- Er ist scharfer Kritiker von Alexander Lukaschenko, steht schon seit Längerem auf dessen Abschussliste: Roman Protassewitsch.
- Am Wochenende liess der belarussische Machthaber das Passagierflugzeug, in dem der Blogger sass, mit einem Kampfjet zu Boden holen und Protassewitsch festnehmen.
- Ein Blick auf Protassewitschs Biografie zeigt, weshalb ihn Lukaschenko so fürchtet.
Das Video, in dem sich Roman Protassewitsch auf einem regierungsnahen Nachrichtenkanal bei Telegram jüngst zu Wort meldete, zeigt den 26-Jährigen an einem Tisch sitzend. Er trägt einen schwarzen Kapuzenpullover, hat die Hände gefaltet.
Er werde gesetzeskonform behandelt, arbeite mit den Ermittlern zusammen und wolle weitere Geständnisse ablegen, sagt Protassewitsch in die Kamera. Sein Gesicht sieht geschminkt und geschwollen aus, es trägt Spuren von Schlägen.
Seit Sonntag sitzt der belarussische Aktivist in Untersuchungshaft, nach einer spektakulären Festnahmeaktion. Als Protassewitsch – wie auch über 100 weitere Passagiere – mit einer Ryan-Air Maschine von Athen nach Vilnius in Litauen fliegen wollte, wurde das Flugzeug auf Anordnung der belarussischen Behörden umgeleitet und zur Landung in Minsk gezwungen. Eine von den Behörden vorgebrachte Sicherheitsbedrohung durch eine Bombe an Board erwies sich als falsch.
Protassewitsch ist Mitgründer von einflussreichem Kanal "Nexta"
Protassewitsch sitzt trotzdem im Gefängnis. Seit Ende vergangenen Jahres steht der Belarusse auf Lukaschenkos Liste mit Menschen, denen eine Beteiligung an terroristischen Handlungen vorgeworfen wird.
Einer der Gründe dafür: Der Journalist ist Mitgründer des oppositionellen Nachrichtenkanals "Nexta", der von Warschau aus Proteste gegen die Wiederwahl Lukaschenkos 2020 massgeblich koordinierte. Für etwa 1,2 Millionen Leserinnen und Leser war "Nexta" damals Hauptinformationsquelle über Betrugsvorwürfe und Polizeigewalt im Zusammenhang mit der Wiederwahl.
Kontakt zu den weissrussischen Behörden hat Protassewitsch nicht zum ersten Mal: Schon seit seiner Jugend ist er scharfer Kritiker Lukaschenkos, der als "Europas letzter Diktator" gilt und seit 1994 regiert.
Mit 17 wurde Protassewitsch festgenommen, weil er in dem russischen sozialen Netzwerk "VKontakte" zwei Lukaschenko-kritische Gruppen betrieb. Nach seiner Festnahme berichtete Protassewitsch von Prügeln, nach denen er tagelang Blut im Urin hatte, und der Drohung, man werde ihm ungelöste Mordfälle zur Last legen.
Oppositioneller lebt im Exil in Polen und Litauen
Protassewitsch begann an der Belarusian State University Journalismus zu studieren, wurde aber wieder verwiesen. Protassewitsch arbeitete beim europäischen Radio für Belarus und für Radio Free Europe.
Inzwischen ist er Chefredakteur des Telegram-Kanals "@belamova" – der vor allem Kritik an Lukaschenko zum Inhalt hat. Seit 2019 lebt er im Exil in Polen und Litauen – wie auch seine Eltern, sein Vater ist ehemaliger Reserve-Offizier bei der Armee.
Seit November 2020 ist er wegen der Organisation von Massenunruhen, Verletzung der öffentlichen Ordnung und Anstiftung zu sozialer Unruhe angeklagt und international zur Fahndung ausgeschrieben. Die EU lehnte aber bislang ab, ihn auszuliefern.
Protassewitsch drohen harte Strafen
Dass die belarussischen Behörden ihn nun aufspüren konnten, lag vermutlich an seinen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken: Bei einer Konferenz in Athen postete Protassewitsch Fotos gemeinsam mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Auch seine Freundin Sofia Sapega, eine russische Jura-Studentin, teilte Fotos auf Instagram, die den Weg nach Griechenland gewiesen haben dürften. Die Behörden mussten somit nur noch Check-in-Daten von passenden Flügen abgleichen.
Die Organisation von Massenprotesten wird in Weissrussland mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft, laut der Oppositionellen Tichanowskaja droht Protassewitsch sogar die Todesstrafe. Eine Passagierin, die mit an Board der abgefangenen Maschine war, beschrieb der Nachrichtenagentur AFP, wie Protassewitsch panisch wurde: "Er drehte sich zu den Leuten und sagte, jetzt würde ihm die Todesstrafe bevorstehen".
Verwendete Quellen:
- Spring 96.org: Das Gericht sprach den Blogger Roman Protassewitsch frei. (russisch); 17.04.2017
- BBC.com: Who is Roman Protassewitsch? Belarus dissident journalist in profile; 25. Mai 2021
- Twitter Mediazona Weissrussland; 24. Mai 2021
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