Rechte Aktivisten haben versucht, die Washington Post mit einer ausgedachten Story hinters Licht zu führen. Das Täuschungsmanöver ging nach hinten los - und doch hat die US-Medienlandschaft Schaden genommen.

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James O´Keefe ist ein freundlich aussehender junger Mann mit glattrasiertem Gesicht, Typ Schwiegermutters Liebling. Doch hinter dem unschuldigen Äusseren verbirgt sich der Schreck der US-Medienbranche.

Genauer gesagt: der eher liberalen Medien. Liberal ist unter Konservativen in den USA ein Schimpfwort.

Mit seiner Organisation "Project Veritas" (Projekt Wahrheit) hat der 33-Jährige in den vergangenen Jahren versucht, mit Artikeln, verdeckten Aktionen und heimlich aufgenommenen Videos das Vorgehen von Behörden und Politikern sowie die Berichterstattung von Medien wie CNN und Washington Post als falsch und zu linkslastig zu entlarven.

Pikantes Detail: 2016 erhielt die konservative Organisation Spenden in Höhe von 4,5 Millionen Dollar, darunter laut US-Medien auch 10.000 Dollar von der Trump-Stiftung.

O`Keefe nennt sich "Guerrilla-Journalist". 2010 schlich er sich sich mit Komplizen unter Angabe falscher Identitäten ins Büro der demokratischen US-Senatorin Mary Landrieu ein.

Die teils illegalen Aktionen mündeten in Vorstrafen für ihn und weitere Mitarbeiter. Nun ist ein Versuch, die Washington Post zu diskreditieren, aufgedeckt worden.

Chefredakteur: "wollten uns diskreditieren"

Im aktuellen Fall versuchten die rechten Aktivisten, der Washington Post eine ausgedachte Story unterzujubeln.

Eine Frau namens Jaime Phillips gab an, als 15-Jährige von dem republikanischen Kandidaten für den US-Senat, Roy Moore, geschwängert worden zu sein.

Der erzkonservative Ex-Richter, damals über 30 Jahre alt, soll sie dann zur Abtreibung gezwungen haben. Weil sich die Frau in Widersprüche verwickelte, kamen ihr die Journalisten auf die Schliche. Ihre Geschichte stellte sich als falsch heraus.

Recherchen der Washington Post führten zu einem alten Internet-Eintrag der Frau: "Ich habe einen neuen Job begonnen und arbeite nun für eine konservative Medienbewegung, um die Lügen und Täuschungsmanöver der liberalen Mainstream-Medien zu bekämpfen."

Ziel der Aktion sei es gewesen, die Zeitung "zu täuschen und zu diskreditieren", erklärte Washington-Post-Chefredakteur Martin Baron. Mittels der Desinformation sollte die Tageszeitung als voreingenommen und inkompetent erscheinen.

Brian Stelter, Medienexperte des TV-Senders CNN, behauptet: "Was geplant war, um Vorurteile der Medien zu entlarven, war in Wirklichkeit eine Anti-Journalismus-Aktion. Sie wollen den Journalismus gar nicht verbessern, sie wollen ihn zerstören."

Die "Welt" spricht von einer "neuen Front im Informationskrieg": Ein Projekt, das das Wort "Wahrheit" im Namen trägt, arbeitet selbst mit Falschinformationen.

Der aktuelle Fall hat besondere Tragweite

Prof. Thomas Jäger von der Universität Köln überraschen die Enthüllungen wenig. "Es hat eine lange Tradition, die Medien als parteiisch hinzustellen und ihren Ruf zu zerstören." Auch Kampagnen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung gebe es dauernd.

"Die sind gewöhnlich aber in Zusammenarbeit mit den Medien gemacht worden", erklärt der US-Experte im Gespräch mit unserer Redaktion.

Gemeint sind Pressemitteilungen von Unternehmen oder Behörden, Kampagnen durch das Militär oder Lobby-Gruppen, Hintergrundgespräche mit Journalisten und ähnliches.

Im aktuellen Fall sieht Jäger indes eine neue Tragweite. "Das ist einer der ersten Fälle, in dem die direkte Kommunikation zwischen Absender und Öffentlichkeit benutzt wird, um den Vermittler der Kommunikation - also die Medien - unglaubwürdig zu machen."

Der 10.000-Dollar-Spende der Trump-Stiftung für "Project Veritas" weist Jäger aufgrund des vergleichsweise geringen Betrages keine grössere Bedeutung zu.

Leser glauben nur, was sie glauben wollen

Ein Schaden könnte der Medienlandschaft und der politischen Kultur dennoch entstanden sein, vermutet Jäger. "Heute macht es eine republikanische Organisation und morgen eine demokratische", sagt er über die versuchte Desinformation. "Die beiden Parteien nehmen sich da ja nichts."

Und das hat besorgniserregende Folgen: "In den USA hat sich eine sogenannte Echo-Kammer entwickelt", erklärt der US-Kenner. "Die Menschen nehmen überhaupt nur noch die Medien wahr, die ihre Meinung immer wieder bestätigen."

Durch die aktuellen Enthüllungen der Hauptstadt-Zeitung werde die Echo-Kammer eher noch verstärkt. Jäger ist überzeugt: Republikaner oder Trump-Wähler, die die Washington Post sowieso kritisch sehen oder und ihre Inhalte für "fake news" halten, schenken dem Enttarnen der falschen Anschuldigungen gegen Roy Moore keinen Glauben.

Der Kölner Politologe fasst zusammen: "Das Project Veritas werden die Leute in ein paar Wochen schon vergessen haben, aber der Makel an der Washington Post bleibt hängen." Und damit auch an der US-Medienlandschaft, die zusätzlich damit klar kommen muss, dass auch Präsident Trump gegen die ihm unliebsamen Zeitungen und Sender einen Kleinkrieg führt.

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