Die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong hat eine Mitarbeiterin von Reporter ohne Grenzen (RSF) auf dem Weg zur Beobachtung eines viel beachteten Gerichtsprozesses an der Einreise gehindert. Die polnische Staatsbürgerin wollte am Mittwoch für das Verfahren gegen den Verleger Jimmy Lai anreisen, wie RSF am Donnerstag mitteilte. Die Behörden liessen die in Taiwan für RSF beschäftige Mitarbeiterin demnach jedoch nicht ins Land, hielten sie über sechs Stunden fest, befragten sie und durchsuchten ihr Gepäck.
"Als sie meinen Pass scannten, tauchte etwas auf dem Bildschirm auf", sagte die Mitarbeiterin in einem RSF-Briefing. Sie sei in verschiedene Bereiche mit verschiedenen Beamten gebracht und mehrfach befragt worden. Nach etwa fünf Stunden hätten ihr die Behörden ein Dokument überreicht, das ihre Ausreise anordnete. Beamte hätten sie anschliessen zu einem Flug eskortiert, der sie zurück nach Taipeh brachte. Ein konkreter Grund für die Massnahme sei nicht genannt worden.
RSF geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Festsetzung und Abschiebung der Frau damit zusammenhingen, dass sie den Prozessauftakt gegen Jimmy Lai im Dezember in Hongkong mitverfolgte. Der 76 Jahre alte Gründer der prodemokratischen Hongkonger Zeitung "Apple Daily", die 2021 zwangsweise eingestellt wurde, muss sich wegen angeblicher Verstösse gegen das umstrittene Sicherheitsgesetz verantworten. Lai wurde bereits zu zwei Haftstrafen verurteilt und sitzt seit drei Jahren im Gefängnis. Sollte ihn das Gericht wie erwartet auch in diesem Prozess schuldig sprechen, droht ihm im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe. Die Verhandlung am Donnerstag markierte den 58. von ungefähr 80 angesetzten Prozesstagen.
"In keinem anderen Land haben wir bisher solche eklatanten Versuche von Behörden erlebt, sich der Prozessbeobachtung zu entziehen", sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger zum Fall der abgewiesenen Mitarbeiterin. Die Nichtregierungsorganisation führt Hongkong mittlerweile auf Platz 140 von 180 Staaten auf der Rangliste der Pressefreiheit. Angesprochen auf den Vorfall erklärte das chinesische Aussenministerium in Peking, nicht mit der Situation vertraut zu sein. China belegt derzeit den vorletzten Platz auf der RSF-Rangliste. © dpa
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