Tagelang wurde im Januar 2019 nach dem zweijährigen Julen gesucht - leider vergeblich, er konnte nicht gerettet werden. Der kleine Junge stürzte beim Ausflug mit seiner Familie in ein ungesichertes Bohrloch. Nach fast zwei Wochen intensiven Bergungsarbeiten konnte er nur noch tot geborgen werden. Knapp ein Jahr später, am 21. Januar 2020, sollte der Prozess gegen den Eigentümer der Finca, auf der das Unglück geschah, beginnen. Nun haben sich der Angeklagte und die Eltern von Julen offenbar aussergerichtlich geeinigt.

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Der kleine Julen stürzte im Januar 2019 beim Spielen in einen nur etwa 25 Zentimeter breiten Schacht. Julens Familie war an jenem Sonntag beim Eigentümer der Finca eingeladen. Während er mit anderen Kindern auf dem Grundstück spielte, verschwand er in einem Loch im Erdboden.

Letztlich geborgen wurde er in mehr als 70 Metern Tiefe. Die Bergungsarbeiten zogen sich über einen Zeitraum von zwölfeinhalb Tagen hin, immer begleitet von zahlreichen TV-Kameras. Die Anteilnahme der Bevölkerung im In- und Ausland war riesengross, und bis zuletzt hatte man gehofft, den Jungen noch lebend zu finden. Der Tod des Jungen warf Fragen auf - Fragen nach der Schuld an diesem Unglück.

Unfallursache: Sogenannte "Mondscheinlöcher"

Aufgrund der Wasserknappheit in Südspanien graben viele Grundstückseigentümer und Bauern nach Wasser - ohne entsprechende Genehmigung. Da diese Löcher illegal und daher oft nachts ausgehoben werden, spricht man auch von "Mondscheinlöchern".

Offenbar existieren in Südspanien Zehntausende dieser illegalen Brunnenlöcher. Die Gefahr, die von diesen Grabungen ausgeht, besteht insbesondere darin, dass die Löcher anschliessend nicht abgesichert, geschweige denn wieder zugeschüttet werden, sodass sie eine Unfallgefahr für Menschen und Tiere gleichermassen darstellen.

Auch bei dem Schacht in Totalán in der Provinz Malaga, in den Julen gefallen ist, gab es offenbar keine Lizenz für eine Bohrung. Weder der Besitzer des Grundstücks noch das mit der Bohrung beauftragte Unternehmen haben also rechtmässig gehandelt.

Anklage wegen fahrlässiger Tötung

Angeklagt war nun der Eigentümer der Finca wegen fahrlässiger Tötung. Dieser versuchte, zunächst den Brunnenschachtbauer in die Verantwortung zu nehmen, anschliessend gab er den Rettungskräften die Schuld für den Tod des Jungen und warf ihnen vor, Julen bei den Rettungsarbeiten mit einer Spitzhacke am Kopf getroffen zu haben, als sie versuchten, in dem kleinen Loch zu ihm vorzudringen.

Allerdings ergab die Autopsie von Julen, dass er schon einige Minuten nach dem Sturz seinen schweren Kopfverletzungen erlegen ist - sein Tod wohl ausgelöst durch Steine, die sich bei seinem Sturz gelöst hatten und von oben auf ihn herabfielen. Wunden, die durch eine Spitzhacke hätten verursacht werden können, wurden hingegen nicht gefunden. Hinzu kam, dass Julen bereits tot war, als die Bergungsarbeiten einige Stunden nach seinem Sturz begannen.

Der Prozess und sein unvermitteltes Ende

Sechs Verhandlungstage waren angesetzt für den Prozess, der am 21. Januar hätte beginnen sollen. Die Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre Haft für den Besitzer der Finca, die Anwältin der Eltern dreieinhalb Jahre. Neben einer Haftstrafe drohte dem Angeklagten auch die Verurteilung zu Schadenersatz. Nun scheinen sich Anklage und Verteidigung aussergerichtlich geeinigt zu haben.

Der Besitzer der Finca hat sich offenbar zur fahrlässigen Tötung bekannt und gab die Nachlässigkeit im Umgang mit dem ungesicherten Bohrloch zu. Er akzeptierte eine Haftstrafe von einem Jahr, und kann darauf vertrauen, dass diese zur Bewährung ausgesetzt wird, da er nicht vorbestraft ist. Den Eltern wird er wohl eine Entschädigung zahlen. Das Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen. Unklar ist im Moment, wer für die Kosten für die Rettungsaktion mit bis zu 300 Rettern, die sich immerhin auf fast eine Million Euro beläuft, wird bezahlen müssen.

Weder ein Gerichtsverfahren noch die jetzige Einigung kann den kleinen Julen zurückbringen. Zumindest müssen sich die Eltern, die bereits 2017 ein Kind verloren haben, jetzt nicht der Strapaze eines Prozesses aussetzen.

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