagte sein Verteidiger Michael Euler.
Der Fall muss neu aufgerollt werden, weil ein wichtiger Belastungszeuge im September 2010 seine Aussage widerrufen hat. Er hatte behauptet, Ulvi K. habe ihm den Mord an Peggy Knobloch gestanden. Dies sei jedoch eine Lüge gewesen, räumte er später ein. Ausserdem war beim ersten Prozess nicht bekannt, dass Ermittler eine sogenannte Tathergangshypothese hatten anfertigen lassen - sie war dem späteren Geständnis von Ulvi K. verblüffend ähnlich.
Ulvi K. gesteht den Mord an Peggy - und widerruft später
Ulvi K. hatte nach einem Verhör im August 2001 gestanden, Peggy wenige Tage vor ihrem Verschwinden sexuell missbraucht zu haben. Eine Beteiligung am Verschwinden Peggys war ihm jedoch nicht nachweisbar. Im Februar 2002 wurden allerdings noch einmal sämtliche Spuren neu untersucht. K. galt weiter als Hauptverdächtiger und gestand im Oktober des Jahres den Mord.
Demnach wollte er sich bei Peggy am 7. Mai für die Vergewaltigung entschuldigen, doch das Mädchen sei vor ihm weggelaufen. Weil sie laut schrie, als er sie eingeholt hatte, habe er ihren Mund und ihre Nase zugehalten, bis sie erstickt sei. Ende Februar 2003 erhob die Staatsanwaltschaft in Hof Anklage wegen Mordes, Ende April 2004 wurde K. zu einer lebenslangen Haftstrafe und Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt verurteilt.
K. widerrief sein Mordgeständnis allerdings später. Seine Anwälte waren überzeugt, dass das Geständnis durch die Erschöpfung bei den stundenlangen Vernehmungen sowie durch Suggestivfragen und falsche Versprechungen seitens der Polizei zu erklären war. Zudem war bei dem Geständnis weder ein Verteidiger anwesend, noch gibt es davon eine Tonbandaufnahme.
Die Verteidiger legen dementsprechend Revision gegen das Urteil ein. "Dieser Angeklagte soll den perfekten Mord begangen haben? Ich kann das nicht glauben", sagt sein Verteidiger schon im ersten Verfahren vor Gericht. K. wurde zuvor in einem Gutachten ein IQ von unter 70 attestiert. Die Revision wurde Anfang 2005 vom Bundesgerichtshof verworfen. Im Dezember 2013 ordnete das Landgericht Bayreuth jedoch die Wiederaufnahme des Verfahrens an.
Auch Peggys Vater zweifelt an Schuld von Ulvi K.
Im März 2014 äusserte sich der leibliche Vater des Kindes erstmals öffentlich zu dem Fall. Im Interview mit RTL begrüsste Mario Peter Schwenk die Wiederaufnahme des Falles durch das Landgericht Bayreuth, da er Zweifel an der Schuld des verurteilten Ulvi K. hat: "Für mich war das ein unscheinbarer Mann, der das einfach nicht drauf hat."
Schwenk sagte im Interview mit dem RTL-Magazin "Explosiv" weiter: "Wenn Ulvi zugibt, dass er ein Mädchen umgebracht hat, warum fragt ihn dann keiner: Wo ist die Leiche? Und warum wird dann die Leiche nie gefunden? Wenn er nichts mehr zu verlieren hat, hätte er auch sagen können: Da liegt sie, buddelt sie aus. Und das ist nie passiert."
Er selbst glaubt auch nach wie vor daran, dass seine Tochter noch am Leben ist: "Mein Herz wünscht sich das, dass sie noch lebt. Ich habe noch nicht das Gefühl, dass sie tot ist."
Weiterer Verdächtiger im Fall Peggy
Ebenfalls im März dieses Jahres hat ein Mann intime Kontakte mit Mädchen gestanden. Er räumte unter anderem Küsse zwischen ihm und dem kleinen Mädchen ein. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth sah aber keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs gegen den 29-Jährigen. Dieser habe bereits im Februar 2013 bei einer Vernehmung darüber berichtet.
Zu dem Kontakt mit der damals neun Jahre alten Peggy soll es in den Osterferien 2001 gekommen sein - im Mai desselben Jahres verschwand das Mädchen spurlos. Es habe aber "keinen Anhaltspunkt für einen strafbaren sexuellen Missbrauch Peggys durch den Mann" gegeben, so Oberstaatsanwalt Herbert Potzel damals. Der 29-Jährige habe die Angaben über Peggy gemacht, als er im Fall eines anderen Kindes vernommen worden sei. Er zählt laut Potzel aber weiter zum Kreis der Verdächtigen im Fall Peggy, es bestehe gegen ihn aber lediglich ein "einfacher Verdacht."
(cai/cze/dpa/AFP)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.