Das Schicksal des kleinen spanischen Jungen Julen bewegte zwei Wochen lang Menschen auf der ganzen Welt. Der Zweijährige war in ein illegales Bohrloch gestürzt. Im Anschluss setzte eine aufwändige Rettungsaktion ein, die keinen Erfolg hatte. Julen wurde tot geborgen. Was die Todesursache angeht, ist nun von einem ungeheuren Vorwurf die Rede. Der aber sorgt für Verwirrung und wirft mehr Fragen auf als er beantwortet.
Rund einen Monat nach der Bergung der Leiche des kleinen Julen aus einem Brunnenschacht in der Nähe von Málaga sorgt ein neues Dokument in Spanien für Aufsehen.
In dem Bericht heisst es, dass nicht der Sturz des Zweijährigen, sondern der Einsatz der Rettungskräfte für den Tod des Kindes verantwortlich sein könnte.
Die Anwälte des Finca-Besitzers, auf dessen Grundstück das Unglück passierte, hätten diese These jetzt der zuständigen Richterin unterbreitet, berichtete die Zeitung "El País". Der Mann ist der Einzige, gegen den in dem Fall ermittelt wird.
Verfasst wurde das Schriftstück von dem Architekten Jesús María Flores, der bereits in der Vergangenheit den Rettungseinsatz kritisiert hatte. Damals hatte sich die Architektenkammer öffentlich von Flores' Aussagen distanziert.
Julen lag tot in 70 Metern Tiefe
Julen war Mitte Januar in dem Ort Totalán in ein über 100 Meter tiefes, illegal gegrabenes Bohrloch gefallen. Seine Leiche wurde zwei Wochen später in 70 Metern Tiefe gefunden, nachdem Helfer in mühsamer Arbeit einen Parallelschacht gebohrt hatten.
Laut dem kurz darauf veröffentlichten Autopsiebericht starb der Junge noch am Tag des Unfalls an schweren Kopfverletzungen: Demnach löste sich während des Sturzes auch Gestein, das von oben auf das Kind herabfiel und die Schädelverletzungen verursachte.
Der neue Bericht versucht hingegen zu belegen, dass Julen durch den Einsatz der Rettungskräfte mit einer Spitzhacke zu Tode gekommen sein könnte.
Der Bericht in der Zeitung "El País" rollt die Geschehnisse des Unglückstags nochmal auf: Julen sei kurz vor 14 Uhr, von seinen Eltern unbemerkt, in das angeblich ungesicherte Bohrloch gestürzt. Bislang war davon ausgegangen worden, dass der Junge augenblicklich 70 Meter tief gefallen und von nachstürzendem Gestein erschlagen worden sei.
Nunmehr steht die Behauptung um Raum, am Unglückstag sei zwischen 17.30 und 21 Uhr mit insgesamt zehn Schlägen versucht worden, Erde zu lockern, um zu Julen vorzudringen. Dabei sei der Junge offenbar am Kopf getroffen worden.
Dann aber kann er nicht in 70 Metern Tiefe gelegen haben. Angeblich sei er, so beschreibt der Bericht, "in den ersten Augenblicken nach seinem Sturz unter einer Erdschicht und einem Material zwischen zehn und 15 Zentimetern Dicke" begraben gewesen. Dies würde erklären, dass ihn die Schläge mit der Spitzhacke erreichen konnten.
Spanien: Tiefe Trauer bei Begräbnis von Julen
"Das ist das Einzige, was die körperlichen Verletzungen an Kopf und Schädel des Minderjährigen verursachen konnte", hiess es. Untermauert werde diese These von der Tatsache, dass an der Spitzhacke acht Haare des Kindes, einige sogar noch mit Wurzel, entdeckt worden seien.
Warum aber berichtet niemand von Schmerzlauten Julens, von einem Signal, dass den Jungen ein schweres Werkzeug am Kopf verletzt? Lediglich Julens Vater hatte erzählt, er habe seinen Sohn unmittelbar nach dessen Absturz wimmern gehört. Zudem sei dessen Cousine Augenzeugin gewesen. Julen sei mit den Füssen zuerst in dem Bohrloch verschwunden.
Nach 21 Uhr des Unglückstages muss Julen dann bis auf 70 Meter Tiefe, wo er schliesslich gefunden wurde, gefallen sein.
Da der Bericht von den Anwälten des Finca-Besitzers stammt, gegen den wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wird, ist er allerdings mit Vorsicht zu betrachten. Dem Finca-Besitzer wird vorgeworfen, den auf der Suche nach Wasser gegrabenen Schacht nicht gesichert zu haben. Der Mann hat dies stets bestritten und betont, er habe das Loch mit zwei Betonblöcken abgedeckt. (hau/dpa)
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