Carola Rackete, Kapitänin des Rettungsschiffs "Sea-Watch 3", hat ihre Entscheidung verteidigt. Sie war unerlaubt in den Hafen von Lampedusa gefahren und deswegen festgenommen worden.
Die Kapitänin des Rettungsschiffs "Sea-Watch 3", Carola Rackete, hat nach Angaben ihres Anwalts ihre Entscheidung verteidigt, unerlaubt in den Hafen von Lampedusa gefahren zu sein.
Die Situation sei hoffnungslos gewesen und das Ziel der 31-Jährigen sei gewesen, die verzweifelten Migranten an Bord des Schiffes an Land zu bringen, bestätigte der Rechtsanwalt Alessandro Gamberini der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Rackete steht derzeit unter Hausarrest.
Carola Rackete drohen mehrere Jahre Haft
Nach 17 Tagen auf See lagen die Nerven bei der "Sea-Watch 3"-Crew und den geretteten Flüchtlingen, die am 12. Juni vor Libyen an Bord genommen worden waren, blank. Die Kapitänin fuhr mit den Geretteten in Richtung Italien, obwohl das unerlaubte Einfahren von privaten Schiffen in italienische Hoheitsgewässer mit einer satten Geldstrafe bestraft wird.
Tagelang wartete Rackete an der Seegrenze und sah sich dann dazu gezwungen, auf den Hafen von Lampedusa zuzusteuern und sich damit über die Anweisungen der italienischen Behörden hinwegzusetzen.
Ungeachtet einer Blockade fuhr sie das Schiff in der Nacht auf Samstag in den Hafen - und stiess dabei auch noch mit einem Boot der Finanzpolizei zusammen. Rackete wurde festgenommen, die "Sea-Watch 3" wurde beschlagnahmt.
Am Montag wird ihre Vernehmung und eine mögliche Bestätigung des Haftbefehls erwartet. Gegen die Kapitänin wird wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Verletzung des Seerechts ermittelt. Die Staatsanwaltschaft in Agrigent wirft ihr der Nachrichtenagentur Ansa zufolge auch Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Das könnte mit mehreren Jahren Haft bestraft werden.
Politiker und Prominente setzen sich für Kapitänin ein
Der Vater der Kapitänin, Ekkehart Rackete, sagte dem "Corriere", seine Tochter habe nie einen Fehler begangen. "Carola ist nicht impulsiv, sie weiss immer, was sie macht, und sie ist eine starke Frau."
Darüber, was in Italien auf sie zukommen würde, sei sie sich schon vor der Ankunft in Lampedusa bewusst gewesen. "Das, was passiert ist, war keine Überraschung, ich bin sicher, dass sie sich der Konsequenzen bewusst war, denen sie entgegen ging."
Viele Prominente und Politiker setzen sich für Rackete ein. So erklärte Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter: "Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Es ist an der italienischen Justiz, die Vorwürfe schnell zu klären." Menschenleben zu retten, sei eine humanitäre Verpflichtung.
Es sei eine "Sprachverdrehung orwell'schen Ausmasses", wenn Italiens Innenminister Rackete "Unterstützung von Menschenhändlern" und Piraterie vorwerfe, sagte Grünen-Chef Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntag). "Der eigentliche Skandal ist das Ertrinken im Mittelmeer, sind die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa."
Die Europaabgeordnete der Linken, Özlem Demirel, erklärte: "Carola Rackete gehört nicht hinter Gitter, sondern verdient einen Orden für ihre Courage und Menschlichkeit."
Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf haben zu Spenden für die Seenotretter und Rackete aufgerufen. In einem gut fünfminütigen auf Youtube in der Nacht zu Sonntag geposteten Video zeigten sie sich erschüttert von den Geschehnissen auf der italienischen Insel Lampedusa.
Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf: Spendenaktion für Seenotretter
Böhmermann sagte: "Mit den Ereignissen der letzten Tage hat diese unmenschliche, kaltblütige und skrupellose Politik einen neuen Tiefpunkt erreicht." Sie betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Wer Menschenleben rettet, ist kein Verbrecher."
Wie die meisten könnten auch sie nicht persönlich vor Ort im Mittelmeer helfen. "Darum möchten wir spenden und gemeinsam mit Euch Geld sammeln." (ff/mgb/dpa)
Korrektur: Die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" hat Informationen aus Gesprächen mit Racketes Anwalt der Kapitänin als direkte Zitate zugeschrieben. Das ist nicht korrekt. "Niemand hat ein Interview mit ihr gemacht", sagte ihr Anwalt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die in der Meldung ursprünglich verbreiteten Aussagen der Kapitänin sind nach Angaben ihres Anwalts aber inhaltlich korrekt gewesen. Wir haben den Fehler korrigiert und alle direkten Zitate gestrichen.
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