Utøya, Columbine, Newtown: Diese Namen stehen nicht länger für eine kleine norwegische Insel oder idyllische Provinzstädte in den USA. Sie sind zum Inbegriff für ohnmächtige Fassungslosigkeit im Angesicht der Gewalt geworden. Diese Amokläufe schockierten die Welt.
"Amok" bezeichnet eine gewalttätige Handlung im öffentlichen Raum; den meist männlichen Amokläufern wird im Regelfall eine psychische Störung nachgewiesen. Meist ist die Tat geplant, manchmal geschieht sie spontan, oft endet sie mit dem Suizid des Täters. Utøya und Erfurt, Dunblane und Winnenden sind auch deshalb zum traurigen Synonym für den Schrecken geworden, weil ein Grossteil der Opfer Kinder und Jugendliche waren. Viele der folgenden Amokläufe fanden an Schulen statt. Eine Liste, die für immer betroffen macht.
Amoklauf von Utøya: 77 Tote
Am 22. Juli 2011 stürzte Anders Behring Breivik ganz Norwegen in tiefe Trauer. Erst tötete er in der Hauptstadt Oslo acht Menschen mit einer Bombe. Dann fuhr der 34-Jährige auf die Insel Utøya und schoss 90 Minuten lang auf die Teilnehmer eines Jugendferiencamps einer sozialdemokratischen Partei. Der Rechtsextremist richtete 68 Menschen hin, ein weiteres Opfer erlag schwer verletzt eine Woche später seinen Verletzungen. Breivik erklärte die Tat mit rassistischen Motiven. Er wurde zu 21 Jahren Haft mit anschliessender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Amok an der Höhle der Patriarchen: 29 Tote
Rassistisch motivierte Rache war auch das Handlungsmotiv im Fall Baruch Goldstein. Als Offizier der israelischen Armee hatte er Zugang zu einem ganzen Waffenarsenal. Am 25. Februar 1994, zur Zeit des Morgengebets, stürmte Goldstein uniformiert das Heiligtum der Grotte der Patriarchen in Hebron und eröffnete das Feuer auf die Betenden, überwiegend muslimische Palästinenser, darunter auch Kinder. 29 Menschen starben, mindestens 150 wurden verletzt. Goldstein wurde erschlagen. Bei anschliessenden Ausschreitungen kamen weitere 24 Menschen ums Leben.
Amoklauf von Erfurt: 17 Tote
Es war der Tag der letzten schriftlichen Abiturprüfungen, der 26. April 2002, als der 19-jährige Robert Steinhäuser in das Erfurter Gutenberg-Gymnasium kam, um zu töten. Mit einem Gewehr und einer Pistole bewaffnet lief Steinhäuser durch das Gebäude und erschoss in zehn Minuten zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst. Der Attentäter war ein Jahr zuvor von der Schule verwiesen worden. Es war der erste registrierte Amoklauf eines Schülers in Deutschland.
Amoklauf von Littleton: 15 Tote
Die beiden Schüler der Columbine High School nahe Littleton im US-Bundesstaat Colorado galten als unauffällig, bis sie am 20. April 1999 die Schule stürmten. Eric Harris und Dylan Klebold erschossen zwölf Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren und einen Lehrer. 24 weitere Menschen wurden verletzt. Nach dem Amoklauf nahmen sich die Täter das Leben. Auch kulturell hinterliess die Tragödie ihre Spuren. Der Regisseur Gus Van Sant zieht in seinem Film "Elephant" eindeutige Parallelen und der Filmemacher Michael Moore widmete dem Fall seinen preisgekrönten Dokumentarfilm "Bowling for Columbine".
Amoklauf von Dunblane: 18 Tote
Am 13. März 1996 erschütterte eine blutige Gewalttat die schottische Kleinstadt Dunblane. Der ehemalige Pfadfinder Thomas Hamilton erschoss in der Turnhalle der örtlichen Grundschule 16 Erstklässler und deren Lehrerin. Nach der Tat richtete sich der 43-jährige Arbeitslose selbst. Der Fall hatte weitreichende politische und juristische Konsequenzen: Eine Untersuchung der Umstände des Amoklaufs führte schliesslich zu einem weitreichenden Verbot privaten Waffenbesitzes in Grossbritannien.
Amoklauf von Tasmanien: 35 Tote
Der geistig verwirrte Martin Bryant erschoss am 28. April 1996 auf der australischen Insel Tasmanien 35 Menschen mit einem automatischen Schnellfeuergewehr. 19 weitere Personen wurden verletzt. Bryants scheiterte bei dem Versuch, sich selbst zu verbrennen, und überlebte. Obwohl dem damals 28-Jährigen die Intelligenz eines Elfjährigen bescheinigt wurde, verurteilte das Gericht Bryant zu 35 Mal lebenslanger Haft. Bryant sitzt im Risdon-Gefängnis in Hobart, Australien, und hat bereits sechs Selbstmordversuche unternommen. Die Medien sprachen 1996 einhellig vom schwersten Verbrechen in der Geschichte Australiens.
Amoklauf von Zug: 15 Tote
27. September 2001, Parlamentsgebäude des Schweizer Kantons Zug. Als der Kantonsrat tagt, dringt der Attentäter Friedrich Leibacher mit einer selbstgemachten Polizeiweste und mehreren Waffen in das Haus ein und erschiesst 14 Politiker. Zahlreiche Anwesende werden verletzt. Leibachers Hauptziel soll der Zuger Regierungsrat Robert Bisig gewesen sein. Der Politiker blieb unverletzt und im Amt. Leibacher nahm sich nach der Tat das Leben.
Amoklauf von Blacksburg: 33 Tote
Die Bewohner eines Studentenwohnheims der Virginia Tech Universität in Blacksburg, USA, wurden am Morgen des 16. April 2007 von Schüssen geweckt. Nachdem der 23-jährige Cho Seung-hui zwei Studenten getötet hatte, lief er in ein Gebäude auf dem Campus, verriegelte die Türen und erschoss 30 Menschen, Kommilitonen und Lehrkräfte. Nach der Tat richtete sich der Einwanderer mit südkoreanischer Staatsbürgerschaft selbst. Vor seinem Amoklauf hatte er ein „Manifest“ an den Fernsehsender NBC geschickt und seinen Hass gegenüber Reichen erläutert.
Amoklauf von Südkorea: 58 Tote
Ausbleibende Beförderungen und eine an Geldmangel gescheiterte Hochzeit verkraftete der südkoreanische Polizist Woo Bum-Kon nicht. Am 27. April 1982 ging er in die Waffenkammer des Polizeipostens, betrank sich mit Whisky und schnappte sich zwei Pistolen. Dann begann er einen knapp achtstündigen Amoklauf durch fünf Dörfer der Provinz Gyeongsangnam-do. Zuletzt zündete er zwei Handgranaten, wobei der Attentäter und drei Geiseln starben. Insgesamt kamen 58 Menschen ums Leben, 35 wurden verletzt.
Amoklauf von Newtown: 28 Tote
Am Vormittag des 14. Dezember 2012 stürmte Adam Lanza die Sandy Hook Grundschule in der Kleinstadt Newtown im US-Bundesstaat Connecticut. Der 20-Jährige tötete 27 Menschen, darunter 20 Erstklässler und seine eigene Mutter. Nach der Tat erschoss sich Lanza. Sein Motiv ist bis heute unklar. Im Januar 2013 hatte Präsident Obama in einer Ansprache versichert, die Sinnhaftigkeit von strengeren Waffenkontrollen in den USA prüfen zu lassen. Eine umfassende Reform der entsprechenden Gesetze steht bis heute aus. Eine Datensammlung des Online-Magazins "Slate" ergab, das in den 12 Monaten nach Newtown über 12.000 Menschen Opfer von Schusswaffengebrauch in den USA wurden. Diese Statistik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die Dunkelziffer liegt wohl wesentlich höher.
Amokläufe von Belgisch-Kongo: 57 Tote
Der Polizist und Massenmörder William Unek ermordete bei zwei Amokläufen 57 Menschen. 1954 erschlug er in Mahagi, Belgisch Kongo, 21 Personen mit einer Axt, dann floh er in das britische Treuhandgebiet Tanganjika. Dort tötete er am 11. Februar 1957 erneut. In einem zwölfstündigen Blutbad ermordete Unek 16 Männer, 10 Frauen und 10 Kinder. Auch seine eigene Frau gehörte zu den Opfern. Bei seiner Festnahme wurde Unek verletzt und starb später im Krankenhaus.
Amoklauf von Winnenden: 16 Tote
Der Beschaulichkeit des 27.000-Einwohner-Städtchens Winnenden nordöstlich von Stuttgart wurde am 11. März 2009 ein jähes Ende gesetzt. Am Vormittag tötete der 17-jährige Tim Kretzschmer in der Albertville-Realschule sieben Schüler und eine Lehrerin. Bei der Flucht vor der Polizei erschoss er einen Mitarbeiter des Zentrums für Psychiatrie sowie einen Kunden und einen Mitarbeiter eines Autohauses. Im 100 Kilometer entfernten Wendlingen erschoss er weitere Opfer. Als er keinen Ausweg mehr sah, richtete sich Kretzschmer mit einem Kopfschuss. Bei dem Amoklauf wurden elf weitere Personen zum Teil schwer verletzt. © Glutamat
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