Acht Millionen Einwohner, vier Landessprachen: Bei dem kleinen Markt haben es Zeitungen in der Schweiz besonders schwer. Soll eine Stiftung den Journalismus retten? Oder das fulminant erfolgreiche Online-Projekt "Republik"?

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Was darf es sein, erst die gute oder erst die schlechte Nachricht? Das Schweizer Online-Zeitungsprojekt "Republik" hat gerade den Weltrekord beim Crowdfunding für ein Medienprojekt geholt:

Fast 14.000 Abonnenten brachten 3,4 Millionen Franken für die Zeitung zustande, die ohne Werbung ab Anfang 2018 täglich drei Beiträge aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verspricht.

Es gibt auch eine schlechte Nachricht

Nun die schlechte Nachricht: Die Sektkorken von der Feier zum 20-jährigen Bestehen der Zeitung "Quotidiana" waren im Frühjahr noch feucht, da kam die Hiobsbotschaft des Verlags: "La gasetta da tut la Rumantschia", die Zeitung für die rätoromanische Schweiz, 4.000 Abo-Kunden, steht vor dem Aus.

"Aus Sicht der Somedia kann die 'Quotidiana' unter den gegebenen Strukturen nicht mehr weiterbetrieben werden", schrieben CEO Andrea Masüger und Verleger Silvio Lebrument.

Probleme sind die ähnlich - und noch verschärft

Hierzulande haben die Medien mit einbrechenden Werbemärkten und rückläufigen Verkäufen dieselben Probleme wie die Nachbarländer.

Aber hinzu kommt, dass die Schweiz mit nur gut acht Millionen Einwohnern ein kleiner Markt ist, und das noch mit vier Sprachen. 24 Tages- und Sonntagszeitungen gab es 2016 laut dem Verband Schweizer Medien.

Nur "20 Minuten" hält die Auflage

Ausser bei der Gratiszeitung "20 Minuten" bricht die Auflage ein. "Berner Zeitung" von 2005 bis 2016: minus 57 Prozent, "Blick": minus 46 Prozent, "Tagesanzeiger": minus 32 Prozent, NZZ: minus 26 Prozent.

Die Werbeumsätze der Presse sind von 2011 bis 2016 um 37 Prozent zurückgegangen. Ohne Werbeeinnahmen kein Geld für Redaktionen. Was tun?

Native Advertising im "Tagesanzeiger"

Viele Medienhäuser reagieren mit rigorosem Sparkurs. Der grösste Verlag, Tamedia, hat bei seinem Flaggschiff "Tagesanzeiger" gerade mit firmengesponsertem Inhalt neuen Boden betreten.

Eine Doppelseite zum Thema Recyceln schmückt etwa ein Stück über die Wiederverwertung von Kaffeekapseln bei der Nestlé-Tochter Nespresso. "Sponsored" steht darüber, der Rest sieht aus wie der übliche "Tagesanzeiger".

Experimente mit Paywall

Mit Bezahlschranken wird ebenfalls experimentiert. "Die NZZ setzt nicht auf Reichweite, sondern auf registrierte und zahlende Leser", schreibt der Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung", Eric Gujer.

Die klassischen Medien seien da, um Sinn in die Informationsflut zu bringen: "Gemäss der Devise: Wer Zeitung liest und Fakten kennt, gehört schon zum Establishment - und zwar zu einer Informations-Elite, für die Werte wie Bildung und kritisches Denken zählen."

Bei der "Blick"-Gruppe aus dem Medienhaus Ringier nutzten 2016 erstmals mehr Leser digitale Kanäle als die gedruckte Ausgabe der Boulevard-Zeitung, und auch die Werbeumsätze der Digitalplattform überholten die der Zeitung.

Staatliche Förderung angedacht

Langfristig empfiehlt die unabhängige Eidgenössische Medienkommission eine staatliche Förderung der Medien. Möglich sei eine Stiftung, sagt der Präsident der Kommission, Otfried Jarren.

"Das bisherige Geschäftsmodell zur Finanzierung des Journalismus bei Tageszeitungen geht leider dem Ende zu", so das Fazit des Professors an der Universität Zürich.

Die Jungen abonnierten keine Zeitung mehr, pro Artikel wolle auch kaum jemand zahlen.

Jarren schlägt ausserdem eine öffentlich finanzierte Plattform vor, auf der Journalisten, Verlage und Blogger Inhalte präsentieren können. Die Betreiber könnten Produkte, etwa Themenpakete, anbieten, an denen die Urheber anteilig verdienen.

Der Verband Schweizer Medien ist skeptisch: "Keine neuen Abhängigkeiten vom Staat", fordert Geschäftsführer Andreas Häuptli.

"Republik" kommt mitten im Chaos

Und nun kommt "Republik", benannt nach der Ausrufung der Republik in der Schweiz 1798, "mitten im Chaos", wie die Macher schreiben.

Sie brachten fast fünfmal so viele Abonnenten und viermal so viel Geld zusammen wie erwartet. "Damit haben wir nicht gerechnet", sagt Mitgründer Christof Moser.

Der Erfolg zeige: Das Mantra der Verlage, "die Leute lesen immer weniger, niemand will bezahlen", stimme nicht.

Elf feste Redakteure

"Republik" geht mit elf Redakteuren an den Start. Die Abonnenten - unsere Verleger, sagt Moser - haben grosse Hoffnungen: "Danke dafür, dass ihr diese Projekt durchzieht. Guten Journalismus braucht die Welt!" schreibt Simone Wasmann auf der Website.

Christian Denzler: "Seit Jahren lese ich jeden Tag denselben Blödsinn... Es wird wieder Zeit für Inhalte."  © dpa

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