Nicht nur für Politiker oder Bundeshaus-Sekretärinnen können Selfies zum Verhängnis werden. Besonders diejenigen, die mit ihrer Arbeit in einer Behörde einen Dienst an der Gesellschaft leisten, müssen auf ihr Image achten. Zwei Fotografen wollen den Schweizer Politikern in Sachen gut gemachter Selfies deshalb unter die Arme greifen.
Wie beurteilen Sie den Nackt-Selfie-Skandal der Bundeshaus-Sekretärin, der in den vergangenen Tagen die Schweiz in Atem gehalten hat? Hat die Frau alles falsch gemacht?
Alexander Marlin und Dominique Auderset: Im Gegenteil, wir gehen davon aus, dass die Dame den Ausgang der Angelegenheit erwartet und in Kauf genommen hat. Falls sie wirklich in der Erotik-Branche Karriere machen will, hat sie die Sache damit gefördert. Es ist eine ganz andere Ausgangslage als bei Menschen, die Selfies für den Privatgebrauch machen und dann von einem selektierten Empfänger in ihrem Vertrauen enttäuscht werden. Die Dame hatte aber eine eigene Homepage mit Pornofilmen, auf welchen sie unschwer erkennbar war, und sie verschickte ihre Bilder an Tausende von Followern über Twitter. In diesem Fall ist nicht das Auffliegen das Peinliche, sondern die Tatsache, dass die Dame diese Tätigkeit mit der Arbeit im Bundeshaus kombiniert hat. Es handelt sich aber bestimmt nicht um ein tragisches Versehen.
Welches Gefahrenpotenzial haben insbesondere schlecht gemachte Selfies, wenn sie im Internet landen?
Selfies sind grundsätzlich nichts Schlimmes und liegen im Trend der Zeit. Bei diesen Bildern sollte man aber immer bedenken, dass das Internet nie vergisst. Es geht bei Weitem nicht nur um erotische oder pornografische Selfies, auch ein "Besäufnis-Selfie" oder ein Schnappschuss in "falscher" Begleitung kann für das Familienleben, die politische Karriere oder die Jobsuche verhängnisvoll sein. Früher wussten ein paar gute Freunde wer, wann, wo einen über den Durst getrunken oder die Bluse aufgeknöpft hatte, heute kann es die ganze Welt erfahren und jeder Zeit wieder in Erinnerung rufen.
Was sind die grössten Peinlichkeiten, die Ihnen in Sachen Selfies bisher begegnet sind?
Als Fotografen sehen wir natürlich auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken immer wieder Bilder, die uns die Haare zu Berge stehen lassen. Dabei geht es meist um die Qualität, aber oft fragen wir uns auch, ob die Leute das Bild wirklich auch in ein paar Jahren noch sehen und vor allem zeigen wollen. Als Bilder noch teuer waren und das Fotografieren noch ein Ereignis darstellte, hat man mehr überlegt, bevor man den Abzug tätigte.
Sie bieten insbesondere Politikern an, professionelle Fotos von sich machen zu lassen. Bis Ende August soll die Aktion laufen, für ein einstündiges Fotoshooting verlangen Sie 100 Franken. Wie entstand die Idee zu diesem Projekt?
Grundsätzlich finden wir es toll, dass in der Schweiz Tausende von Bürgerinnen und Bürger neben ihrem Job noch ein politisches Amt im Milizsystem bekleiden. Auch diese Milizpolitiker brauchen immer professionellere Bilder für ihre Kampagnen, Internetseiten, Flyer und "Fan-Karten". Wir haben immer wieder Anfragen von Milizpolitikern mit bescheidenen Budgets.
Als wir gesehen haben, wie ungeschickt sich gewisse Politiker präsentieren, haben wir beschlossen, zu einem symbolischen Betrag von 100 Franken ein einstündiges, professionelles Fotoshooting zu offerieren. Wir hoffen damit einen Beitrag zur "politischen Bilderhygiene" leisten zu können.
Sind Selfies für Politiker ein adäquates Mittel, sich zu präsentieren? Oder sollten sie diese Art der Selbstdarstellung lieber anderen überlassen?
Natürlich können auch Politiker Selfies machen. Diese sind oft auch witzig und zeigen sie volksnah und menschlich - zu viel Menschlichkeit und nackte Haut will man als Wähler und Steuerzahler aber doch nicht. Das Selfie kann sogar als professionelles Stilmittel verwendet werden. In unseren Shootings machen wir auch auf Wunsch Fake-Selfies, das sind Bilder, die aus einer Perspektive und Distanz geschossen werden, dass der Eindruck entsteht, dass es sich um ein Selfie handelt, welches aber unseren Qualitätsansprüchen genügt.
Wer hat Ihr Angebot bisher schon in Anspruch genommen?
Die Aktion läuft erst seit wenigen Stunden, wir hatten jedoch schon diverse Mails von Gemeindepolitikern und sogar von einem Kantonsrat. Selbstverständlich fallen die Namen und Parteizugehörigkeit aber unter das Fotografengeheimnis. Eine junge Dame, die in der Kantonsverwaltung arbeitet und (noch) nicht "Politikerin" ist, hat uns ebenfalls angefragt und fällt nun unter den erweiterten "Politikerbegriff".
Worauf kommt es bei gut gemachten Fotos an?
Das Beste an einem guten Foto ist das Motiv. Jeder von uns hat das Potenzial, auf einem Bild hübsch, kokett, interessant und einzigartig zu wirken. Es kommt auf das Einfühlungsvermögen des Fotografen an, wie er auf das Modell eingehen kann, was er aus dem Potenzial macht, wie er das Licht und die Perspektiven auf die Situation anpasst, damit das Bild das aussagt, was der Mensch vor der Kamera ausdrücken will.
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