Für Ägypten ist es ein Mega-Projekt, das Milliarden-Gewinne und Prestige verspricht – doch die Erweiterung des Suezkanals bringt Arbeiter in Lebensgefahr und bedroht die Umwelt.

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Seit fast 150 Jahren verbindet er Europa und Asien, nun wird er für rund 8,5 Milliarden US-Dollar ausgebaut: der ägyptische Suezkanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer. Seit Anfang August rollen die Schubraupen und Lastwagen durch den Wüstensand. Grösser, besser und vor allem lukrativer soll der 163 Kilometer lange Kanal nach der Erweiterung sein. Doch schon jetzt zeigt das Mega-Projekt seine Schattenseite: Arbeiter sterben beim Bau und Forscher warnen vor erheblichen Gefahren für die Umwelt.

Dabei hatten bei der Eröffnung am 17. November 1869 wohl nur wenige geahnt, welche Bedeutung der Kanal einmal für den Welthandel bekommen würde: Reedereien sparen sich heute die Fahrt tausender Kilometer um die Südspitze Afrikas und halbieren damit häufig ihre Zeit auf See. Ägypten selbst profitierte jedoch lange überhaupt nicht von dem Kanal. Erst 1956 verstaatlichte Kairo die Wasserstrasse, die zuvor Franzosen und Briten gehörte – die bis dato auch alle Gebühren kassierten. Seitdem ist der Kanal für viele Ägypter ein Symbol für Unabhängigkeit und Prestige.

Regierung verschweigt Details des Projekts

Auch aufgrund dieser Historie verzichtete Präsident Abdel Fattah al-Sisi für den aktuellen Ausbau auf ausländische Investoren. Stattdessen stammen die rund 8,5 Milliarden US-Dollar vom ägyptischen Volk in Form von Staatsanleihen. Viele Ägypter begeistern sich für den Bau, der in nur einem Jahr fertig sein soll. Doch Experten wundern sich über den ambitionierten Zeitplan. "Ich weiss nicht, wie sie das machen wollen. Keiner hat Zugang zu den Projektdaten", sagte Amr Adly vom Carnegie Middle East Zentrum in Kairo jüngst der Deutschen Welle.

Tatsächlich schweigt die Regierung zu den Details. Klar ist, dass eine 35 Kilometer lange zweite Wasserstrasse gebaut wird. Denn auf rund 80 der insgesamt 163 Kilometer kommen Schiffe aufgrund der schmalen Fahrrinne nicht aneinander vorbei und müssen bis zu 18 Stunden warten. Zudem soll der Kanal auf weiteren 37 Kilometern um 24 Meter vertieft werden.

Milliarden-Gewinne zulasten der Arbeiter?

Kairo verspricht sich davon einige Vorteile. Statt 40 bis 50 Schiffe sollen täglich 80 bis 90 fahren, ausserdem werde sich die Wartezeit um rund ein Drittel verringern. Vor allem aber sind da die Gebühren für die Durchfahrt: Schon heute nimmt Ägypten dank des Kanals pro Jahr rund fünf Milliarden US-Dollar an Devisen ein. Nach dem Ausbau soll sich diese Zahl verdoppeln. Unternehmern bleibt aber nichts anderes übrig, als all das blind zu glauben – prüfen können sie die Versprechen nicht.

Offiziell arbeiten rund 25.000 Menschen an dem Projekt, von bis zu 100.000 sprechen ägyptische Medien. Diese berichten auch, dass in den vergangenen drei Wochen bereits drei Arbeiter am Kanal starben, etwa als eine Klippe plötzlich wegrutschte. Ein Mega-Projekt, das um jeden Preis fertig werden muss? Das erinnert an Katar, das den Stadionbau für die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 ohne Rücksicht auf die Arbeiter vorantreibt.

Eine ökologische Katastrophe droht

Doch das ist nicht das einzige Problem. Fast 20 Forscher warnten vergangene Woche in einem gemeinsamen Artikel vor drastischen Umweltrisiken für das Mittelmeer. "Der Bau kann das ganze Ökosystem auf den Kopf stellen", sagt einer der Autoren. Schon jetzt gibt es im östlichen Mittelmeer fast 400 exotische Arten, die eigentlich im Roten Meer beheimatet sind, also auf der anderen Seite des Kanals.

Erst kürzlich hatte eine andere Gruppe von Wissenschaftlern gezeigt: Allein 80 Prozent der fremden Fisch- und Weichtierarten sind in den vergangenen 50 Jahren durch den Kanal ins Mittelmeer geschwommen, etwa Krokodilfische oder Korallenwelse mit Stacheln, die auch für Menschen gefährlich sind. Nach dem Ausbau könnten es noch viel mehr werden – mit verheerenden Folgen.

Die Exoten könnten Fischlarven fressen, heimische Arten ausrotten oder die Fischerei stören. Auch neue Krankheiten und giftige Algen seien denkbar. Schon jetzt tummeln sich vor Mittelmeer-Stränden mitunter exotische Quallen und Kugelfische, deren Stiche auch Urlauber vergiften. Mit dem grösseren Suezkanal könnten bald mehr und giftigere Arten vor Italien, Tunesien oder der Türkei treiben. Das Problem, so ein Forscher: "Sind die Exoten erst einmal da, bekommt man sie nicht wieder weg."

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