Am 18. Juni hat der Ramadan begonnen. Vier Millionen Muslime in Deutschland fasten – von Sonnenaufgang bis in die Nacht. Doch was bedeutet das genau? Und was machen Gläubige, bei denen die Sonne nie untergeht?
Hakki Arslan macht in diesen Wochen die Nacht zum Tag. Der Wissenschaftler am Institut für Islamische Theologie in Osnabrück gehört zu den vier Millionen Muslimen in Deutschland, die seit dem 18. Juni aufgerufen sind, den Ramadan zu befolgen. Das bedeutet: Von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang dürfen die Gläubigen nichts essen und nichts trinken.
Also bleibt Arslan von Sonnenuntergang bis zur Dämmerung wach, erst ab 4 Uhr schläft er. Eine harte Zeit, aber "für mich persönlich eine besondere Zeit", wie er sagt.
Der Ramadan gehört zu den wichtigsten Ritualen im islamischen Glauben, das Fasten ist eines der fünf Säulen des Islam – neben dem Bekenntnis, dem Gebet, den Almosen und der Pilgerreise. Auch wenn der Koran einige Regeln vorschreibt, sieht der Ramadan aber nicht für jeden Gläubiger gleich aus. "Es soll eine friedvolle Zeit sein, ja", sagt Arslan. "Das ist es für viele auch. Aber für manche ist es ein ganz normaler Monat, für andere eine Belastung." Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Ramadan.
Worauf müssen die Fastenden verzichten?
Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind nicht nur Essen und Trinken tabu, sondern auch Sex. Wer es besonders ernst meint, verzichtet auch auf böse Gedanken. Es geht aber nicht nur um Verzicht: Zum Ramadan gehören auch freiwillige Gebete. Hakki Arslan zitiert auch gemeinsam mit anderen Gläubigen und dem Imam in der Moschee den Koran. Innerhalb der 30 Tage liest er so den gesamten Koran einmal komplett durch.
Ist das nicht anstrengend?
Wenn man die Regeln befolgt: sicher. "Es ist jeden Ramadan die selbe Frage", sagt Arslan. "Wie bringe ich das mit meinem täglichen Leben in Einklang?" Gerade in den Sommermonaten, an denen die Sonne erst spät untergeht, ist das Fasten eine logistische Herausforderung: Nach 22 Uhr essen, in die Moschee, die Gebete befolgen, dann ist es schon weit nach Mitternacht. "Und dann muss man ja vor Sonnenaufgang auch noch einmal essen." Allerdings gibt es einige Sonderregeln, die den Gläubigen das Leben erleichtern. So erlauben es die Gelehrten, die verschiedenen vorgeschriebenen Gebete zusammenzulegen, damit der Schlaf nicht unterbrochen wird. Ausserdem kann man auch einfach am Abend schon so viel essen, dass man vor dem Sonnenaufgang nicht noch einmal aufstehen muss.
In einigen Jahren wird die Situation übrigens viel einfacher für die Muslime: Der Ramadan richtet sich nach dem Mondkalender, und rutscht deswegen jedes Jahr um zehn Tage nach hinten – und in den Wintermonaten steht die Sonne nicht so lange am Himmel.
Müssen alle Gläubigen fasten?
Es gibt Ausnahmen: Kinder sind bis zur Pubertät ausgenommen, ebenso Frauen während ihrer Periode und in der Schwangerschaft. Im Gegensatz zu Kindern müssen die Frauen das Fasten allerdings nachholen. "Da gibt es aber keine feste Zeit", erklärt Hakki Arslan vom Osnabrücker Institut für Islamische Theologie. "Sie fasten wieder, wenn es gut passt." Schwer kranke Menschen, denen das Fasten nicht zuzumuten ist, sind ebenfalls ausgenommen. "Manche machen es trotzdem. Einige sagen, das ist dann eine besondere Frömmigkeit. Andere sagen, das ist Dummheit."
Auf jeden Fall müssen schwer Kranke aber Ersatzhandlungen erfüllen – für jeden Tag, den Sie nicht fasten, müssen sie einen Armen speisen. Dafür gibt es sogar eine ungefähre Richtlinie. "In Deutschland sind das so sieben bis zehn Euro pro Tag", sagt Hakki Arslan. Wer also die Ersatzhandlung in Anspruch nimmt, sollte im Ramadan rund 300 Euro an arme Menschen spenden.
Was ist mit Franck Ribery?
"Das ist immer Auslegungssache", sagt Hakki Arslan. Es gebe Experten, die würden Leistungssport als harte Arbeit definieren. Damit wäre das Fasten nicht zumutbar. Die Mehrheit der Gelehrten aber würde sagen, dass hier keine Ausnahme gilt – und dass ein besonderer Lohn winke, wenn ein Leistungssportler trotz der harten Entbehrung faste.
Was machen die Gläubigen am Nordpol?
Wer in Skandinavien wohnt, hat Pech gehabt: Es bleiben nur rund 3 Stunden ohne Sonne, um zu essen und zu beten. In Gebieten mit Mitternachtssonne ist das Problem noch grösser. Aber der Islam hat für solche praktischen Herausforderungen natürlich Antworten: "Es gibt Organisationen von Gelehrten, die beschäftigen sich mit solchen Fragen und erteilen dann Gutachten", erklärt Hakki Arslan. Gemeinden im hohen Norden können sich dann zum Beispiel einfach nach den Fastenzeiten in der nächstgrösseren Stadt mit Nachtzeiten richten - oder gleich nach Mekka.
Wie viele Gläubige halten sich wirklich an die Regeln?
"Das ist so pauschal kaum zu sagen", meint Islamwissenschaftler Hakki Arslan. "Jeder macht das individuell." Es gebe Menschen, die den Ramadan rein als kulturelles Ereignis sehen. "Sie erfüllen den formalen Aspekt, denken aber nicht über Spirituelles nach." Für diese Muslime sei das Fasten Pflichtprogramm. Andere versuchten, auch die innere Dimension zu erfüllen. "Sie suchen die Nähe zu Gott. Sie begreifen die Zeit der Mässigung als Übung für die Zeit nach dem Ramadan." Wieder andere übten sich in einer Zwischenform. Generell beobachtet Arslan eine Tendenz zur Säkularisierung. "Besonders unter den Jugendlichen gibt es viele, die nicht mehr fasten."
Warum hört man auch oft "Ramazan"?
Das ist die türkische Variante des Wortes "Ramadan", das aus dem Arabischen kommt und so viel wie "heisser Monat" bedeutet.
Warum werden beim Fastenbrechen oft Datteln gereicht?
Mohammed hat es vorgemacht, auch er hat das Fasten mit den Datteln beendet. "Für Muslime ist es sehr wichtig, so nah wie möglich an der Praxis des Propheten zu bleiben", sagt Hakki Arslan.
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