In den USA bleibt der Zugang zur Abtreibungspille Mifepriston zumindest kurzfristig gewährleistet. Der Oberste Gerichtshof in Washington verschob am Mittwoch seine mit Spannung erwartete Entscheidung zu der Pille um zwei Tage. Zugleich verlängerte er die Aussetzung von Urteilen unterer Instanz, die den Einsatz von Mifepriston untersagen oder stark einschränken würden, bis Freitag um Mitternacht. So lange bleibt der Zugang zu der Abtreibungspille bewahrt, die in den USA bei mehr als jedem zweiten Schwangerschaftsabbruch eingesetzt wird.
Ein Bundesrichter im Bundesstaat Texas hatte vor knapp zwei Wochen die im Jahr 2000 erteilte Zulassung für Mifepriston durch die US-Arzneimittelbehörde FDA aufgehoben. Ein Bundesberufungsgericht im Bundesstaat Louisiana kippte diese Entscheidung zwar, verschärfte aber gleichzeitig die Auflagen, unter denen die Pille verschrieben werden darf. So wäre der Einsatz nur noch bis zur siebten und nicht mehr bis zur zehnten Schwangerschaftswoche möglich, ausserdem könnte Mifepriston nicht mehr per Post verschickt werden.
Juristischer Kampf um das Abtreibungsrecht
Die US-Regierung zog vor den Supreme Court, um gegen diese Urteile vorzugehen und weiterhin einen freien Zugang zu Mifepriston zu ermöglichen. Der Gerichtshof legte die Urteile dann am vergangenen Freitag zunächst bis Mittwoch um Mitternacht auf Eis. Bis Dienstag konnten die Konfliktparteien ihre Argumente schriftlich einreichen.
Verfassungsrichter Samuel Alito verlängerte nun die Aussetzung der Urteile der unteren Instanzen um weitere zwei Tage, bis Freitag um 23.59 Uhr Ortszeit. An dem Gerichtshof hat das konservative Lager nach mehreren Neubesetzungen während der Amtszeit von Ex-Präsident Donald Trump eine klare Mehrheit von sechs der neun Richter. Befürworter des Rechts auf Abtreibungen blicken der Entscheidung des Gerichtshof deswegen mit Sorge entgegen.
Das Urteil des erzkonservativen Bundesrichters aus Texas hatte die USA in eine neue juristische Schlacht um das Abtreibungsrecht gestürzt - zehn Monate, nachdem der Supreme Court mit der Aufhebung des landesweiten Grundrechts auf Schwangerschaftsabbrüche für ein politisches Erdbeben gesorgt hatte. Die Verfassungsrichter hatten im vergangenen Juni ein historisches Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973 zur Legalisierung von Abtreibungen im ganzen Land gekippt.
Zahlreiche Bundesstaaten schränkten in der Folge den Zugang zu Abtreibungen ein oder verboten Schwangerschaftsabbrüche. Abtreibungsgegnern ist das aber nicht genug. Sie nahmen in der Folge die Abtreibungspille Mifepriston ins Visier und wollen erreichen, dass diese landesweit vom Markt genommen wird - also auch in jenen Bundesstaaten, in denen Abtreibungen noch erlaubt sind.
Mifepriston, in Deutschland unter dem Handelsnamen Mifegyne bekannt, wird in den USA bei 53 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche eingesetzt. Nach Angaben der FDA wurde die Pille seit ihrer Zulassung im Jahr 2000 von mehr als 5,6 Millionen Frauen genutzt. In weniger als 1500 Fällen habe es Komplikationen gegeben, ohne dass ein Zusammenhang zu Mifepriston habe hergestellt werden können. Viele Frauen ziehen einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch einem sogenannten instrumentellen Eingriff vor.
Bei dem Rechtsstreit geht es unter anderem um die Frage, inwieweit Gerichte Entscheidungen der FDA rückgängig machen können. Das US-Justizministerium hat den Obersten Gerichtshof aufgerufen, den Status Quo bei der Abtreibungspille zu bewahren.
Gesundheitsexperten und führende Vertreter der Pharmaindustrie befürchten, dass Gerichtsverfahren wie das um Mifepriston auch die Zulassung für andere Medikamente in Frage stellen könnten. Angesichts des Vorgehens gegen Mifepriston sei es "nicht unrealistisch", dass ein Richter auch für den Entzug der Zulassung von "Impfstoffen oder Antidepressiva, die er nicht mag", stimme, sagte der frühere FDA-Vertreter Josh Sharfstein. © AFP
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