Im Pariser Prozess gegen die Schweizer Grossbank UBS forderte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag eine Strafe, die "proportional" zum Schaden der französischen Steuerbehörden sei. Die Verteidigung bestreitet die Berechnungsmethode. Die ehemalige Nummer Drei der UBS, Raoul Weil, riskiert eine zweijährige Gefängnisstrafe auf Bewährung.

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Die beiden Staatsanwälte Serge Roques und Eric Russo sind in den ersten vier Wochen des UBS-Prozesses in Paris auffallend diskret geblieben. Während die Angeklagten und ihre Anwälte bei der Anhörung die Pauke schlugen und die "Whistleblower" – ehemalige Mitarbeiter, welche die Akquisitionspraktiken der UBS in Frankreich publik machten – als "Lügner" bezeichneten, blieb die Anklage ruhig.

Diesen Donnerstag brach sie ihr Schweigen und hielt eine sehr harte vierstündige Anklagerede. Die Debatten während des ganzen Monats haben ihre anfängliche Meinung keineswegs geändert. "Die UBS hat wissentlich Konten für französische Betrüger eröffnet, geführt und verwaltet und ihnen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt, die den Tatbestand der Geldwäscherei von Steuerbetrugsgeldern erfüllen", sagte Staatsanwalt Serge Roques. Dafür und wegen illegalen Bankakquisitionen beantragte er für die Schweizer Bank eine Geldstrafe von 3,7 Milliarden Euro (4,2 Milliarden Franken).

Laut Staatsanwaltschaft hatten etwa hundert kulturelle und sportliche Veranstaltungen, welche die UBS zwischen 2004 und 2011 in Frankreich organisierte, teilweise den Zweck, Kunden für Konten in der Schweiz – und nicht in Frankreich – zu gewinnen.

"Diese Veranstaltungen wurden offiziell von UBS France organisiert, aber sie waren in Wirklichkeit nur ein Schaufenster", sagte Staatsanwalt Eric Russo. "Und in den Räumlichkeiten von UBS France waren die Schweizer Vertreter ganz bei sich zu Hause", fügte der Staatsanwalt hinzu.

Für die Staatsanwaltschaft ist die Unterscheidung in den UBS-Dokumenten in "simple money" (nicht deklariertes Geld) und "complex money" (dem Fiskus angegebene Gelder) sehr klar. "Die Führungskräfte der UBS waren sich bewusst, dass die Vermögenswerte französischer Kunden nicht versteuert waren", sagte Roques. "Die UBS schaute einfach weg."

UBS hätte Prozess verhindern können

In ihren schlimmsten Albträumen erwarteten die aktuellen Manager der UBS astronomische Bussen. Häufig genannt wurde eine Summe von 5 Milliarden Euro. Das entspricht der Hälfte der 10,6 Milliarden Euro, welche die UBS gewaschen haben soll. In der Schweiz hoffte man, dass Richter und Staatsanwaltschaft von den Beträgen her etwas mehr Zurückhaltung zeigen würden.

Die Staatsanwaltschaft versichert, die der UBS andernorts bereits aufgebrummten Bussen im Hinterkopf zu behalten. 780 Millionen Dollar musste die Schweizer Bank 2009 an den amerikanischen Fiskus bezahlen; 300 Millionen im Jahr 2014 in Deutschland. Mit diesen Zahlungen entledigte sich die UBS damals den Gerichtsprozessen.

"Heute messen wir mit einer anderen Skala, denn wir befinden uns in einem Strafprozess", sagte der Staatsanwalt. Mit anderen Worten: Die UBS hätte eine Summe aushandeln können, die einen Prozess verhindert hätte – manche sprechen von 1,6 Milliarden Euro – aber sie hat abgelehnt. Nun muss sie sich also dem Urteil des Gerichts beugen.

Zur Berechnung der Geldbusse sagte der Staatsanwalt: "Die UBS AG ist die weltweite Nummer 1 der Privatbanken, was Verpflichtungen mit sich bringt. Sie muss die Gesetze respektieren." Die Sanktion muss laut Staatsanwaltschaft proportional sein zu der Summe, welche die Bank gewaschen hat. Gemäss Untersuchungsrichtern sind das circa 10,6 Milliarden Euro.

Verteidigung kritisiert Berechnungsmethode

Der Staatsanwalt ging noch weiter und vertrat die Ansicht, die Busse könne gemäss französischem Recht bis zu 9,25 Milliarden Euro betragen. Er beschränke sich aber aus "Weisheit und Umsicht" auf 3,7 Milliarden. Das entspricht der Summe, die der französische Fiskus von französischen UBS-Kunden zurückgefordert hat, nachdem diese ihre Gelder zwischen 2011 und 2015 legalisiert haben.

"Wir stellen die Berechnungsmethode in Frage", sagte Denis Chemla, Rechtsanwalt der UBS AG. "Und wir bestreiten auch die Fakten. Die Anklage hat die vierwöchige Debatte offensichtlich ignoriert." Wenn die vom Staatsanwalt verlangte Geldstrafe von den drei Richtern bestätigt wird, die nach mehrmonatiger Beratung entscheiden, wäre dies eine Rekordbusse für eine Bank in Frankreich.

Freiheitsstrafen für Manager

Gegen sechs Führungskräfte und ehemalige Kader der UBS wurden sechs bis 24 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie Bussen von 50'000 bis 500'000 Euro beantragt. Der Staatsanwalt beantragte insbesondere 24 Monate Gefängnis auf Bewährung und 500'000 Euro Busse für die ehemalige Nummer Drei der UBS AG, Raoul Weil.

Für die französische Tochtergesellschaft, UBS France, der Mittäterschaft bei illegalen Akquisitionen und Geldwäscherei vorgeworfen wird, beantragte die Staatsanwaltschaft eine Busse von 15 Millionen Euro. Die Verteidigeranwälte werden nächste Woche das Wort haben.

Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi

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