• Eine unabhängige Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch in der französischen Kirche hat ihre Ergebnisse in Paris vorgestellt.
  • Die Hochrechnungen seit den 1950er Jahren kommt auf 330.000 Kinder und Jugendliche, die in der katholischen Kirche und von der Kirche betriebenen Einrichtungen missbraucht wurden.
  • 80 Prozent der Opfer seien Jungen im Alter zwischen 10 und 13 Jahren.

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In der katholischen Kirche in Frankreich sind seit den 1950er Jahren nach Hochrechnungen einer Untersuchungskommission 216.000 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Unter Einbeziehung der von der Kirche betriebenen Einrichtungen werde von 330.000 Opfern ausgegangen, sagte der Präsident der Unabhängigen Missbrauchskommission in der Kirche (CIASE), Jean-Marc Sauvé, am Dienstag (5.10.) in Paris. 80 Prozent der Opfer seien Jungen im Alter zwischen 10 und 13 Jahren gewesen, 20 Prozent Mädchen unterschiedlicher Altersgruppen. Bei den Taten habe es sich in fast einem Drittel der Fälle um Vergewaltigungen gehandelt.

Zwei Drittel der mutmasslichen Täter sind Geistliche

"Die Zahlen sind erschütternd und können nicht folgenlos bleiben", sagte der Kommissionspräsident. Die Opfer hätten Leiden, Isolation und oft auch Scham und Schuldgefühle erlitten. Knapp die Hälfte von ihnen litten auch nach vielen Jahren noch unter den Folgen. Für knapp zwei Drittel der Missbrauchsfälle waren nach der Studie Geistliche und für die übrigen Beschäftigte der Kirche verantwortlich. 2.900 bis 3.200 Geistliche wurden seit 1950 als Täter identifiziert. Nach Familie und Freundeskreis sei die katholische Kirche in Frankreich der Ort mit dem höchsten Missbrauchsrisiko, so die Studie.

Papst Franziskus zeigte sich betroffen vom Ergebnis der Studie. Seine Gedanken seien in erster Linie bei den Opfern. Er spüre grosse Trauer wegen ihrer Verletzungen und Dankbarkeit für ihren Mut, diese anzuprangern, sagte ein päpstlicher Sprecher.

Der Gründer des Opferverbandes "La Parole Libérée", François Devaux, mahnte die Kirche bei der Vorstellung des in Frankreich mit Spannung erwarteten Berichts: "Sie müssen für alle diese Verbrechen bezahlen." Dabei werde es um Milliardensummen gehen.

Mutige Aufarbeitung in Deutschland fehle bisher

Die französische Bischofskonferenz kündigte Konsequenzen an. "Angesichts so vieler zerrütteter, oft zerstörter Leben schämen wir uns und sind entrüstet", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort. Man werde alle erforderlichen Schritte einleiten, damit sich ein solcher Skandal nicht wiederhole. Auf der Sitzung der Kirchengremien im November sollten Massnahmen getroffen werden.

Der deutsche Verband von Opfern kirchlichen Missbrauchs, Eckiger Tisch, betonte die Bedeutung unabhängiger Untersuchungen wie nun in Frankreich. "Das fehlt uns in Deutschland dank des hinhaltenden Widerstands der deutschen Kirchen immer noch − auch elf Jahre nach dem Missbrauchsskandal", sagte Verbandssprecher Matthias Katsch. Die Politik habe es zu lange laufen lassen, es fehle eine mutige Aufarbeitung der Ergebnisse deutscher Missbrauchsstudien. (sus/dpa)

Wenn Sie selbst von sexueller Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch 0800/2255530 (Deutschland), die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar) 01/3340437 (Österreich) beziehungsweise die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana) 031/3131400 (Schweiz).
Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
Hilfsangebote für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
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